Jules Vernes Reise quer durch Schleswig-Holstein
von Janina Harder
Er war der erste Science-Fiction-Autor und hat die Figur des Ingenieurs und Naturwissenschaftlers fest in der Literatur etabliert: der französische Autor Jules Verne. Außerdem hat er einige technische Neuerungen vorausgesehen wie das Fax, das Fernsehen oder auch die bemannte Raumfahrt - lange, bevor es diese tatsächlich gab. Fast unbekannt aber ist, dass eben dieser berühmte Schriftsteller, der von fantastischen Welten und atemberaubenden Erfindungen schrieb, 1881 mit seinem Bruder eine reale Abenteuerreise nach Skandinavien unternahm. Und die Eider spielte darin eine tragende Rolle.
Elegant gleitet die "Saint Michel III" durch das tosende Meer der Nordsee. Die 33 Meter lange Dampfjacht ist der ganze Stolz ihres Eigentümers Jules Verne. Aus anderen Dingen macht er sich nicht viel, lebt ein bescheidenes und zurückgezogenes Leben, aber dieses Schiff und seine Reisen, die gönnt er sich. Zur damaligen Zeit ist das Reisen den vermögenden Menschen vorbehalten. Jules Verne holt sich Inspiration für seine Bücher von den vielen Fahrten, seinen Begegnungen mit anderen Menschen und Landschaften.
Der Eiderkanal - eine willkommene Abkürzung
Mit auf dem Schiff sind ein Freund von Jules Verne, sein jüngerer Bruder Paul sowie dessen Sohn. Außerdem haben sie einen Kapitän, verschiedene Lotsen und sogar einen Koch an Bord. Eigentlich will die Reisegesellschaft ins dänische Kopenhagen reisen oder noch weiter gen Norden. Doch der Zeitplan gibt das eigentlich nicht mehr her. "Aber es waren Offiziere der preußischen Marine in Wilhelmshaven, die ihm gesagt haben: Warum nehmen Sie nicht einfach den Eiderkanal, um nach Kopenhagen zu kommen?", erzählt Buchautor Frank Trende. "Jules Verne war vollkommen unbekannt, dass man Schleswig-Holstein, die jütländische Halbinsel, auch auf dem Seewege mit einem seegehenden Schiff durchqueren konnte." Und zwar von der Eidermündung in Tönning quer über den Eiderkanal bis nach Kiel.
Schleusen als Hindernis für die Jacht
Allerdings gibt es von Beginn an einen kritischen Punkt an der Reise: Der Eiderkanal hat damals sechs Schleusen und die Frage war, ob die 33 Meter lange Dampfjacht überhaupt in die Schleusenkammern passen würde. "Am 15. Juni gegen Abend kamen wir in dem Hafen von Tönning an, der eine malerische Lage am rechten Eiderufer hat", schreibt Jules Vernes Bruder Paul in sein Reisetagebuch, das er fünf Monate nach der Reise veröffentlichen sollte.
"Hier wartete unser aber eine schmerzliche Enttäuschung. Ein Brief des Kanaldirektors, die Antwort auf unser Telegramm, meldete, dass wir die Schleusen nicht passieren könnten, da unsere Jacht um drei Meter zu lang sei. Was nun?" Man diskutiert und es ist der berühmte Schriftsteller selbst, der davon überzeugt ist, dass sie es schaffen könnten. "Es soll niemand sagen, dass Bretagner sich einem Hindernisse gegenüber nicht dickköpfig gezeigt hätten", soll Jules Verne gesagt haben. "Die 'Saint Michel' ist zu lang? Gut, so schneiden wir [ihr] die Nase - das Bugspriet - ab. Und wenn es nötig wäre, auch die Galion!"
Paul Verne schreibt ein Reisetagebuch
Auf dem Weg nach Rendsburg schreibt Paul Verne seine Eindrücke über die schleswig-holsteinische Eiderlandschaft in sein Reisetagebuch:
"Zunächst fährt man von hier aus also den reizenden Eiderfluss hinauf, der sich in unzähligen Krümmungen dahinwindet. Oft kommt man ganz nahe an den Punkt wieder zurück, wo man vorher war. Und ich schätze die Länge der Wasserstraße von Tönning nach Rendsburg zu mindestens 150 Kilometern, während die Luftlinie gewiss nicht mehr als etwa 80 beträgt." Paul Verne
Als die Franzosen in Rendsburg ankommen, ist der Moment der Wahrheit gekommen: Würden sie mit ihrem langen Schiff in die Schleusenkammer passen - oder den gesamten Weg rückwärts zurückfahren müssen? Sie schaffen es gerade so. Als sie dann aber an der Schleuse in Kluvensiek ankommen, da passt die "Saint Michel III" ganz und gar nicht mehr hinein. Sie müssen das Bugspriet einholen. Gerade einmal 25 Zentimeter mehr und sie hätten umkehren müssen. Aber so schaffen es die Brüder Verne und ihre Freunde nach Kiel und von dort aus zu ihrem Reiseziel Kopenhagen. Auf dem letzten Stück des Kanals haben sie nun auch die Ruhe, sich voll und ganz auf die Eiderlandschaft einzulassen.
Unbekannte Welten: Verne genießt die Landschaft
"Die Jacht gleitet ruhig durch den geheimnisvollen Laubengang, zwischen hölzernen Baken und geflochtenen Uferwänden hin. Die Fahrt scheint nach unbekannten Welten zu gehen. Rings um das Schiff säuselt und zittert ein Blättermeer. Und das Ufer verschwindet gänzlich unter dem dunkel glänzenden Grün. […] (39:48) Wasserpflanzen mit grünen, still daliegenden Blättern scheinen zu erschrecken und tauchen in die schützende Tiefe." Paul Verne
Und sein berühmter Bruder Jules ergänzt resümierend: "Es ist ein herrliches Land."