Grüne Mehrheit? Die ARD und ihre Volos
Für ein Datenprojekt wollten Volontärinnen und Volontäre herausfinden, wie es um ihre Diversität steht. Eine Frage von vielen: "Was würdest du wählen?" Die Mehrheit votierte Grün - seither geht es auf Twitter rund.
Eine Umfrage unter Volontärinnen und Volontären der ARD und des Deutschlandradios hat eine Debatte über die politische Orientierung des Nachwuchses im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgelöst. Vergangene Woche hatten drei Volos der EMS, der Ausbildungsschule des RBB, die Umfrage im Fachmagazin "journalist" veröffentlicht. Das Datenprojekt sollte die Vielfalt in den Ausbildungsprogrammen abbilden, erklärt Daniel Tautz, einer der drei Autoren: "Als Volos beschäftigen wir uns in der täglichen Arbeit viel mit Diversität. Wir fragen uns: Wie sind Firmen-Führungen aufgestellt? Welche GesprächspartnerInnen wählen wir aus? Und da haben wir uns auch gefragt: Wie divers sind wir denn eigentlich selbst aufgestellt?"
Einige Ergebnisse zeigen, dass die Sender mit ihrem Nachwuchs die gesellschaftliche Vielfalt abbilden: 30 Prozent der Befragten haben etwa einen Migrationshintergrund - in etwa so viel wie in der Gesamtbevölkerung. 60 Prozent der Teilnehmenden sind Frauen. Doch in einem Punkt scheinen die Nachwuchsjournalisten ganz und gar nicht der Gesellschaft zu entsprechen: 57 Prozent der Volos würden die Grünen wählen, 23 Prozent die Linke, die CDU würde es nicht mal über die 5-Prozent-Hürde schaffen.
Zahlen mit Vorsicht zu genießen
Die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen: Zunächst sind nicht alle öffentlich-rechtlichen Sender vertreten, denn das ZDF und der Saarländische Rundfunk hatten zum Zeitpunkt der Umfrage keine Volontäre in Ausbildung. Von den 150 Volontären und Volontärinnen, die es während der Umfrage gab, nahmen nur 86 daran teil. Und nur 77 beantworteten die Sonntagsfrage. Dennoch rief die Wahlumfrage vergangene Woche die Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf den Plan: Ein Screenshot von dem entsprechenden Balkendiagramm machte auf Twitter die Runde. "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt schien sich in seinen Vorurteilen bestätigt und kommentierte - offenbar sarkastisch: "überraschung #ard". Die AfD machte daraus gleich einen Skandal:"Krasse Einseitigkeit im Staatsfunk!".
Diskussion um vermeintliche Einseitigkeit
Für Gregor Daschmann von der Uni Mainz, der die politische Einstellung von Journalisten jahrelang untersucht hat, sind diese Ergebnisse allerdings: "Ein alter Hut. Dass die politische Orientierung der Journalisten in Deutschland nicht der politischen Orientierung der Gesamtbevölkerung entspricht - das kennen wir schon seit vierzig Jahren." Dieser Befund gelte für Journalistinnen und Journalisten allgemein, sei aber kein Alleinstellungsmerkmal der Öffentlich-Rechtlichen. Wenig überraschend sind die Zahlen zudem, wenn man bedenkt, dass die Grünen unter jungen, akademisch gebildeten Menschen regelmäßig überdurchschnittlich gut abschneiden. Denn unter den befragten Nachwuchsjournalisten haben 95 Prozent studiert - mehr als fünfmal so viele wie in der Gesamtbevölkerung.
Das liegt sowohl am journalistischen Berufsbild, als auch an den Zugangsvoraussetzungen für die Volontariate. Die meisten Anstalten haben das abgeschlossene Studium für eine Bewerbung lange vorausgesetzt. Inzwischen findet hier offenbar ein Umdenken statt: Von den zwölf öffentlich-rechtlichen Anstalten fordern inzwischen sechs keinen Hochschulabschluss mehr. Sowie der NDR, der sich von dieser Entscheidung mehr Diversität unter den Volontären erhofft: "Abitur oder Fachhochschulreife sind ausreichend", erläutert Diana Dlugosch. "Wir gucken auf das journalistische Talent und auf Vor-Erfahrungen", so die Leiterin der Volontärsausbildung im NDR.
Politische Überzeugung kein Widerspruch zu Objektivität
Der Kommunikationswissenschaftler Daschmann kritisiert die Diskussion um die vermeintliche Einseitigkeit der Nachwuchskräfte. Diese basiere auf der Annahme, "dass ein Journalist mit einer bestimmten politischen Orientierung automatisch nicht objektiv sein kann. Wenn wir professionelle Journalisten ausbilden, und genau das tut ja ein Volontariat, muss es doch möglich sein, dass Journalisten das Gleiche leisten wie z.B. ein Richter. Da schauen wir auch nicht auf die politische Couleur."
Die Volontärin Lynn Kraemer, die an dem Datenprojekt mit gearbeitet hat, wünscht sich mehr konservative Mitstreiter. Sie sieht allerdings keine Möglichkeit, diese gezielt auszuwählen: "Ich halte es nicht für sinnvoll, dass im Auswahlverfahren danach gefragt wird, welche politische Einstellung man hat." Merkmale wie Migrationshintergrund oder Bildung ließen sich abfragen, um Vielfalt in den Jahrgängen zu gewährleisten. "Aber die politische Einstellung kann sich im Laufe des Lebens ja auch ändern." Für Gregor Daschmann wäre das auch ein juristisches Problem: "Das wäre auch arbeitsrechtlich überhaupt nicht möglich. Und es wäre ja auch absurd, da bekämen wir Quotendenken, wie viele linke und rechte Journalisten eingestellt werden müssen. Und dann müssten wir diese Anstellungsverhältnisse permanent verändern, wenn die Gesellschaft sich verändert."