Verräterkinder

Die Töchter und Söhne des Widerstands

Samstag, 20. Juli 2024, 12:00 bis 12:45 Uhr

Die Männer des 20. Juli 1944 gelten heute als Helden: Sie haben ihr Leben im Widerstand gegen Hitler geopfert. Für ihre Kinder ist der gewaltsame Tod der Väter eine Katastrophe, an deren Folgen sie bis in die Gegenwart zu tragen haben.

Axel Smend, Sohn von Günther Smend, der auf Aufforderung von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, dem Hauptorganisator der Widerstandsgruppe des 20. Juli, versuchte, als Adjutant Generaloberst Kurt Zeitzler für die Verschwörung zu gewinnen. © NDR/HR/Kick-Film/Jörg Bundschuh
Axel Smend, Sohn von Günther Smend.

Christian Weisenborn zeigt erschütternde Begegnungen mit Kindern von Widerstandskämpfern des 20. Juli 1944, dem Tag des Attentats auf Adolf Hitler, wie Axel Smend, dem Sohn des Generalstabsoffiziers Günther Smend. Er wurde 1944 hingerichtet.

Der Freundeskreis "Rote Kapelle"

Die eigenen Eltern von Christian Weisenborn waren Mitglieder eines großen Freundeskreises von Antifaschisten, den die Gestapo "Rote Kapelle" nannte. Es waren Künstler, Arbeiter, Kommunisten, Adlige, Ärzte und Offiziere, Männer und Frauen. Sie verbreiteten schon 1942 Flugblätter, die vom Völkermord an den europäischen Juden berichteten, und sie versuchten, Kontakt zu Sowjets und Amerikanern aufzunehmen.

Saskia von Brockdorff, deren Mutter wegen ihrer Mitgliedschaft in der „Roten Kapelle“ 1943 in Berlin-Plötzensee enthauptet wurde. © NDR/HR/Kick-Film/Jörg Bundschuh
Saskia von Brockdorff, deren Mutter wegen ihrer Mitgliedschaft in der „Roten Kapelle“ 1943 in Berlin-Plötzensee enthauptet wurde.

Weisenborns Eltern überlebten, aber 52 ihrer Freunde wurden 1942/1943 in Plötzensee als "Verräter" hingerichtet. Darunter Erika von Brockdorff. Sie war 32 Jahre alt, als sie unter dem Fallbeil starb, und hinterließ eine sechsjährige Tochter. Saskia von Brockdorff quälte sich jahrzehntelang mit der Frage, warum die Mutter sich in eine solche Gefahr begeben hatte. Erst 60 Jahre später, als auch die "Rote Kapelle" einen Platz in der Gedenkstätte des Widerstands bekam, erreichte sie der Abschiedsbrief, den ihr die Mutter 1943 schrieb.

Im Westen geehrt, im Osten gebrandmarkt

Alfred von Hofacker, Sohn des Widerstandskämpfers Caesar von Hofacker, der den Widerstand des 20. Juli von Paris aus unterstützte. © NDR/HR/Kick-Film/Jörg Bundschuh
Alfred von Hofacker, Sohn des Widerstandskämpfers Caesar von Hofacker.

Von der Trauer um die toten Mütter und Väter erzählen auch Alfred von Hofacker und Hans Coppi, und von den Fragen und widerstreitender Gefühle, einen Zugang zu ihren hingerichteten Vätern oder Müttern zu finden. Diese Prozesse vollzogen sich jahrzehntelang vor dem Hintergrund des Kalten Krieges.

Hans Coppi junior: seine Eltern Hans und Hilde Coppi, die beide in der „Roten Kapelle“ aktiv gewesen waren, wurden hingerichtet. © NDR/HR/Kick-Film/Jörg Bundschuh
Hans Coppi junior: seine Eltern Hans und Hilde Coppi, die beide in der „Roten Kapelle“ aktiv gewesen waren, wurden hingerichtet.

Die "Verräterkinder" mussten erdulden, wie politische Interessen in Ost und West zur Verleumdung ihrer Eltern führte. Widerstandskämpfer wurden vereinnahmt, ausgestoßen oder passend gemacht. 1954 ehrte Bundespräsident Theodor Heuss zum ersten Mal die Männer des 20. Juli 1944. In der DDR wurden sie zu diesem Zeitpunkt als Reaktionäre gebrandmarkt, denen es vor allem um den Machterhalt für Adel, Großgrundbesitz und Militär gegangen sei.

Die "Rote Kapelle" wird rehabilitiert

Erst in den 1970er-Jahren begann eine vorsichtige Umorientierung. Die "Rote Kapelle", in der DDR anfangs verschwiegen, wurde dann zu einer kommunistischen Kundschaftertruppe umgedeutet und propagandistisch aufgebauscht. Im Westen wurde sie jahrzehntelang als "fünfte Kolonne Moskaus" diffamiert. Erst 2009 hob der Deutsche Bundestag die Todesurteile wegen Kriegsverrats auf.

Vor diesem Hintergrund zeigt Christian Weisenborns Film eindrucksvolle, hoch emotionale Momentaufnahmen aus dem Leben der Kinder des Widerstands. Damit würdigt der Filmemacher die Courage der Eltern und gibt ihnen einen historisch gerechten Platz.

Geschichte
Reichsmarschall Hermann Göring (helle Uniform) und der Chef der «Kanzlei des Führers», Martin Bormann (l), begutachten die Zerstörung im Raum der Karten-Baracke im Führerhauptquartier Rastenburg, wo Oberst Stauffenberg am 20. Juli 1944 eine Sprengladung zündete, mit der Absicht Hitler zu töten (Archivfoto vom 20.07.1944). Als am 20. Juli 1944 gegen 12.50 Uhr der Sprengsatz in der «Wolfsschanze» detoniert, ging Claus Schenk Graf von Stauffenberg vom Tod des Diktators aus. Für den Attentäter schien das größte Hindernis für den Sturz der Nazis beseitigt. © picture alliance / dpa Foto:  Heinrich Hoffmann

Attentat vom 20. Juli 1944: Eine Bombe soll Hitler töten

20. Juli 1944: In Hitlers Hauptquartier explodiert eine Bombe. Doch von Stauffenbergs Versuch, ihn zu töten, scheitert. mehr

Harro Schulze-Boysen, Mitbegründer der "Roten Kapelle" © NDR

Harro Schulze-Boysen und die "Rote Kapelle"

Er war Mitbegründer der Widerstandsgruppe, die sich viel früher gegen Hitler wehrte als die Widerstandskämpfer des 20. Juli. 1942 wurde er in Berlin-Plötzensee hingerichtet. mehr

Autor/in
Christian Weisenborn
Redaktion
Sabine Mieder
Rolf Bergmann
Alexander von Sallwitz
Produktionsleiter/in
Eva-Maria Wittke
Redaktion
Marc Brasse

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Zeitgeschichte

Zweiter Weltkrieg