"Pubs sind Verlängerungen des Wohnzimmers"
Die gebürtige Rheinländerin zog es schon früh in den Norden. Nach ihrem Volontariat beim NDR arbeitete Hanni Hüsch als Reporterin für die Tagesschau und war unter anderem an der Entwicklung des Vorabendmagazins DAS! beteiligt. Danach folgten ihre ersten Jahre als Auslandskorrespondentin der ARD für Großbritannien und Irland. Diese Zeit war geprägt von ihrer Leidenschaft für Nordirland: "Der Konflikt hat mich fasziniert, aber auch immer wieder wütend gemacht und bisweilen katholisch", so Hüsch. Nach Stationen als politische Korrespondentin im Hauptstadtstudio Berlin und der Leitung der Abteilung Wirtschaft und Ratgeber im NDR, siedelte sie 2008 nach Amerika und übernahm die Leitung des ARD Studios in Washington. Zurück in Hamburg leitete sie beim NDR die Abteilung Ausland und Aktuelles. Ihre Liebe zum Empire führte sie aber wieder zurück nach London. Dort leitet sie seit Januar 2015 das ARD Studio.
Auf Twitter können Sie Hanni Hüsch folgen unter: @HueschH.
Frau Hüsch, was hat Sie bis jetzt in Ihrer Korrespondenten-Wahlheimat am meisten beeindruckt?
Hanni Hüsch: Da ich das Leid meiner ersten Entsendung nach London noch erinnere: tropfende Wasserhähne, zugige Fenster und Heizungen, die einen frösteln lassen, bin ich sehr angenehm überrascht, dass ich es 20 Jahre später zu Hause schön warm habe und der Strahl der Dusche sogar die Seife abspült. Mich beeindruckt, mit welcher Liebe der Engländer seinen Vierbeiner liebt. Meine Nachbarn scheinen Bulldoggen sehr zu schätzen. Bedauerlich, dass die Zukunft der Corgies, der Lieblingshunde der Queen, nicht gesichert ist. Apropos Queen: Mich beeindruckt die Queen - mit fast 90 Jahren noch so gut auf den Beinen und unermüdlich im Einsatz für Volk und Vaterland. Das macht Mut.
Was hat Sie am meisten schockiert?
Hüsch: Die gewaltigen sozialen Unterschiede in Großbritannien empfinde ich als unwürdig für ein Land, das so viel auf sein Wirtschaftswachstum gibt. Die Zahl der Milliardäre hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt, die Zahl der "Foodbanks", also der Stellen, wo die Armen Lebensmittel bekommen können, um satt zu werden, hat sich im gleichen Zeitraum verzehntfacht. Da stimmt doch was nicht.
Welche Geschichte wollen Sie unbedingt in Ihrer Zeit als Korrespondentin erzählen?
Hüsch: Ich freue mich auch auf die Reisen nach Irland und vor allem in den Norden der Insel. Gerne würde ich zwei Protagonisten wiedertreffen, die wir vor 20 Jahren schon einmal porträtiert haben. Zwei nicht ganz so liebe Jungs aus Belfast, die in den Wirren und Zwängen der "troubles" aufwuchsen und sich Nacht für Nacht an der Grenze zwischen dem katholischen (pro-irischen) und dem protestantischen (pro-britischen) Ortsteilen befehdeten. Was ist aus den Jungs geworden, die mit so viel Hass im Herzen aufwuchsen? Konnten sie die Gräben überwinden?
Was ist die größte Herausforderung für die Zusammenarbeit mit den Redaktionen in Deutschland?
Hüsch: Die Kollegen auch mal davon zu überzeugen, dass auch eine "good news" was Gutes ist.
Was haben Sie bei jeder Drehreise dabei?
Hüsch: Möglichst gute Laune. Und ne tolle Crew.
Mussten Sie aus Höflichkeit bei einer Drehreise schon mal Merkwürdiges essen oder trinken?
Hüsch: Manch einer mag ja Zimmer-warmes Bier ohne Schaum merkwürdig finden, auch wenn ich ein ordentliches Kölsch vorziehe - ich kann mich an Ales gewöhnen. Britische Pubs sind wunderbar, die Verlängerung des Wohnzimmers. Wir gehen immer mal wieder mit den Kollegen in unserem "Local", dem "Northumberland Arms" ein Feierabend-Bierchen zischen. Gut fürs Seelenleben unseres Studios. Bullen-Hoden, Schweine-Darm, Aligatoren-Wurst - Spezialitäten aus der US-Küche und meiner Korrespondenten-Zeit in Washington - habe ich hier noch nicht serviert bekommen. Mal sehen , ob das zu toppen ist ...
Welcher ist Ihr Lieblingsplatz in London?
Hüsch: Städte an Flüssen haben etwas besonderes. Sie sind konstant in Bewegung. Einer meiner Lieblingsplätze ist deshalb die Memorial Bridge, die die Themse überquert. Von hier habe ich einen tollen Blick auf die St. Pauls Cathedral und die Towerbridge, aber auch auf das neue London. Gurke, Käse-Hobel, Walkie-Talkie - die Londoner haben den neuen Wolkenkratzern wunderbare Namen gegeben. Hier zeigt sich, wie sich London neu erfindet, wie Altes und Neues ineinander fließen. Meine Wahl-Heimat, der Stadteil Islington ist bekannt für seine wunderbaren Plätze, der Lonsdale Square etwa - ein perfektes Ensemble mit einem Rosengarten mittendrin. Da begegne ich manchmal abends einem Fuchs - mitten in der Stadt!
Wie sieht für Sie ein perfekter Sonntag aus?
Hüsch: Raus zum Blumenmarkt in die Columbia Road, Arm voller Blumen kaufen, auf dem Rückweg die Sonntagszeitungen abgreifen und mit der Klappliege in den Square. Lesen und Leute beobachten. Die Sonne scheint übrigens häufiger als gedacht. Und am späten Nachmittag: ein Ale im "Albion", meinem Lieblings-Islington-Pub.
Was vermissen Sie am meisten aus Ihrer Heimat?
Hüsch: Seit es genau gegenüber von unserem Studio einen deutschen Bäcker gibt und zwei Straßen weiter "Herman the German" Currywurst mit Pommes anbietet - eigentlich nichts mehr. Außer natürlich viele liebe Menschen, aber die kommen eh alle zu Besuch.