60 Jahre ARD - Ein "Dinosaurier" und seine Zukunft
Sie ist die Größte, die Erfahrenste, die Weltgewandteste! Alle reden über sie. Über ihren teuren Lebenswandel, ihre hohen Ansprüche, die divenhaft-komplizierte Art und die gewagten Ausflüge ins Internet. Sie ist – die ARD! Alle wollen was von ihr: Sogar wir von Zapp durften schon in der ARD senden, leider nur vorübergehend. Also gratulieren wir dem Ersten Programm vom Dritten aus: Herzlichen Glückwunsch - zum 60. Geburtstag, liebe ARD!
Harald Schmidt, Entertainer: „Wir hatten keinen Fernseher, wir haben den Fernseher erst gekauft bei den Olympischen Spielen in München und ich hab jede Gelegenheit wahrgenommen, also bei Freunden zu gucken."
Stefan Niggemeier, Medienjournalist: „Ich hab bestimmt relativ früh schon den Grand Prix wahrgenommen. Ich weiß, das war einer von zwei Abenden im Jahr, wo ich lange aufbleiben durfte außer Silvester."
Friedrich Küppersbusch, Fernsehproduzent: „Da fallen einem dann alte Logos ein, Testbilder, die es noch gab."
Wolfgang Fürstner, Verband Deutscher Zeitschriftenverleger: "Die ARD hat die Medienlandschaft der Bundesrepublik in 60 Jahren ganz wesentlich mitgestaltet und sicherlich auch Standards gesetzt, Qualitätsstandards."
Harald Schmidt, Entertainer: „Wenn es das Erste Deutsche Fernsehen nicht gäbe, müsste man es erfinden. Ja?! Es ist ein großes Schlachtschiff mit den kleinen Problemchen zum Teil, die so ein großes Schiff eben hat. Aber es ist ein wunderbares Luxusschiff."
Am 25. Dezember 1952 hielt der damalige Intendant des NWDR, Werner Pleister, eine kurze Ansprache: "Wir beginnen. Wir, meine verehrten Zuschauer, das ist die Fernsehabteilung des Nordwestdeutschen Rundfunks mit all ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern." Ende 1952, zweieinhalb Jahre nach ihrer Gründung als Radioverbund, startet die ARD ihr tägliches Fernsehprogramm. Sie sendet aus einem Bunker in Hamburg.
Der Einstieg in ein wahres Massenmedium: Die Menschen versammeln sich vor den Fernsehern, von denen es anfangs nur 300 gibt. Das erste große Public Viewing 1953. Die Welt erlebt die Krönung von Königin Elisabeth II., live. 1954 überträgt die ARD den Sieg der Deutschen bei der Fußball-WM. Und immer mehr Zuschauer leisten sich ihr eigenes Fernsehgerät. Von Anfang an das Aushängeschild der ARD: Die Tagesschau. Sie gibt dem Programm bis heute eine Identität, doch den Stil prägt sie längst nicht mehr allein.
Friedrich Küppersbusch, Fernsehproduzent: "Sagen Sie mir mal einen Satz über die ARD, eine Positionierung. BMW macht Sportwagen, Mercedes macht Limousinen und, und, und, stimmt auch alles nicht, aber ich habe sofort eine Idee. Die Idee über ARD ist: Abstrakt, Behörde, Gemischtwarenladen, irgendwie alles, nichts Spezielles, so irgendwie blaue Farbe."
Als Gemischtwarenladen ist die ARD lange Zeit unschlagbar, denn Konkurrenz gibt es nicht. Hans Joachim Kulenkampff wird die Marke der Abendunterhaltung für die ganze Familie. Stefan Niggemeier, Medienjournalist: "Mit Kulenkampff war das natürlich auch ein Ereignis, wo jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wurde. Wo dann auch hinterher wochenlang die Zeitungen voll waren, wenn er irgendwas falsches gesagt hatte über die DDR, die er Ostzone genannt hat oder nicht genannt hat."
Friedrich Küppersbusch, Fernsehproduzent: "Das Besondere an der ARD-Unterhaltung war eben ein Amalgam aus großer Massenwirksamkeit und Anstößigkeit. Also auch Rudi Carrell auch mal mit dem nackten Arsch im Fernsehen oder Dietmar Schönherr und Vivi Bach, aber auch mit sozialen Krisenexperimenten, wo dann wochenlang diskutiert wurde, auch eine gewisse Risikobereitschaft."
Neue Konkurrenz in den 80er-Jahren
Doch 1984 geht die private Konkurrenz an den Start. Videoausschnitt: RTL Plus: „Jürgen Doetz: „Sie sind in dieser Minute Zeuge, des Starts, des ersten deutschen privaten Fernsehveranstalters.“ (RTL Plus, 1984). SAT.1 und RTL gehen auf Sendung. Anfangs ein bisschen ungelenk und mit viel nackter Haut, belächelt von der ARD.
Harald Schmidt, Entertainer: "Man hat gefühlte 15 Jahre gedacht, die machen eh nicht lange. Ich weiß noch genau, wie darüber gewitzelt wurde, dass Thoma in einer Garage in Luxemburg ein bisschen vor sich hin sendet, aber das ist ja das Kennzeichen von einem Dinosaurier, dass er viele Millionen Jahre noch weitermacht, weil da irgendwie neues anfängt zu wachsen und zu gedeihen."
Peter Klöppel, RTL-Chefredakteur: "Als man dann merkte, auch in der ARD, da tut sich was, da werden Unterhaltungsprogramme etwas anders dargeboten, da werden andere Filme gezeigt, da werden andere Serien gezeigt, begann sich auch die ARD wie so ein großes Schlachtschiff so langsam zu drehen und zu wenden."
Denn die Privaten sind erwachsen geworden. Ihr Fernsehen ist schneller, greller, auch jünger. Sie sind längst eine ernsthafte Konkurrenz für die ARD. Eine Konkurrenz, die den Ton vorgibt. Das Programm der ARD wird den Privaten plötzlich ähnlicher, tägliche Quizsendungen und Serien.
Stefan Niggemeier, Medienjournalist: "Da macht die ARD, also natürlich Daily Soaps ist so das klassische Beispiel, erst mal alles mit und rennt auch glaub ich oft so den Trends hinterher, was dann so besonders unglücklich ist. Wenn man nicht mal derjenige ist, der was erfindet, sondern der es dann im Zweifelsfall kopiert."
Quote und bekannte Gesichter
Wer keine Quote macht, ist raus. Auch bei der ARD. Die Währung der Privaten ist auch für die Öffentlich-Rechtlichen zum Maßstab geworden, trotz der Gebühreneinnahmen und ihres Programmauftrags. Für viele ein Widerspruch.
Friedrich Küppersbusch, Fernsehproduzent: "Das ist eine fiese Argumentation, denn wenn die ARD Quote macht, sagt man: Naja, das können die Privatsender ja auch, die soll mal nicht so kommerziell sein. Und wenn die ARD keine Quote macht: Was haben die denn wieder für einen Schrott gesendet. Das ist nicht zu gewinnen."
Peter Klöppel, RTL-Chefredakteur: "Jedes Medium muss Quote machen, weil Quote ja nichts anderes bedeutet als Zuspruch der Zuschauer. Wenn ich als Fernsehmacher, als Zeitungsmacher, als Magazinmacher, was auch immer, als Journalist ein Produkt erstelle, das sich keiner anguckt, anhört, liest, dann hab ich was falsch gemacht."
Möglichst nichts falsch machen, häufig mit den Methoden der Privatsender und mit den Köpfen der Privatsender: Die Starmoderatoren der ARD, Reinhold Beckmann und Jörg Pilawa. Beide kommen von SAT.1.
Friedrich Küppersbusch, Fernsehproduzent: "Nüchtern betrachtet hat die ARD in den letzten zehn, 15 Jahren sich vor allen Dingen mit dem Rückkauf abgebrannter Brennstäbe befasst, also Leute, die sie vielleicht selber aufgebaut hat und dann gibt es viele Karrieren, ob das Jürgen von der Lippe oder Hape Kerkeling oder Harald Schmidt ist, die dann in einer gewissen Reife, mal mit einem Beigeruch von Austragsstüberl und mal, um zu großer Form aufzulaufen, dann wieder zur ARD zurückgekehrt sind."
Der letzte Coup der ARD: Der Neue bei "Verstehen Sie Spaß", Guido Cantz. Auch er hat sein Handwerk bei SAT.1 gelernt. Auch Oliver Pocher wurde von ProSieben geholt, nur vorübergehend. Audioausschnitt: Oliver Pocher: „hier ist Harald Schmidt“. Der war schon 2004 von SAT.1 zurückgekehrt.
Harald Schmidt, Entertainer: "Bei mir war es eigentlich eine wunderbare Mischung aus Sentimentalität und diesem naiven Glauben, ich würde hier unfassbar erwartet. Das Geld war auch schön, aber das hatte ich ja bei SAT.1 auch. Das hatte ich ja eigentlich immer."
- Teil 1:
- Teil 2: Weiter auf Seite 2