Zeitreise: Erste Fahrt der Gorch Fock
Sie sind die Männer der ersten Stunde. Vor 50 Jahren gingen sie bei der ersten Fahrt des Segelschulschiffes an Bord: Fred Theel aus Kiel-Schilksee und Klaus Siermann aus Plön. Auf der Gorch Fock hat in diesen Tagen gerade die Ausbildung neuer Kadetten begonnen. Dass die Kadetten heute ähnliches Geschirr anlegen wie Bergsteiger und Blaumänner tragen, verwundert die beiden Männer. "Wir hatten damals unsere Bommelmützen auf und weiße Hosen - weißt du noch?", fragt Klaus Siermann seinen alten Kameraden.
Für beide ist es ein erhabenes Gefühl, wieder an Bord zu sein - wie damals. "Wir waren stolz, dass wir damals dabei waren und dass wir ausgesucht wurden", sagen beide bei dem Rundgang über das Segelschulschiff. Vor 50 Jahre haben sie mit der Gorch Fock die erste Seereise angetreten, waren das erste Mal weg von zu Hause und erleben den ersten Abschiedsschmerz. Für Fred Theel war es bitter, er war damals gerade erst ein halbes Jahr verheiratet. "Da schlugen zwei Seelen in meiner Brust", erzählt er. "Auf der einen Seite meine Frau zurück lassen,auf der anderen Seite segeln - "aber es war eine tolle Sache und Abenteuer."
Hund der Bordfriseurs war Besatzungsmitglied
Am 3. August 1959 ist die Gorch Fock dann in See gestochen. 2.800 Seemeilen lagen vor ihr. Das Ziel war Teneriffa. Mit an Bord befand sich auch der Hund der Bordfriseurs. Die Besatzung taufte den Vierbeiner Whiskey. Fred Theel hat noch heute ein Foto von sich und dem Terrier. Der hatte sogar eine eigene Uniform: Kieler Wäsche hinten. "Der hat sich nachher so entwickelt wie eben ein Terrier ist, wenn er nicht im Mittelpunkt steht. Er hat sich in unseren weißen Hosen festgebissen, aber er gehörte mit dazu, war ein Besatzungsmitglied und wurde befördert zum Hauptgefreiten", erzählt Fred Theel.
Bau des Segelschulschiffes bei Blohm & Voss
Fred Theel und Klaus Siermann waren bis Mitte der 60er Jahre auf der Gorch Fock. Heute staunen sie, was sich alles an Bord verändert hat, wie modern die Caféteria ist. Theel und Siermann waren auch beim Bau der Gorch Fock bei Blohm & Voss im November 1958 dabei, sie haben die Segel mitgenäht und später an den Rahen angeschlagen - eine Knochenarbeit war das, ohne Handschuhe. "Damit haben wir dem Schiff unsere Seele gegeben", sagt Fred Theel. Der Stapellauf und die Taufe der Gorch Fock waren ein unvergessliches Erlebnis für ihn und seinen Kameraden.
Fünf Wochen auf See zum Reiseziel Teneriffa
Anschließend wurde die Gorch Fock erstmal auf die Probe gestellt. Vor der ersten Reise mussten die Kadetten testen, was das neue Schiff aushält, wann es krängt und zu kentern droht. Alle mussten erst mal üben, sagt Klaus Siermann. "Wir hatten auf der Deutschland gelernt, das war bis dahin unser Segelschulschiff, von der neuen Gorch Fock hatten wir noch keine Ahnung." Nach dem Auslaufen in Kiel war die Besatzung fünf Wochen auf See, bevor sie endlich melden konnte: Land in Sicht - Teneriffa. Dorthin zu fahren, das war schon was Besonderes zur damaligen Zeit, sagen Fred Theel und Klaus Siermann.
Ravioli morgens, mittags und abends
"Da wurde ein Aufstand gemacht", weiß Klaus Siermann noch, "der Anzug wurde sechs, sieben Mal gemustert, ob alles in Ordnung ist, ob Flecken da waren, ob die Mütze gerade saß". Auf Teneriffa machte ihnen die Hitze zu schaffen. Aber sie bekamen endlich anderes Essen. Weil der Proviantmeister noch keine Erfahrung hatte, gab es während der ersten Reise an Bord wochenlang immer das gleiche. "Ravioli, morgens, mittags, abends, ich kann noch heute keine Ravioli mehr sehen. Und dann sind wir von Bord gegangen, in die erst beste Kneipe und haben erstmal ein anständiges Stück Fleisch gegessen", erinnert sich Fred Theel.
Auf Hochglanz poliert zurück im Heimathafen
Dann hieß es Kurs Heimathafen. Das erste Mal wieder nach Hause kommen. Doch kurz vor dem Heimathafen Kiel eine Geduldsprobe: ankern in der Heikendorfer Bucht. Drei lange Tage musste die Besatzung erstmal das Schiff auf Hochglanz polieren. "Sie müssen sich das so vorstellen, sie kommen jetzt nach drei Monaten nach Hause, die Frauen haben im Fördedampfer das Schiff umkreist und gewunken - und wir konnten nicht von Bord. Da war das Einlaufen dann besonders schön",sagt Fred Theel. Das Hindenburgufer war schwarz vor Menschen, überall an der Kieler Förde standen Zuschauer und warteten auf die Gorch Fock. "Die erste Reise vergisst man nicht, das war das Highlight, nachher war alles Routine", meinen Fred Theel und Klaus Siermann einhellig. Dann verlassen sie die Gorch Fock mit dem Gruß zur deutschen Flagge - wie vor 50 Jahren.