Millionen-Subventionen für Zeitungen geplant
Nachdem Zeitungsverlage immer lauter Alarm geschlagen haben, dass sich das Austragen gedruckter Exemplare vor allem auf dem Land kaum noch finanzieren lasse, steht offenbar Hilfe aus der Politik kurz bevor. Abgeordnete unterschiedlicher Fraktionen rechnen damit, dass die Bundesregierung noch in den laufenden Beratungen über den Haushalt für das kommende Jahr vorschlagen wird, ein Millionen-Budget für die Förderung der Zeitungszustellung freizugeben. "Es dürfte zwar schwer werden, kurzfristig schon im nächsten Jahr alle Wünsche zu erfüllen, aber wir sollten 2020 unbedingt schon einen ersten Impuls setzen", sagt etwa der kultur- und medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rabanus, auf ZAPP-Anfrage. "Wenn es gut läuft, könnte das ein dreistelliger Millionenbetrag sein."
Verleger aus dem gesamten Bundesgebiet haben die Abgeordneten ihrer Region angeschrieben und um eine positive Haltung für die "aktuell im Bundestag anstehenden Beratungen über eine Infrastruktur-Förderung von Zeitungsverlagen" gebeten, wie es in den Schreiben unter anderem heißt - obwohl das Thema den Bundestag offiziell noch gar nicht erreicht hat. "Auch wenn inzwischen mehrere Tausend Abonnenten unsere Zeitungen digital lesen und wir über die mobilen Kanäle rund um die Uhr informieren, wollen die Menschen weiterhin überwiegend ihre Zeitung gedruckt in Händen halten, morgens spätestens um 6 Uhr", schrieben etwa die Verleger von "Schwäbischer Post" und "Gmünder Tagespost" nach Berlin. "Neu-Abonnenten wählen zu über 90 Prozent das gedruckte Exemplar."
Verleger verweisen in Lobby-Schreiben auf ähnliche Modelle in der EU
Für ihre Schreiben haben sich auch einige konkurrierende Verleger zusammengetan. "Auch in anderen europäischen Ländern wird die Pressezustellung seit Jahrzehnten gefördert", notierten die Geschäftsführer von "Süddeutscher Zeitung" und "Münchner Merkur" gemeinsam. "Wie Telekommunikation, Strom und Verkehr ist ein flächendeckendes Pressezustellnetz eine Infrastruktur von erheblichem Wert für unsere Gesellschaft." Der Verleger der Mainzer "Allgemeinen Zeitung" weist wiederum darauf hin, dass eine solche Förderung "höchstwahrscheinlich" einer Prüfungspflicht als staatliche Beihilfe unterliegen würde und schickt vorsorglich das Aktenzeichen einer entsprechenden Freigabe für ein Modell in Dänemark mit.
Union und SPD hatten die "Sicherung der bundesweiten Versorgung mit Presseerzeugnissen für alle Haushalte" bereits 2018 in ihrem Koaltionsvertrag festgehalten. Allerdings war angedacht, die Verlage bei den Beiträgen zur Rentenversicherung für die Zusteller zu entlasten. Zuvor waren die Verlage verpflichtet worden, Zusteller nicht mehr wie jahrzehntelang pro Stück, sondern pro Stunde zu bezahlen. Dies hatte bei vielen Verlagen förmlich zu einer Explosion der Kosten für die klassische Zustellung ihrer Zeitungen geführt. Einige Verleger rechnen haben Abgeordneten vorgerechnet, dass die Kosten für die Zustellung einer Zeitung in den vergangenen fünf Jahren um gut 90 Prozent gestiegen sind. Der Plan, die Rentenpunkte zu senken, ist nach ZAPP-Informationen jedoch an rechtlichen Überlegungen gescheitert. Anschließend wurde ein Plan B gesucht.
Auch andere EU-Staaten fördern den Vertrieb von Zeitungen
Das zuständige Bundesarbeitsministerium erklärt auf Anfrage, es habe unter anderem "internationale Erfahrungen mit den Zeitungsverbänden ausgewertet". Konkreter wird das Ministerium nicht. Der wissenschaftliche Dienstes des Bundestags hat jedoch schon vor zehn Jahren einen EU-weiten Überblick angefertigt. Aus ihm geht hervor, dass die meisten EU-Staaten die Presse indirekt fördern, indem für ihre Produkte keine oder nur eine verminderte Mehrwertsteuer gilt - wie Deutschland, hier wurde gerade auch der Satz für digitale Verlagsprodukte gesenkt. Verlage versuchen teilweise, ihr Stammpublikum für die digitalen Ausgaben zu begeistern, auch mit aufwendigen Schulungen.
Beispielsweise Frankreich, vor allem aber auch Italien subventionieren Verlage auch direkt, etwa mit allgemeinen Zuschüssen an Verlage, je nach Jahresumsatz. So ein Modell soll in Deutschland aber nicht kommen: Um die Staatsferne der Presse zu subventionieren, soll ausdrücklich nur die Logistik, also die tatsächliche Zustellung einer gedruckten Zeitung gefördert werden. Auch Anzeigenblätter mit redaktionellem Teil sollen diese Förderungen erhalten.
Land, Stadt, Mischgebiete: gestaffelte Förderung im Gespräch
Das Bundesarbeitsministerium betont, Ziel sei, "dass Regionen nicht von der Pressezustellung abgehängt werden". Wie eine genaue Förderung aussehen kann, sei aber noch offen, da die Gespräche hierzu "noch nicht abgeschlossen" seien. Allerdings sind die Pläne greifbarer, als es diese diplomatische Antwort zu erkennen gibt: Gezahlt werden soll nach Auflage. Im Gespräch ist ein gestaffeltes Modell, das Zustellregionen in Städten, auf dem Land und in Mischgebieten unterscheidet. Für die Zustellung auf dem Land, wo Zusteller weite Wege zurücklegen müssen, soll es das meiste Geld geben.
"Eine solche Förderung ist hoch notwendig", sagte SPD-Politiker Rabanus. "Es geht darum, die Medienvielfalt in unserem Land zu sichern - auch im wahrsten Sinne des Wortes: Vor allem in ländlichen Regionen ist die Tageszeitung bedroht, ich meine sogar, der bedrohteste Medientyp überhaupt." Rabanus selbst lebt im Taunus. Dort und auch im benachbarten Westerwald sei das Problem klar erkennbar.
Grünen kritisieren: Lokaljournalismus bei Förderung außen vor
Bedenken kommen unterdessen aus der Opposition im Bundestag. Die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Margit Stumpp, sagt zwar, auch ihre Fraktion beobachte den Rückgang der Medienvielfalt und der Auflagenzahlen von Zeitungen mit Sorge und teile die Auffassung, dass "Politik und Medienbranche gemeinsam" tragfähige Lösungen für die Zukunft finden müssten. "Eine Subventionierung der Verlage mit der Gießkanne über eine staatliche Unterstützung bei den Zustellungskosten ist für uns aber ein zweifelhafter Weg."
Stumpp mahnt, es sei zu unsicher, ob von einer staatlichen Förderung der Pressezustellung auch die Redaktionen etwas hätten, also neben den Zustellern auch die Journalisten. "Wir würden uns von Verlegerseite wünschen, dass Redaktionen wieder vergrößert, Lokalredaktionen eröffnet, feste Freie fest angestellt und rundum faire Vergütungen gezahlt werden", so Stumpp gegenüber ZAPP. Sie kritisierte, dass immer mehr Lokalredaktionen geschlossen und Zeitungen überdies ihre überregionale Berichterstattung zunehmend zentralisieren würden.
Update 14. November 2019, 22 Uhr: Wie die Nachrichtenagentur dpa meldet, hat die Bundesregierung den Haushaltsausschuss nun kurzfristig um eine erste Fördersumme von 40 Millionen Euro gebeten für das kommende Jahr. Der Ausschuss habe dem zugestimmt, der Bundestag müsse das Ende November allerdings auch noch. Die Subventionen blieben allerdings gesperrt, bis das Arbeitsministerium ein detailliertes Konzept vorlege. Der Zeitungsverlegerverband BDZV kündigte unterdessen einen neuen parlamentarischen Anlauf an: Die vorgesehene Summe reiche nicht aus.