Brasilien: Bolsonaro verfolgt Glenn Greenwald
Es ist ein umständlicher Weg, mitten durch Rio de Janeiro, wenn man den Journalisten Glenn Greenwald treffen will. Es geht nur über Mittelsmänner. Wo er genau wohnt, dürfen wir nicht filmen. Kameras und Bodyguards - Sicherheit hat oberste Priorität. Weil der US-Amerikaner Glenn Greenwald wegen seiner Veröffentlichungen in Brasilien derzeit im Kreuzfeuer der Kritik steht.
"Wir erhalten Todesdrohungen und verlassen das Haus nie ohne Bodyguards. Wir haben alle Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Auch die Regierung und der Präsident drohen mit rechtlichen Schritten. Wir erleben auch politisch-motivierte Gewalt. Die ist üblich in Brasilien - und auch jetzt für mich seit meinen Enthüllungen."
Wurde Lula da Silva zu Unrecht verurteilt?
Greenwalds Webseite "The Intercept" hatte private Kurznachrichten veröffentlicht. Der Verfasser, Sergio Moro, ist ein berühmter Anti-Korruptionsrichter. Die Kurznachrichten legen nahe, dass Moro seine Kompetenzen als Richter überschritten hat. Er soll Staatsanwälte beeinflusst haben und mit fragwürdigen Mitteln Druck gemacht haben, damit Ex-Präsident Lula da Silva rechtzeitig vor den Wahlen vergangenen Oktober hinter Gitter kommt. Damals hatte der linke Lula die Umfragen klar angeführt, durfte aber wegen Moros Verurteilung nicht bei der Wahl antreten.
Diese gewann schließlich der rechtsextreme Jair Bolsonaro. Ein Anhänger der Militärdiktatur, der just den Richter Sergio Moro zu seinem Justizminister machte. Und jetzt dem Journalisten Glenn Greenwald offen droht - obwohl der gegen kein Gesetz verstoßen hat.
Hass und Drohungen gegen Greenwald
Auch homphobe Hetze gegen den schwulen Greenwald gehört zum Programm: "Warum ist er verheiratet mit einem anderen Mann und hat Kinder adoptiert?", fragt Präsident Bolsonaro. "Ein Halunke, der deswegen nun nicht ausgewiesen werden kann, weil er mit einem anderen Halunken verheiratet ist. Das ist Problem. Aber vielleicht landet er ja im Knast hier in Brasilien."
Auf Twitter dient diese Drohung offenbar als Steilvorlage für Bolsonaro-Anhänger. Einer twittert ein Foto von Bolsonaro mit Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman. In einer Sprechblase sagt dieser: "Schick mir den Glenn in die saudische Botschaft." - ein Anspielung auf den im saudischen Konsulat in Istanbul ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi.
Andere schrieben: "Ein unethisches Homo-Paar, das Kinder missbraucht." "Terrorist. Wir wollen dich aus Brasilien rausschmeißen. Dreckschwein." "Geh zurück in dein Land, Scheiß-Gringo." Dazu kommen echte Fake-News wie Greenwald habe früher Pornos gedreht.
Grundrechte in Brasilien bedroht
"Es ist klar geworden, dass Bolsonaro nicht an die Demokratie glaubt und auch nicht an politische Freiheiten für seine Gegner", glaubt Greenwald. "Als wir die Kurznachrichten veröffentlicht hatten, war uns bewusst, dass dies der erste Test dafür sein würde, ob in Brasilien grundlegende Rechte weiter gewährleistet sind - vor allem die Pressefreiheit. Bolsonaro kann mich und meine Familie weiter bedrohen und beschimpfen. Aber es wird nicht verhindern, dass wir weiter Berichte veröffentlichen werden."
Sorge um Greenwalds Sicherheit
Markus Beckedahl veröffentlichte 2015 sensible Dokumente - in Deutschland wurde gegen ihn wegen Landesverrat ermittelt. Doch schlussendlich bekam Beckedahl Recht. Der General-Bundesanwalt wurde entlassen. Beckedahl ist nun auf Einladung des deutschen Staates zu Gast in Brasilien. Es geht auch um den Fall Glenn Greenwald: "Es wäre schon sehr ungewöhnlich gewesen, wenn wir für unsere investigative Arbeit ins Gefängnis gekommen wären. In Brasilien gibt es nicht ganz so viel Rechtsstaatlichkeit, vor allen Dingen befürchte ich, muss Glenn Greenwald auch für seine persönliche Sicherheit sorgen, weil in Brasilien öfters Angelegenheiten auf illegale Weise, auf kriminelle Weise geregelt werden."
Kämpfen für die Demokratie
Greenwald selbst sorgt sich nicht nur um seine persönliche Unversehrtheit. Sondern auch um die Pressefreiheit in seiner Wahlheimat. "Es kann sein, das Bolsonaro Erfolg haben wird und Brasilien in einen autoritären Staat verwandelt. Es kann aber auch sein, dass das Gegenteil passiert. Dass die brasilianische Demokratie gestärkt hervor geht, weil das Menschen ermutigt, zu kämpfen."
Bislang sind es vor allem Journalisten, die für Glenn Greenwald kämpfen. Und für dessen brasilianischen Mann, einen Linkspolitiker, sowie die gemeinsam adoptierten Kinder. So wird Greenwald wohl auch weiterhin teure Sicherheitskräfte engagieren müssen - und teure Anwälte. Es ist Teil seines Lebens geworden - als investigativer Journalist in Brasilien im Jahr 2019.