"Indien ist ein einziger Superlativ"
Seit Januar 2012 ist Gábor Halász Südasien-Korrespondent der ARD. Sein Büro ist Neu-Delhi. Es liegt im belebten Stadtteil South Extension. Das Berichtsgebiet der Korrespondenten erstreckt sich von Indien über Pakistan, Afghanistan, Nepal, Bangladesch, Bhutan, Sri Lanka bis zu den Malediven. Krieg, Scharia, Taliban und Terror - daran denken viele Menschen, wenn sie an Südasien denken. Doch diese Region ist auch ganz anders: friedlich und bunt. "Es gibt keine klaren Bilder und keine klaren Antworten", sagt Halász. "Auch als Korrespondent reibe ich mir immer wieder verwundert die Augen."
Auf Twitter können Sie Gábor Halász folgen unter: @gaborhalasz1.
Was hat Sie bis jetzt in Ihrer Korrespondenten-Wahlheimat am meisten beeindruckt?
Gábor Halász: Schwere Frage. Ich mag keine Superlative. Und wenn schon, dann ist Indien ein einziger Superlativ. Extrem laut, extrem bunt, extrem anstrengend und immer wieder neu. Was mich beeindruckt ist, wie gelassen, die Menschen das alles ertragen. Wenn etwas nicht funktioniert, lachen sie und nehmen uns gestressten Europäern schnell den Wind aus den Segeln. Ich arbeite an mir, genauso gelassen zu werden. Manchmal gelingt es, aber immer wieder scheitere ich auch.
Und in Afghanistan: Wie die Menschen mit dem Terror leben und trotzdem an ihr Land glauben. Gerade die jungen Leute, die träumen und nicht aufgeben.
Was hat Sie am meisten schockiert?
Halász: Wenn Krieg und Terror persönlich werden. Ich kannte Menschen, die bei Terroranschlägen getötet oder verletzt worden sind. Ich kenne Orte, wo Bomben explodierten. Das geht mir nah und ich begreife, was so ein Leben für Afghanen und Pakistaner bedeutet. Die können nicht abreisen wie wir. Die wissen oft nicht, ob sie am Abend wieder wohlbehalten nach Hause zurückkehren.
Auch Indien schockiert mich immer wieder. Wenn ich sehe, wie das Land seine Frauen behandelt. Wenn ich mit Menschen spreche, die von der Polizei gefoltert wurden. Und dann bin ich aber immer wieder auch froh, wenn ich sehe, dass es viele mutiger Inderinnen und Inder gibt, die sich dagegen wehren.
Welche Geschichte wollen Sie unbedingt in Ihrer Zeit als Korrespondent erzählen?
Halász: Viele. Sie haben immer mit mutigen Menschen zu tun.
Was ist die größte Herausforderung für die Zusammenarbeit mit den Redaktionen in Deutschland?
Halász: Zu erklären, dass nicht jedes Klischee stimmt. Wer sagt, nichts sei gut in Afghanistan, hat Unrecht. Genauso falsch wäre es zu behaupten, im Land sei alles wunderbar. Indien ist nicht nur das Land von Yoga und Elefanten, genauso wenig ein Land der Vergewaltiger. In Bhutan sind nicht alle glücklich, es wird auch geweint. Erwartet werden oft Schwarz-Weiß-Geschichten. Es bräuchte mehr Grautöne, das wird nicht immer verstanden. Und ich finde generell, dass deutsche Medien sehr stark nach Europa und in die USA schauen. Manchmal sieht die Welt aus Asien ganz anders aus.
Was haben Sie bei jeder Drehreise dabei?
Halász: Medizin - gegen Fieber, Durchfall und alles, was unterwegs drohen könnte. Bargeld, denn Automaten gibt es meistens nicht. Passbilder, für die Bürokraten unterwegs. Und eine Menge Telefone, für jedes Land gibt es eine neue SIM-Karte.
Was war bisher die größte Panne, die Ihnen widerfahren ist?
Halász: Ich habe mich in einem Beitrag für die Tagesschau versprochen. Aus der schlagkräftigen afghanischen Armee wurde die schlagfertige Armee. Also lustige statt kampfbereite Soldaten. Wäre vielleicht mal eine Idee.
Mussten Sie aus Höflichkeit bei einer Drehreise schon mal Merkwürdiges essen oder trinken?
Halász: Oft müssen wir mit den Fingern essen, das mach ich ganz gern. Da ich kein Fleisch esse, brauche ich immer eine gute Ausrede in Afghanistan. Das klappt dann auch. Meistens werde ich dann sogar ausgefragt. Ein afghanischer Freund hat sich mittlerweile sogar entschieden, auch vegetarisch zu leben.
Was ist Ihr Lieblingsplatz in der Stadt, in der das Studio liegt?
Halász: Der Lodhi Garden. Ein wunderschöner Park mit alten Tempeln, tollen Bäumen. Nur 500 Meter von meiner Wohnung entfernt.
Wie sieht für Sie ein perfekter Sonntag aus?
Halász: Joggen im Lodhi Garden, Ruhe und Sonne auf der Terrasse, Musik und Lesen. Gern auch mal ein Buch, das nichts mit Südasien zu tun hat.
Was vermissen Sie am meisten aus Ihrer Heimat?
Halász: Gute Luft. Öffentlichen Nahverkehr, der funktioniert und Sauerkraut.