Bautzen: ein Unternehmer und seine "alternativen Medien"
Bautzen ist eine kleine Stadt im östlichen Sachsen mit 40.000 Einwohnern. Die Wirtschaft floriert, die Arbeitslosigkeit sinkt seit Jahren - doch hinter den schmucken Fassaden herrscht Verunsicherung und Streit. Die Menschen hier beschäftigen große Fragen. Es geht um Macht, Medien und den richtigen Umgang mit extremen Positionen. Im Mittelpunkt der Debatte: Jörg Drews, ein Bauunternehmer, der in ganz Deutschland Brücken baut und in Bautzen alternative Medien mitfinanziert.
Besonders sein Portal Denkste-mit.de sticht hervor. Die Internetseite (Motto: "Nur gemeinsam sind wir stark") präsentiert diverse Verschwörungstheorien, nach denen europäische Medien Propaganda verbreiten, Multimilliardäre die Welt steuern und Parteien - wie in der DDR - Demokratie nur vortäuschen. Aus Drews Sicht bildet "Denkste" damit "einen nötigen Gegenpol" zu den klassischen Medien. Aus Sicht anderer spaltet sein "Korrektiv" die Stadt.
Kritik an finanziellem Engagement
Wie sehr, konnte man erstmals Ende Juli sehen. Da wurde bekannt, dass Drews ein weiteres Bautzener Prestigeobjekt sponsern will. Seine Firma Hentschke Bau ist einer der größten Arbeitgeber der Region mit 700 Mitarbeitern. Sein Geld steckt in vielen Liegenschaften überall in der Stadt. Er finanziert schon seit Jahren den Fußballclub "FSV Budissa Bautzen", nun wollte er auch noch die Schulsternwarte mit einem Zuschuss von 25.000 Euro pro Jahr unterstützen. Das wurde einigen zu viel.
In der Lokalausgabe der "Sächsischen Zeitung" kritisierten zwei Stadträte Drews großen Einfluss. Sie sagten, sie vermuteten hinter seinem Engagement "Kalkül": Drews wolle sich "Sympathien erkaufen". Das sei problematisch, weil der Financier von "Denkste" doch offenbar den "Reichsbürgern" nahe stehe.
Meinungsfreiheit - aber für wen?
Drews ließ den Vorwurf nicht auf sich sitzen. Internetportalen, die ihm zugetan sind, sagte er, dass er kein Reichsbürger sei, sondern nur "besorgt" um diese Demokratie. Er engagiere sich seit jeher für diese Stadt, wolle sich keinen Einfluss kaufen. Andere Unternehmer sprangen ihm bei: Die Kritik an Drews Person sei ein Angriff auf die Meinungsfreiheit, denn mit dieser Kritik wollten die Kritiker andere Meinungen unterdrücken. Die Gegenseite konterte, Meinungsfreiheit sei auch die Freiheit, andere zu kritisieren - und so ging es eine Weile hin und her.
Man sprach viel übereinander, aber nicht mehr miteinander. Und so stießen auch wir auf Misstrauen, als wir erstmals um Interviews baten. Es bedurfte einiger Erklärungen und Gespräche, bis sich endlich alle Seiten auf unsere Fragen einließen. Drews wollte das Interview zunächst komplett ins Netz stellen, ließ sich aber darauf ein, dass ZAPP große Teile des Gesprächs veröffentlicht.
Abgestempelt "als Nazi"?
Wir treffen ihn in seiner Firma. Er wirkt nach all dem Streit wütend, verletzt, gekränkt. In den sozialen Netzwerken würden sie ihn inzwischen "als Rechten, als Rechtspopulist, als Nazi" oder "besorgte Kartoffel" bezeichnen. Dabei sei er nicht gegen das aktuelle System, auch wenn er in einem Internetvideo Anfang September Bürgern zum Widerstand geraten habe, sobald sie die Demokratie bedroht sähen.
"Er will einen anderen Staat"
In einem Café treffen wir Drews Kritiker: Den grünen Stadtrat Claus Gruhl und die bekannte Bloggerin Annalena Schmidt. Sie wählen heute vorsichtig ihre Worte, aber in der Sache äußern sie sich weiterhin klar: Drews bezeichne sich "ja selber als Fan der Vor- Merkel-CDU", sagt Gruhl. Aber wenn man ihm genau zuhöre, "dann kommt man aber doch zu dem Schluss, dass er eigentlich mehr will als eine Vor-Merkel-CDU. Er will einen anderen Staat."
Keine Debatte - aber Verschwörungstheorien
Eine Beobachtung, die viele im Stadtrat irritieren sollte. Doch die anderen Politiker gehen öffentlich nicht auf Gruhls Thesen ein. Einige verurteilen seine Kritik an der Person des Unternehmers sogar als "Verunglimpfung". Das verschlimmere das Problem, findet Annalena Schmidt. "Das Bedrohlichste an der Situation ist, dass die Debatte eben nicht geführt wird", sagt sie. Das wirke so, als ob Drews und seine Medien keine Verschwörungstheorien verbreiteten - "und dadurch strömen noch mehr Menschen dorthin".
Über 20.000 Klicks erreichen manche seiner Videos inzwischen. Und wenn wir Menschen auf den Straßen fragen, erwidern nicht wenige, dass sie die Informationen "interessant" fänden. Drews engagiere sich eben für Bautzen. Seine Kritiker wollten ihn doch nur "herunterputzen", weil er die Wahrheit über das Land sage. Für viele in Bautzen ist Drews ein Aufklärer, ein Held - und seine Kritiker das Feindbild.
Oberbürgermeister will Streitgespräch
Wir gehen zum Rathaus. Auch der SPD-Oberbürgermeister Alexander Ahrens hat bislang öffentliche Kritik an Großinvestor Drews vermieden. Die vergangenen Wochen haben ihn aber nachdenklich gemacht. Es sei jetzt wichtig, sagt Ahrens, "gerade auch diese Positionen, die ich mal als krude bezeichnen würde, zu widerlegen". Er wolle jetzt mit Drews öffentlich streiten. Er suche nur noch nach einem geeigneten Format.
Drews sagt uns am Ende des Interviews, auch er wolle jetzt streiten, "um einen Konsens zu finden". Er wirkt in diesem Moment kampfeslustig, aber auch ein bisschen hilflos. Die Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen haben Bautzen so tief gespalten, dass keiner hier mehr so recht weiß, wie man wieder zusammenfinden soll.