Groß gegen klein: Medienanwalt vs. Redaktion
Wenn es zu Medienprozessen kommt, fällt häufig der Name einer Kölner Kanzlei: "Höcker Rechtsanwälte". Die Mediensozietät verklagt oft Redaktionen im Auftrag von echten und vermeintlichen Medienopfern - und hat den Ruf, dabei besonders aggressiv vorzugehen.
So berichtete das Online-Magazin "Übermedien" bereits vor einiger Zeit, wie die Kanzlei versuche, Journalisten einzuschüchtern. Die "Stiftung Warentest" schrieb auf ihrer Seite über die "fiesen Drohmethoden" der Anwälte. Kanzlei-Chef Ralf Höcker bestätigte in einer Kolumne ("Journalisten-Bedrohung ist okay!") schon im Jahr 2012 die Strategie. Es müsse jeder Journalist selbst entscheiden, "wie er dann mit der Druckbelastung umgeht".
Höcker klagt gegen "Kontext"
Neuerdings taucht Höckers Name oft auf, wenn Rechte gegen Medien vorgehen, etwa gegen mehrere ARD-Anstalten oder den Linksverlag. Und jetzt ist die kleine Redaktion Kontext dran, die dieses Vorgehen als erstes betroffenes Medium in einer Karikatur-Kampagne verbreitet.
Kontext hatte im Mai 2018 einen Artikel ("'Sieg Heil' mit Smiley") veröffentlicht. Darin geht es um die privaten Facebook-Chats von Marcel G., Mitarbeiter zweier AfD-Abgeordneter des baden-württembergischen Landtags. In diesen äußert er sich laut einem Datensatz, der der Redaktion zugespielt wurde, rassistisch ("Nigger, Sandneger, ich hasse sie alle") und rechtfertigt Gewalt ("ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote"). Nach seiner Darstellung sind diese Zitate Fälschungen.
Kanzlei verliert Eilverfahren
Seit anderthalb Jahren geht der Rechtsstreit schon. "Höcker Rechtsanwälte" haben das Eilverfahren in höchster Instanz verloren, und treiben die Sache dennoch weiter, weiten sie jetzt sogar aus - und haben den Streitwert auf 260 000 Euro hochgesetzt.
Kontext stöhnt schon lange unter den Verfahrenskosten und unterstellt "Höcker" ein übles Motiv. Sie sei überzeugt, sagt Chefredakteurin Susanne Stiefel, "dass es einfach die Strategie von 'Höcker' ist, Journalisten einzuschüchtern und ein kleines Projekt wie Kontext, das rein spendenfinanziert ist, kaputt zu machen." "Höcker Rechtsanwälte" wollen dazu gegenüber ZAPP nicht Stellung nehmen, weder im Interview noch schriftlich.
Kontext bittet nun seine Leser in einer großen Kampagne in den eigenen Medien um Spenden, damit die Redaktion den Artikel über Marcel G.s Chats verteidigen kann, der aus ihrer Sicht nicht nur stimmt - sondern auch in die Öffentlichkeit gehört.
Öffentliches Interesse an der Recherche
Die Kontext-Recherche über Marcel G. griffen tatsächlich viele Zeitungen auf. Zuvor hatten Journalisten bereits berichtet, dass AfD-Abgeordnete in vielen Parlamenten Rechtsextreme und Verfassungsfeinde beschäftigten. Kontext hatte dann enthüllt, dass auch Marcel G. ein solcher radikaler Mitarbeiter sei.
Den AfD-Experten des SWR, Markus Pfalzgraf, irritierte diese Information nicht: "Es ist ja bekannt, dass es Abgeordnete in der AfD-Fraktion gibt, die zu rechtsextremen Äußerungen neigen. Und deswegen überrascht es mich auch nicht, dass die entsprechende Mitarbeitende haben." Eine dieser Abgeordneten, die zu radikalen Äußerungen neigt: Marcel G.s Chefin, die AfD-Abgeordnete Christina Baum.
Doch vor Gericht behauptet Marcel G. laut Urteil nun, dass er "fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung" stehe und "derart extremes Gedankengut" ablehne, zumal "die angeblichen Äußerungen" auch nicht zu seiner "Lebensweise" und seinem "Werdegang" passten. Kurz: Die Chats seien manipuliert worden. Beweisen könne er das aber nicht, denn er habe sie bereits alle gelöscht.
Erst in der zweiten Instanz gewinnt die Redaktion das Eilverfahren. Das Oberlandesgericht Karlsruhe habe festgestellt, so Chefredakteurin Stiefel, dass die Öffentlichkeit das Recht habe zu erfahren, "was gesagt wird von Mitarbeitern, von AfD-Abgeordneten". Und es habe gesagt, "die Facebook-Chats sind authentisch". Es habe ihnen "auf ganzer Linie Recht gegeben".
Höcker geht ins Hauptverfahren
Ein Blick ins Urteil allerdings zeigt, dass das Gericht nur gesagt hat, dass es die Chatprotokolle "mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit für authentisch" halte. Und so geht nun alles wieder von vorne los. "Höcker" hat Anfang Dezember Klage für ein Hauptsacheverfahren eingereicht und fordert nun insgesamt 60.000 Euro Schadenersatz - was Kontext nun öffentlich macht. Sie wollten "ein Signal senden", sagt Stiefel: "Wir knicken nicht ein. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir stehen zu dem, was wir geschrieben haben. Wir sind überzeugt, dass es richtig ist. Und deshalb wollen wir das durchfechten."
Seine Leser weiß Kontext dabei fest auf seiner Seite. Sie haben verstanden: Der Kampf gegen rechts kostet. Nicht nur Nerven, sondern auch schlicht und ergreifend viel Geld.