dpa: Einsam im Newsroom
Der Newsroom der Deutschen Presseagentur in Berlin ist mit Abstand der größte der Republik: Mehr als 2.500 Quadratmeter auf einer Etage, quasi die Herzkammer des deutschen Journalismus. An einem normalen Arbeitstag arbeiten hier oft mehr als 250 Menschen, natürlich vor allem Journalistinnen und Journalisten. Aber was ist in dieser Zeit schon noch normal? Die dpa hat ihren Newsroom bis auf Weiteres geräumt - so wie viele Medien der Republik, auch der "Spiegel".
Nur noch vier Mitarbeitende halten die Stellung: zwei Mitarbeitende aus der Redaktionsassistenz, die den Laden am Laufen halten, Nachrichtenchef Froben Homburger und Chefredakteur Sven Gösmann. "Natürlich ist das eine Zäsur", sagt Gösmann. In dieser Situation müsse anders gearbeitet werden. Fokussierter, aber auch vernetzter. "Journalismus ist zum Teil auch immer 'Quatschen auf dem Flur', wie das Henri Nannen mal gesagt hat."
31 Eilmeldungen an einem Tag
Nun fehlten im Alltag viele zwischenmenschliche Begegnungen. Bei einer Nachrichtenagentur gehöre das Arbeiten von unterwegs jedoch zum Handwerk. Die Berichterstattung laufe daher problemlos weiter, wenn auch vor allem zu Corona: "An einem Tag waren es, glaube ich, 31 Eilmeldungen - historischer Höchstwert. Es sind besondere Zeiten."
Gösmann schaut dabei auf seine eigenen Leute, aber auch auf die Medienszene insgesamt. Die dpa ist praktisch mit allen Sendern und Verlagen verbunden. "Es hat sich ein bisschen beruhigt", sagt Gösmann zur Nachrichtenlage. Er sehe dann auch "bei den meisten deutschen Medien nach einer ersten Phase des Überrolltwerdens jetzt wieder diesen Moment, wo alle sagen: Ja, wie lange kann das denn noch dauern?" Die Diskussion um die Exit-Strategie aus den derzeitigen Zwängen sei das beste Beispiel dafür. "Die Skepsis wächst jetzt wieder und das ist gut so."
"Wir sehen, wie zerbrechlich Freiheit auch sein kann"
Recherche bei Politik und Wirtschaft funktioniere auch in Zeiten des Abstandsgebots und der Kontaktsperren, im Zweifel wie ohnehin oft für Nachrichtenagenturen per Telefon. Dennoch bereiten dem Chefredakteur die neuen Reisebeschränkungen Sorgen. "Die Inaugenscheinnahme wird deutlich schwieriger", mahnt Gösmann im Gespräch mit ZAPP. Dass Journalistinnen und Journalisten nicht mehr unbedingt zu einem Ereignis reisen könnten, gebe es derzeit nicht nur in Autokratien wie Russland, sondern auch in Zentraleuropa in bisher liberalen Demokratien. "Da kann ich nur hoffen, dass dieser Dauerzustand nicht anhält. Wir sehen, wie zerbrechlich Freiheit auch sein kann."
Für die zunehmende Distanz untereinander haben die etwa 1.000 Journalistinnen und Journalisten der dpa in aller Welt unterdessen eine Lösung gefunden: Sie schicken sich selbstgedrehte Videos. In der internen Reihe "dpa-Wohnzimmer" zeigen sich Kolleginnen und Kollegen gegenseitig das eigene Homeoffice, den kurze Weg zur "Kantine" oder singen sich gegenseitig etwas vor. Sven Gösmann sagt: Nach der Krise dürfte vieles neu gedacht werden. Die Erfahrungen dieser Tage würden gewiss den Alltag danach prägen – auch im Journalismus.