Kritische Sicht: US-Journalisten und Trump
Es war seine erste Pressekonferenz nach der Wahl. Zum ersten Mal trat Donald Trump als gewählter Präsident vor die Medien - jene Medien, die er im Wahlkampf so oft beschimpft hatte. Das Amt würde ihn ändern, hatten viele erwartet. Und manche auch gehofft. Sie wurden eines Besseren belehrt. Das Beschimpfen der Medien ging weiter: "Wie Sie wissen, bin ich im Krieg mit den Medien", so Trump. "Sie zählen zu den unehrlichsten Menschen auf der Welt." Seit sieben Wochen berichten Amerikas Medien über einen Präsidenten, der sie "Volksfeind" nennt. Wie geht man damit um? Bleibt man gelassen? Schießt man zurück?
"Wir verlangen Antworten"
Selbst beim gewöhnlich Trump-freundlichen Sender Fox-News liegen die Nerven blank. "Sind wir Idioten, weil wir die Fragen stellen? Nein, Sir. Wir sind keine Idioten. Wir verlangen Antworten. Die schulden Sie dem amerikanischen Volk", empörte sich ein Moderator vor laufender Kamera.
"Wir sind Journalisten, wir stehen auf keiner Seite"
Es sei nicht leicht, einen kühlen Kopf zu bewahren, sagen sie beim renommierten Radiosender NPR. Doch genau den verlangen sie hier. "Die Kriegserklärung des Präsidenten nehmen wir nicht an", sagt Nachrichtendirektor Michael Oreskes. "Es ist sein Krieg. Er mag im Krieg sein, wir sind es nicht. Wir sind bei der Arbeit. Wir sind Journalisten, wir stehen auf keiner Seite."
Trumps Beraterin erfindet den Begriff der "alternativen Fakten"
Die Presse sitzt im Westflügel des Weißen Hauses. Alle großen Medien haben hier Reporter akkreditiert. Dass ihr Präsident sie als Feind sieht, ist neu. Und neu ist auch, dass sie jede seiner Aussagen jetzt einem Faktencheck unterziehen müssen. Berühmtestes Beispiel: die Inaugurationsfeier. Trump behauptete, dass bei seiner Amtseinführung das größte Publikum dabei war. Dass das nicht stimmt, war offensichtlich. Doch sein Sprecher musste es verteidigen. "Es war das größte Publikum einer Amtseinführung überhaupt, Punkt", erklärte Sean Spicer den Journalisten.
Als die ganze Welt darüber lacht, schickt Trump seine Beraterin vor die Kamera. Und die kreiert den Begriff der "alternativen Fakten" - jener Begriff, der längst für Trumps Umgang mit der Wahrheit steht.
Medien stecken im Dilemma
Alternative Fakten? Michelle Kosinski, die seit Jahren für den Sender CNN aus der Hauptstadt berichtet, nennt es anders: Lüge. Und das sei nicht parteiisch. "Eine Lüge Lüge zu benennen - das ist objektiv. Wenn du es belegen kannst. Und wenn du eine Lüge nicht aufdeckst, dann machst du deine Arbeit nicht."
Doch um eine Lüge aufzudecken, muss man sie ansprechen - und dadurch trägt man zu ihrer Verbreitung bei. Ein Dilemma, in dem die Medien jetzt oft stecken. Etwa, wenn der Umweltminister sagt, die Erderwärmung habe nichts mit CO2-Abgasen zu tun. "Das ist Strategie", so Kosinski, "es ist ihnen egal, wenn die Qualitätsmedien sagen: Eine Behauptung stimmt nicht. Die Message kommt bei den Anhängern an, und darum geht es. Und trotzdem müssen wir darüber berichten, wenn der Umweltminister eine Position vertritt, die jeglicher wissenschaftlicher Beurteilung widerspricht. Wir können nicht einfach ignorieren, wenn er die Unwahrheit sagt."
Nur wenig Informationen aus dem Weißen Haus
Hinter den vielen Behauptungen und Angriffen aus dem Trump-Lager vermuten manche noch etwas ganz anderes: Sie seien oft schlicht Ablenkungsmanöver. Vernebeln sei ein Teil der Trump-Strategie, sagen die Washingtoner Journalisten. Außerdem gebe das Weiße Haus nur wenig an Information heraus. Doch das, sagt Michelle Kosinski, sporne ihre Kollegen nur an. "Die Leute werden weiter ihren Job machen. Wenn man sie einschränken will, werden sie eben hartnäckiger. Informationen findet man auch bei anderen Quellen."
Viele der großen Medien haben in Washington aufgestockt - mit Rechercheteams, die die Trump-Administration genau unter die Lupe nehmen. Die Kriegserklärung an die Medien könnte nach hinten losgehen.