Stand: 02.04.2020 16:38 Uhr

"Corona und Journalismus": das Making-of

Autorin Inga Mathwig zur Recherche

"Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aufgrund der aktuell brisanten Lage nicht zur Verfügung stehen." Es ist der dritte regionale Radiosender, den ich angefragt habe. Eigentlich hätten wir auch gerne die Situation der Privatradios gezeigt. Doch Recherche ist in Corona-Zeiten mühsam. Viele Sender und Zeitungen lassen gar keine Externen mehr rein. Andere haben Personal in Quarantäne, keine Zeit für Interviews oder kämpfen gar um ihre Existenz. Privaten Medien bricht die Werbung weg. Einige haben Kurzarbeit angemeldet. Das alles ist kein Sujet, über das Chefs gerne sprechen.

Die Ostfriesenzeitung in der Coronakrise © NDR
Inga Mathwig mit Mundschutz und Kameraschutz vor dem Gebäude der Ostfriesenzeitung.

Umso mehr freue ich mich, als der Chefredakteur der "Ostfriesen-Zeitung" zusagt: Joachim Braun spricht offen über die wirtschaftliche Krise. Klar ist: Wir sind auf diese Offenheit angewiesen. Nur so können wir die schwierige Situation in unserem Themenfeld abbilden. Da geht es uns als Medienmagazin nicht anders als den Medien, über die wir berichten.

Autorin Caroline Schmidt über das Drehen

Caroline Schmidt © Caroline Schmidt
Caroline Schmidt.

Auf Abstand gehen bei Dreharbeiten, das kann extrem sein. Janko Tietz, den "Chef vom Dienst" des digitalen "Spiegel", darf ich etwa nur in seinem Homeoffice filmen, wenn ich es gar nicht betrete. Gar kein Problem, dachte ich. Denn am Telefon klang es so, als ob sein Esszimmer im Parterre liege. Doch als ich in seinem Garten stehe und nach dem Arbeitsplatz suche, wird mir plötzlich klar: Ich habe ihn missverstanden – nicht Parterre, sondern Hochparterre! Die Fenster sind anderthalb Meter über dem Erdboden. Tietz hat eine Leiter aufgestellt. Wie sollte ich so eine ganze Reportage drehen? Nachdem ich beide Perspektiven eine Zeitlang ausprobiert habe, frage ich schließlich Tietz' Frau, ob sie mir helfen könne, indem sie ein paar Einstellungen mit ihrem Smartphone dreht. Sie tut es. Glücklicherweise. Und auch sonst waren unsere Dreharbeiten von Distanz geprägt: Mikrofon-Anstecker übergaben wir in Plastiktüten, zum selbst anstecken. Vorher desinfiziert natürlich. Sicher ist sicher.

Autor Daniel Bouhs über den Schnitt

ZAPP Autor Daniel Bouhs © Christian Spielmann Foto: Christian Spielmann
Daniel Bouhs.

Normalerweise ist Fernsehen eine maximal arbeitsteilige Sache, Multitasking kommt dazu. Beim Schnitt arbeiten wir mit Cutterinnen und Cuttern zusammen, Profis für den Bildschnitt. Während sie aus dem Drehmaterial nach kurzen Absprachen unseren Beitrag schneiden, suchen wir oft noch parallel Archivbilder, schreiben den Begleittext für das Netz oder organisieren schon den nächsten Dreh. Der Apparat ist aber runtergefahren. Wir sollen möglichst von zu Hause arbeiten. Also schneide ich meine beiden Filme für diese Sendung selbst - im Homeoffice. Das geht erstaunlich geschmeidig. Einerseits: Gut zu wissen, was alles geht. Einiges davon wird sicher auch bleiben - vielleicht nicht als Standard, aber für Zwischendurch, als neue Option. Andererseits: Das Beratschlagen mit den Kolleginnen und Kollegen, die mit frischem Blick rangehen und eigene Idee einbringen, fehlt. Im Team ist man einfach noch mal stärker.

Constantin Schreiber über die Moderation ohne Studio

Das Neue beginnt schon vor der Aufzeichnung in der Maske. Die Kollegin trägt Mundschutz und Einweghandschuhe. Die Schmink-Utensilien hat sie ausgebreitet. Ob ich mich vielleicht selber schminken möchte? In unseren Studios sind normalerweise viele Leute um mich herum - einzige Ausnahme: Nachrichten. Diese ZAPP Sendung ist anders. Wir sind nur zu dritt. Unser Mediengestalter Jonas Jung führt die Kamera. Außerdem haben wir in einem Tonstudio produziert - eine spontane Alternative zum Studio. Eine seltsame Atmosphäre, wie überhaupt seit Wochen eine besondere Ernsthaftigkeit auf unserer Arbeit lastet, denn auch uns allen ist klar, in welcher Ausnahmesituation wir uns gerade befinden. Und eben diese Ausnahmesituation im Journalismus wollen wir mit unserem ZAPP Spezial abbilden und erklären.

Jonas Jung über Schnitt und Moderationsaufzeichnung:

Als Mediengestalter der Zapp-Redaktion springe ich besonders dann ein, wenn sich etwas spontan ergibt, kleine Teams praktischer sind oder einfach nur technischer beziehungsweise gestalterischer Rat gefragt ist. Alles Dinge, die zu Corona-Zeiten eine noch größere Rolle spielen. Ich habe ein Tonstudio in ein ZAPP-Studio verwandelt, damit wir zu dritt im großen Raum mit viel Abstand die Moderationen zur Spezial-Sendung aufnehmen konnten. Mithilfe eines Sideboards als Arbeitsplatz habe ich unseren Redaktionsschnittplatz Coronasicher umgerüstet. Keine Frage meine Arbeit ist gerade, wie auch bei den Protagonisten unserer Filmreihe, ganz anders. Ich finde es wichtig, dass wir genau darüber berichten, um durch diese Transparenz Verständnis für Medienschaffende zu erreichen.

Produktion der ZAPP Sendung in einem Tonstudio während der Corona-Epidemie. © NDR
Constantin Schreiber (li.) und Jonas Jung im Tonstudio.

Gudrun Kirfel über Regie und Moderation

Mein Auftrag für das Zapp-Spezial: Die Moderationen aufzuzeichnen. Nur wo? Wir haben derzeit kein Studio zur Verfügung. Sollen wir den Moderator draußen vor unser Haus stellen? Oder in die Redaktion setzen? Wir sind zu dritt: Der Moderator, unser Mediengestalter Jonas Jung, der Kamera und Ton gleichzeitig bedient und ich als Realisatorin. Wir weichen in ein großes Synchronstudio aus. Constantin Schreiber muss alle Moderationen frei erzählen, weil uns kein Teleprompter zur Verfügung steht. Das funktioniert gut. Ich gehe dann in den Schneideraum, um aus dem Material und den Filmen das ZAPP Spezial zusammenzufügen. Hier im Schneideraum sitze ich getrennt mit einem sogenannten Spuckschutz aus Plexiglas vom Cutter. Doch daran haben wir uns lange gewöhnt.

Andrej Reisin zu den Onlinekanälen

Seit der NDR nicht mehr auf allen Sendeplätzen regulär sendet, hat die Bedeutung der Online-Ausspielung enorm zugenommen. Das merkt man an allen Ecken und Enden, wenn es auf einmal heißt: "Das spielen wir nur online aus." Oder: "Das können wir sofort online stellen." Die Grenzen zwischen "im Fernsehen senden" und "im Netz senden" verschwimmen zusehends - und zwar mit deutlich höherer Geschwindigkeit als noch vor wenigen Monaten. Auch den Letzten wird nun bewusst, dass das Publikum da erreicht werden muss, wo es bereit ist zuzuschauen.

Redaktionsleiterin Annette Leiterer zur Koordination

Annette Leiterer, Redaktionsleiterin vom Medienmagazin ZAPP, schaut lächelnd in einen Spiegel, in dem sich ihr Porträtfotograf spiegelt. In einem weiteren Spiegel ist sie selbst zu sehen. Sie hat strahlend blaue Augen, eine blonde, lockige Bobfrisur und trägt eine blaue Jacke mit Reißverschluss. Auf dem Foto ist nur ihr Oberkörper zu sehen. © NDR Foto: Christian Spielmann
Annette Leiterer.

Die große Herausforderung für mich liegt in der neuen Kommunikation. Ich muss selbst noch besser sammeln und sortieren, welche Information für wen wann wichtig ist, damit ich diese gebündelt oder per Mail klar übermitteln kann. Hier bin ich technisch gefordert, mit Videokonferenzen und Telefonschalten umzugehen. In solchen Konferenzen muss ich noch mehr als sonst in eine Doppelrolle gehen: Moderieren und Entscheidungen treffen. Ich versuche zu erklären, in welcher Rolle ich was sage. Das ist auch in normalen Konferenzen der Fall, aber wer wann spricht funktioniert mit Blicken im räumlichen Miteinander ganz anders. Genauso erreichen mich Detailinformation gestückelt. Es sind mehr Phasen des Sortierens notwendig und es besteht permanent die Gefahr, dass die organisatorischen Dinge die wichtigen Inhaltlichen überlagern. Für das ZAPP Spezial hat das am Ende aber sehr gut funktioniert durch die Disziplin des ganzen Teams.

 

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 01.04.2020 | 23:35 Uhr

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