Panorama - die Reporter

Rico, ich und die Sache mit der Bürgermeisterwahl

Dienstag, 08. November 2016, 21:15 bis 21:45 Uhr
Donnerstag, 10. November 2016, 01:30 bis 02:00 Uhr

Ein Film von Robert Härtel

Ich bin Journalist. Und ich bin Privatmensch. Das, so haben wir es in unserer Ausbildung gelernt, sollte man sorgfältig voneinander trennen. Im Sommer 2015 aber gerieten diese Welten durcheinander, als mir mein alter Freund Rico Badenschier eröffnete, er wolle Bürgermeister werden. Ich hätte das schnell beiseitegelegt, wenn es sich um eine Bewerbung in Langenhagen oder Neubrandenburg gehandelt hätte. Aber er wollte die Landeshauptstadt Schwerin erobern. Für die SPD. Als Polit-Neuling.

Politisch engagiert war Rico schon seit seiner Jugend. Mit 18 gründete er eine eigene Partei. Die gab es aber nur eine Woche, mangels fehlender Mitglieder. Während seines Medizinstudiums in Marburg saß er im Studierenden-Parlament für die "Sozialistische Ökologische Hochschulgruppe". Mitglieder: eins. Name: Rico Badenschier. 2009 trat er schließlich in die SPD ein und war endlich einer von vielen Genossen.

Von der Notfall-OP in Rathaus

Rico Badenschier ist mittlerweile Oberbürgermeister in Schwerin © NDR
Rico Badenschier muss auch Klinkenputzen: Wahlkampf ist anstrengend.

Politik betrachtete Rico bis zum Sommer 2015 als sein Hobby. Anders war das auch nicht möglich. Denn Rico ist Neuroradiologe im Klinikum Schwerin, Schwerpunkt: Schlaganfälle. Ständige Rufbereitschaft und Notfall-OPs gehören zu seinem Alltag. Zudem ist er verheiratet und hat drei Kinder. Ein zeitaufwendiger Wahlkampf ist da eigentlich das Letzte, was im Leben fehlt.

Ich beschloss, Rico ein Jahr lang zu begleiten. Ich wollte wissen: Warum tut er sich das an? Wie will er innerhalb eines Jahres vom politischen No-Name zum Oberbürgermeister aufsteigen? Bleibt er dabei der Rico, den ich seit 17 Jahren kenne? Und wie anstrengend ist eigentlich gelebte Demokratie?

Flyer und Honig für die Wähler

Von diesem Zeitpunkt an war ich fast überall dabei: Wie er - noch ziemlich nervös - seine erste wichtige politische Rede vor der Mitgliederversammlung der Schweriner SPD hielt, die ihn im Anschluss offiziell zum Kandidaten küren sollte. Wie er stundenlang durch die Stadt lief und seine Flyer verteilte, dazu einen kleinen Honig (mit dem unfassbar ehrlichen Spruch: "Vor der Wahl schmiert man den Wählern doch ein bisschen Honig um den Bart"!). Wie er Plakate klebte, Hunderte Gespräche an Wohnungstüren führte und zum Kaffee in der Kleingartensiedlung erschien. Manches Mal wurde er in der Fußgängerzone für die Bundespolitik beschimpft.

Und immer wieder habe ich mir gedacht: "Rico, warum tust du dir das an? Ich hätte schon lange aufgegeben." Seine Antwort darauf hat mich beschämt: "Weil man nicht immer nur meckern kann", sagte er mir einmal. Und weil das der Weg in unserer Demokratie sei, etwas zu verändern. Auch wenn er verdammt mühselig ist.

Robert Härtel

Robert Härtel ist freier Autor und Journalist. Er arbeitet unter anderem für Spiegel TV, ZDF Frontal 21, und den NDR. Er lebt in Berlin.

Kreuzehrlich, manchmal unangenehm, mitunter schmerzhaft

Robert Härtel © NDR
Der Journalist Robert Härtel begleitete seinen Freund Rico Badenschier ein Jahr lang im Wahlkampf. Das ist manchmal auch eine Gratwanderung zwischen Freundschaft und seriösem Journalismus gewesen.

Ein Jahr lang war ich an der Seite eines Politikers, der mein Freund ist. Mit seiner Partei, der SPD, habe ich nichts am Hut. Und trotzdem könnte man mir vorwerfen, dass Rico und ich uns zu nah sind, dass so kein kritischer Film entstehen kann. Ich glaube, es ist anders: Gerade weil ich Rico schon seit 17 Jahren kenne, konnte ich einen ehrlichen Blick in eine Welt werfen, in der sich Journalisten und Politiker normalerweise hinter leeren Phrasen und Floskeln verstecken. Weil wir Freunde sind, konnte ich eine Perspektive finden, die kreuzehrlich ist, manchmal unangenehm, mitunter sogar schmerzhaft.

Ich gebe zu, ich habe nicht daran geglaubt, dass er es schaffen würde. Und ich war mir bis zum Schluss nicht sicher. Bis er am 18. September plötzlich in der Stichwahl gegen die amtierende Bürgermeisterin der Linken, Angelika Gramkow, stand. Dann kam die erste Hochrechnung: Für Rico Badenschier hatten über 60 Prozent der Schwerinerinnen und Schweriner gestimmt. Da hatte ich - ganz unjournalistisch - ein bisschen feuchte Augen.

Autor/in
Robert Härtel
Redaktion
Dietmar Schiffermüller
Lutz Ackermann
Produktionsleiter/in
Nicole Deblaere
Redaktion
Schiffermueller, Dietmar

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SPD

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