Zeitreise: Erinnerungen an Bildhauer Richard Kuöhl
Der Gänselieselbrunnen von Bad Oldesloe, die Fassadenkeramik in Ahrensburg: Viele kennen diese Skulpturen, aber den Künstler Richard Kuöhl nicht.
Von Corinna Below
Er arbeitete wie ein Besessener. Er galt als der produktivste Bildhauer seiner Zeit: Richard Kuöhl (1880 - 1961). Der Gänselieselbrunnen vor dem Bad Oldesloer Rathaus ist von ihm. Auch der Jüngling vor der Stormarnhalle, eine Trauernde auf dem alten Friedhof oder die Fassadenkeramik am Bahnhof Ahrensburg-Ost sind sein Werk. In den 1920er Jahren arbeitete er eng mit dem Hamburger Baumeister Fritz Schumacher zusammen, schuf die Keramik an der Davidwache, dem Finanzamt oder dem Chilehaus, Skulpturen in Wohnhausinnenhöfen oder die Hummel Hummel-Figur. Für diese Kunst wird er bis heute geschätzt.
Nazi oder Mitläufer?
Was viele auch nicht wissen: Das stark diskutierte sogenannte 76er Denkmal am Hamburger Dammtor-Bahnhof hat ebenfalls Richard Kuöhl erschaffen - 1934 initiiert vom nationalistischen Traditionsverein des in Hamburg stationierten 76. Infanterieregiments, eingeweiht durch Nationalsozialisten 1936. Sicher ist: Er war Mitglied der NSDAP. Darüber hinaus sind wenig über seine Geschichte und Motive bekannt. Auch die Frage, ob er Mitläufer oder ein überzeugter Nazi war, ist ungeklärt.
Ein neuer Nachlass könnte Aufschluss geben
Jetzt gibt es neue historische Dokumente, die möglicherweise Aufschluss geben könnten. Das Kreisarchiv Stormarn hat vor Kurzem einen wertvollen Kuöhl-Nachlass für eine fünfstellige Summe ankaufen können. Stefan Watzlawzik, Leiter des Archivs, erzählt, es habe sich gelohnt: eineinhalb Meter Akten voller Fotos, Zeichnungen. Aber auch wichtige private und geschäftliche Dokumente sind enthalten, die neue Erkenntnisse versprechen und, so Watzlawzik, sicher Aufschluss geben werden.
Ein neuer Blick auf den umstritten Künstler jetzt möglich
Der Archivleiter hat zusammen mit seinem Team begonnen, den Nachlass aufzuarbeiten und digital bereitzustellen. Darin sieht er seine Aufgabe. Der Hamburger Professor für Kulturgeschichte Norbert Fischer beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Richard Kuöhl. Für ihn ist der Nachlass extrem wichtig. Er konnte bereits einen ersten Blick in die Akten werfen und stellt fest: Die Fotos mit Beschriftungen zeigen deutlich, dass Richard Kuöhl, anders als Künstler wie zum Beispiel Ernst Barlach, vor und nach 1933 immer wieder für nationalsozialistische Auftraggeber gearbeitet hatte. "Er war ein typischer Künstler, der sich nach seinen Auftraggebern und dem jeweils vorherrschenden Stil gerichtet hat." In der Nazi-Zeit habe er damit die NS-Propaganda und so letztlich ein verbrecherisches Regime unterstützt, so Professor Fischer.
Es wird Monate dauern, bis alle Fotos und Dokumente gescannt, von Schmutz und Metall befreit und archiviert sind. In einem Jahr etwa, sagt der Kreisarchivar, steht der Nachlass dann digital bereit.