Urteil zu "Dr. Google": Gericht stoppt Kooperation mit BMG
Der Medienkonzern Hubert Burda Media hat sich vorm Landgericht München erfolgreich gegen eine Kooperation zwischen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Google gewehrt. Kathrin Schmid kommentiert.
Spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie ist wohl jedem klar: Falschinformationen können schnell viral gehen, sind also auch hochgradig infektiös, wenn sie geballt daherkommen.
Die WHO spricht deshalb seit vergangenem Jahr von einer "Infodemie“. Ein anderer Befund lautet: Neun von zehn Nutzerinnen und Nutzern in Deutschland wenden sich zuerst an "Dr. Google", wenn sie im Netz etwas zu Krankheitsbildern, Symptomen und Gesundheitstipps erfahren wollen. Und genau da setzt das Ministerium von Jens Spahn an: "Es ist wichtig, dass man sich auf die Informationen, verlassen kann, die man dort findet." So formuliert es der Minister zum Start der Kooperation der neuen Plattform "gesund.bund.de" mit Google im November 2020. So weit so gut.
Der Übermut des Jens Spahn
Es steckt aber wohl auch eine Portion Übermut eines ehrgeizigen Ministers dahinter: Er nimmt zum Start rund fünf Millionen Euro Steuergeld in die Hand und erteilt einer privaten Digitalagentur den Auftrag, "content" zu erstellen, der direkt auf den Informationen aus dem Ministerium basiert. Ein Pakt mit dem Suchmaschinen-Giganten Google macht es dann möglich, dass diese Inhalte - bei den Tausend gängigsten Suchbegriffen aus dem medizinischen Bereich - immer an erster Stelle stehen. Wohlgemerkt nicht nur vor Links zu offensichtlich irreführenden Angeboten, sondern auch vor allen journalistischen, redaktionellen Angeboten.
Ministerium auf dem Holzweg
Spätestens hier ist das Gesundheitsministerium auf dem Holzweg unterwegs, wenn auch mit ehrenwertem Ziel. Es konterkariert die intensiven Bemühungen allen voran europäischer Politikerinnen und Politiker sowie der Wettbewerbsbehörden, die Marktmacht der amerikanischen Tech-Konzerne in erträglichen Grenzen zuhalten. Die Glaubwürdigkeit der deutschen Bemühungen hierbei, auch Ihre Verhandlungsposition, hat sich nun nicht verbessert.
Politik sollte sich auf Kampf gegen Fake News und Hetze konzentrieren
Dazu kommt: Gerade erst hat die Politik den Medienstaatsvertrag runderneuert und an die digitale Zeit angepasst. Dieser nimmt nun endlich auch die Social-Media-Plattformen und großen Suchmaschinen in die Pflicht. Zum Beispiel dazu, Meinungsvielfalt sicherzustellen. Und er verpflichtet die Plattformen zu einem transparenten und diskriminierungsfreien Vorgehen. Gleichzeitig sollen die großen Plattformen und sozialen Netzwerke - laut dem neuen Regelwerk - den Kampf gegen Hetze und Falschinformation entschiedener führen. Das zu kontrollieren und die eigenen Aufsichtsbehörden besser auszustatten, darauf sollte sich die Politik konzentrieren. Hat sie Erfolg, wird die Chance ohnehin stetig größer, dass Nutzerinnen und Nutzer auch bei Konsultation von "Dr. Google" vor allem auf journalistisch-redaktionell geprüfte Angebote stoßen. Im guten Normalfall seriös recherchiert, ausgewogen und nutzerfreundlich aufbereitet. Ein "nationales Gesundheitsportal" mit zweifelhaften Sonderrechten ist dann erst recht überflüssig.
Dieser Beitrag lief auf NDR Info am 10.02.2021 um 17:20 Uhr.