Sevim Dagdelen: "Warum hat das keine Folgen?"
Über die Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach die türkischen Medien "gleichgeschaltet" sind, hat ZAPP mit der Bundestagsabgeordneten der Linken, Sevim Dağdelen, gesprochen.
ZAPP: Das Auswärtige Amt hat in seinem Lagebericht gesagt, dass die türkischen Medien quasi gleichgeschaltet sind. Wie bewerten Sie das?
Sevim Dağdelen: Der Begriff der Gleichschaltung ist ein historisch geprägter Begriff in Deutschland und wenn die Bundesregierung den Begriff zur Situation der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei benutzt haben sollte, dann ist das zwar eine gute Realitätsbeschreibung. Allerdings wirft es Fragen auf bezüglich der Politik der Bundesregierung in Sachen Türkei.
Ganz besonders im Rahmen des Staatsbesuchs des türkischen Staatspräsidenten fand ich es besonders verwerflich, dass er sich so gut wie möglich zu Hause fühlen sollte und dass bei der Pressekonferenz im Kanzleramt ja für türkische Verhältnisse gesorgt worden ist. Ich finde, das ist ein schlechtes Signal für die Journalistinnnen und Journalisten in der Türkei.
Was meinen Sie, warum ausgerechnet jetzt das Auswärtige Amt so klar diesen Begriff verwendet?
Ich finde diese Klassifizierung, dass die Presse in der Türkei gleichgeschaltet ist, eigentlich überfällig. Wenn man sich mit der Situation in der Türkei beschäftigt, dann weiß man schon lange, dass das die Situation in der Türkei ist. Fraglich ist, warum das keine Folgen hat? Wenn man eine solche Analyse hat, muss man auch die Strategie in der deutschen Türkeipolitik ändern, da sehe ich allerdings schwarz bei der Bundesregierung.
Welche Folgen sollte das denn haben?
Ich finde, es ist ein schlechtes Signal, ein Regime zu stabilisieren, dass die Presse in der Türkei gleichschaltet, die Opposition heftiger denn je verfolgt - und vor allen Dingen auch unsere deutschen Staatsbürger bei der Einreise. Ich halte es für völlig inakzeptabel, ein solches Regime zu stabilisieren, zum Beispiel durch die Erweiterung der Zollunion, durch die weiteren Verhandlungen im Rahmen des EU-Beitrittsprozess oder beispielsweise, was jetzt geplant ist, eine Visa-Liberalisierung. Das allein nützt dem Regime, das dann noch heftiger, noch repressiver nach innen agieren wird. Wenn man die Demokraten, die Journalistinnen und Journalisten, die Opposition in der Türkei stärken möchte, darf man das Regime nicht stabilisieren.