Freie Meinung: Florian Schroeder bei "querdenken"
Angefangen hatte alles eher klein: Am 18. Juli zeigte der NDR um 0.00 Uhr ein "Comedy Spezial" mit Florian Schröder, der im Hamburger Knust ohne Saalpublikum auftrat. Die Sendung wurde auch auf YouTube hochgeladen.
Der Kabarettist macht sich darin zunächst über Verschwörungsmythen lustig: "Es gibt ja zwei große Verschwörungstheorien von diesen Durchgeknallten zu Corona: Corona wurde in einem Labor in China entwickelt, um uns auszulöschen, ist aber nicht mal so gefährlich wie eine ganz normale Grippe. Okay, eigentlich müsste man sagen: entweder - oder. Aber um Logik geht’s ja nicht bei Verschwörungstheorien."
Es folgen Spötteleien über Attila Hildmann und eine Stuttgarter Anti-Corona-Demonstrantin, ehe Schroeder scheinbar einen Moment der Erleuchtung hat: "Heute möchte ich mit euch zusammen den Ausnahmezustand beenden, für uns alle", sagt er mit entrücktem Lächeln: "Ich möchte euch mitnehmen: An den Punkt der absoluten Wahrheit."
Später wechselt Schroeder die Tonlage und schlüpft selbst in die Rolle des Verschwörungsideologen. Dabei überspitzt er, bezeichnet zum Beispiel den Virologen Drosten und Angela Merkel als Diktatoren und zitiert verschiedene Verschwörungsmythen zum Beispiel zu Bill Gates. Auf YouTube erhält das Video viel Zuspruch in den Kommentaren. Später verbreiten sogenannte "Corona-Skeptiker" Ausschnitte aus der einstündigen Show im Netz.
"Aufwachen" auf Facebook
Florian Schroeder steigt darauf ein: "Hallo liebe Gemeinde!", schreibt er auf Facebook. "Nach einer Woche möchte ich Euch einfach mal DANKE sagen, dass Ihr mir beim Aufwachen geholfen habt. Denn: WER EINMAL AUFGEWACHT IST, SCHLÄFT NICHT MEHR EIN‼️‼️" Garniert ist der Text des Satirikers mit zig Emojis: rote Ausrufezeichen, zum Gebet gefaltete Hände und so weiter.
Viele Kommentare unter seinem Facebook-Post sind geradezu euphorisch und ebenso voller Emojis: "Vielen Dank für den Mut, es sollte mehr von ihnen geben !!!", oder "besser zu spät aufwachen als nie ... weiter so". Eine Frau hingegen schreibt: "Lieber Herr Schröder, ich hoffe, Sie werden dann irgendwann die gerufenen Geister auch wieder los, wenn Sie dieses interessante Sozialexperiment beendet haben..."
Einladung der "Querdenker"
Dann laden ihn die Organisatoren von "Querdenken 711" tatsächlich nach Berlin ein. Der Satiriker soll auf ihrer Demonstration, die sich z.B. gegen die Auflage Masken zu tragen zum Schutz vor Corona richtet, auftreten - als "Erwachter". Schröder beschließt die Einladung anzunehmen und macht sich auf nach Berlin. Doch die Polizei löst die Demo wegen Nichteinhaltung der Hygiene-Regeln vorzeitig auf. Schroeders Auftritt kann nicht stattfinden. Die Satire-Redaktion extra 3 vom NDR hat den versuchten Auftritt in Berlin begleitet und die gesamte Reportage online gestellt.
Statt Berlin am 3. August wird am 8. August Stuttgart der Ort für Schroeders Auftritt. Auf der Bühne empfangen von jubelnden Verschwörungsgläubigen. "Mein Name ist Schröder, ich komme aus dem Mainstream" begrüßt er sein Publikum. Er widmet sich zunächst der Dialektik, um sie dann anzuwenden. Je länger sein Vortrag dauert, desto mehr dämmert dem Publikum, dass da kein Gleichgesinnter auf der Bühne steht.
Nach einigen Minuten fragt er lautstark: "Wollt ihr die totale Meinungsfreiheit!" und erntet tatsächlich "Ja"-Rufe. "Sehr gut", sagt Schroeder. Doch was dann kommt, gefällt vielen Anwesenden offenbar nicht: "Dann möchte ich euch mit etwas konfrontieren. Ich bin der Auffassung, dass Corona eine hochgefährliche ansteckende Krankheit ist, und ich bin der Überzeugung, dass Maskentragen und Abstand halten das Wichtigste und Beste ist, was wir in diesen Tagen tun können." Die Demonstranten buhen - auch wenige Minuten später, als Schroeder von der Bühne tritt.
Der lädt seine Aufzeichnung der Rede noch am gleichen Abend auf sozialen Medien hoch - dort wird das Video nach wenigen Tagen bald 700.000 mal geklickt. Florian Schroeder ist ein Coup gelungen. Wie er sich dabei gefühlt hat und was ihn bewogen hat, den direkten Kontakt mit "Querdenken 711" zu suchen, erläutert er im ausführlichen Interview.