Profitierte Bauer Media Group vom Nazi-Regime?
Er ist einer der größten Verlage der Welt: die Bauer Media Group aus Hamburg. Mehr als 600 Zeitschriften, 100 Radio- und Fernsehsender in 17 Ländern bringen jährlich einen Umsatz von zwei Milliarden Euro. Der Verlag kann auf eine fast 150-jährige Geschichte zurückblicken: vom kleinen mittelständischen Unternehmen zum weltweit agierenden Konzern. Eine stolze Geschichte, auf die der Verlag auch auf seiner Homepage verweist.
Doch in der Unternehmenshistorie klafft zwischen den Jahren 1926 und 1945 eine auffällige Lücke. Die Bauer Media Group hat sich bisher nicht systematisch mit der eigenen Rolle zur Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt. Dabei legen gemeinsame Recherchen von ZAPP und "Der Spiegel" nahe, dass sich der Verlag mit dem Naziregime arrangiert und davon profitiert hat.
"Funk-Wacht": Instrument zur Beeinflussung?
Die für den Bauer Verlag erfolgreichste Zeitschrift zur Zeit des Nationalsozialismus war die Radio-Programmzeitschrift "Funk-Wacht". 1930 hatte sie noch eine Auflage von 40.000 Stück, 1934 verkaufte sich die "Funk-Wacht" auch durch die Übernahme des wichtigsten Konkurrenten bereits 200.000 Mal. Drei Jahre später lag die Auflage dann bei 450.000. Damit zählte die "Funk-Wacht" zu den erfolgreichsten Rundfunkzeitschriften des Landes. Für die Nazis waren Rundfunk-Zeitschriften damals ein wichtiges Instrument zur Lenkung und Beeinflussung der Bevölkerung. Das zeigt auch die Entscheidung der Nazis, schon früh den Tageszeitungen das Recht auf Abdruck des Radioprogramms zu entziehen. So blieb eine Handvoll Zeitschriften übrig, die sie kontrollieren und nutzen konnten. Wer etwas über den Rundfunk und das Programm wissen wollte, war auf die Rundfunkzeitschriften angewiesen. Davon profitierten zweifellos auch Bauer und die "Funk-Wacht".
"Roman, der die Diktatur legitimiert"
Neben dem Radioprogramm fanden sich in der "Funk-Wacht" Artikel über Mode, Rätsel und Informationen zu neuester Radiotechnik. Politik spielte eine untergeordnete Rolle. Umso erstaunlicher, dass in der "Funk-Wacht" bereits im Herbst 1933 ein Fortsetzungsroman erschien, der in Diktion und Gedankengut nationalsozialistisch geprägt ist. Es geht um eine Gruppe sozialdemokratischer Antifaschisten, dargestellt als korrupt und unfähig - ganz gemäß herrschender Ideologie. Am Romanende landen diese in einem Konzentrationslager, in dem einige Mitglieder der Gruppe durch körperliche Arbeit zurück ins wahre nationalsozialistische Leben gebracht werden.
Für den Medien-Historiker Karl Christian Führer wirft diese Veröffentlichung viele Fragen auf, vor allem die nach dem Anlass. "Es hätte kein Hahn danach gekräht, wenn die 'Funk-Wacht' einfach einen weiteren Unterhaltungsroman publiziert hätte. Sie publiziert plötzlich einen Roman, der die Diktatur legitimiert, rechtfertigt und die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten befürwortet."
Jüdische Immobilien erworben
Der Roman beschäftigte nach dem Krieg auch den Hamburger Presseausschuss. Hier versuchte der Bauer Verlag eine neue Lizenz für die "Neue Funkwacht" zu erhalten. Die Lizenz wurde unter Auflagen ausgestellt, der Roman allerdings als Anbiederung an die NSDAP und Diffamierung der demokratischen Parteien beurteilt.
Doch nicht nur das publizistische Wirken des Bauer Verlags wirft Fragen auf. Alfred Bauer, seit 1935 neben seinem Vater Mitinhaber des Verlags, wird 1939 Mitglied der NSDAP. Die genauen Gründe für diesen vergleichsweise späten Eintritt sind unklar. Und er kauft Immobilien, in den Dreißiger Jahren insgesamt acht Stück - darunter auch mindestens zwei Immobilien von jüdischen Eigentümern. Diese erwarb er 1938, zu einer Zeit, in der viele jüdische Eigentümer ihre Immobilien verkaufen mussten, um vor dem Nazi-Terror zu flüchten.
Von den Bedingungen des Nationalsozialismus profitiert?
Für die Historikerin Jessica Erdelmann deutet vieles darauf hin, dass der Bauer Verlag von den Bedingungen des Nationalsozialismus profitiert hat. Die Zeit, in der Alfred Bauer die Immobilien aus jüdischem Besitz erworben hat, sei eine Zeit des "Bereicherungswettlaufs" gewesen. Von einem angemessenen Kaufpreis könne keine Rede sein. Nach dem Krieg hatten zwei ehemalige Eigentümer gegen Bauer geklagt. Die Fälle enden in einem Vergleich: Bauer zahlt.
Das historische Interesse am Verlag scheint bisher bei der Bauer Media Group nicht sehr stark ausgebildet zu sein. Schriftlich teilt man uns mit, man hätte die Recherchen gerne unterstützt, verfüge aber über "keinerlei Dokumentation und Firmenunterlagen mehr aus der Zeit des Nationalsozialismus."
Bauer Media Group: NS-Zeit soll aufgearbeitet werden
Viele große Verlagshäuser haben sich mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus bereits auseinandergesetzt. Der Burda-Verlag hat sich früh damit beschäftigt. Der DuMont Verlag hat nach öffentlichem Druck 2006 einen Historiker beauftragt, die Geschichte aufzuarbeiten. Und beim Bertelsmann Verlag hat mehrere Jahre sogar eine Historikerkommission gearbeitet.
Konfrontiert mit den Recherchen von ZAPP und "Der Spiegel" möchte nun auch die Bauer Media Group nachziehen. "Wir werden noch im Laufe des Jahres 2020 einen Historiker damit beauftragen, die Geschichte und die Vorgeschichte des Bauer Verlags während der Zeit des Nationalsozialismus zu recherchieren und die Ergebnisse mit der Öffentlichkeit teilen." Denn offensichtlich hat der Nationalsozialismus in der Geschichte des Bauer Verlags doch eine weit gewichtigere Rolle gespielt, als es ein Blick auf die Homepage nahelegt.