Panorama - die Reporter
Dienstag, 14. Juli 2015, 21:15 bis
21:45 Uhr
Es war ein strahlender Sommertag an der Ostsee. Doch plötzlich ein Knall: Eine große Motorjacht hatte einen Surfer erfasst, tötete ihn fast. Der Surfer verlor ein Bein und Unmengen von Blut, unzählige Knochen waren gebrochen. Drei Mal musste er reanimiert werden. Vier Jahre ist dieser tragische Unfall nun her.
Reinhard Fahlbusch steht am Strand von Scharbeutz und schaut auf die Bucht, in der er drei Jahrzehnte lang gesurft und gesegelt ist. Das Wasser ist voll mit Badenden, Seglern und Surfern. Dazwischen jagen Motorboote immer wieder laut an der Küste vorüber. Fahlbusch kann den Anblick kaum ertragen. Er geht an die Öffentlichkeit, weil er sich sicher ist, es geht um mehr als sein persönliches Unglück. Er ist an jenem Sonntagnachmittag nicht nur in die Schiffsschrauben einer Motorjacht geraten, sondern mitten hinein in den Kampf zweier rivalisierender Lager, die an der Ostseeküste miteinander streiten. Doch das weiß er erst heute.
Hätte der tragische Unfall verhindert werden können?
Im August 2011 genoss der erfahrene Surfer Fahlbusch den Spätsommer auf dem Wasser. Genau wie die Besatzung der acht Motorjachten, die im Neustädter Hafen zur "Baltic Cruise" gestartet waren - einem PR-Ausflug für vermögende Kunden der Luxus-Werft "Sunseeker". Das größte Schiff, die "Predator 74", prescht vorweg. Ihr stolzer Besitzer: Ein Lübecker Unternehmer.
Reinhard Fahlbusch hatte keine Chance, als der Jachtbesitzer annähernd auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigte. 38 Knoten, also fast 70 Stundenkilometer, betrug die Geschwindigkeit erwiesenermaßen beim Aufprall. Fahlbusch hat daran keine Erinnerung. Er wachte erst wieder im Lübecker Universitätsklinikum auf - ohne sein linkes Bein.
Konnte der Fahrer den Surfer gar nicht sehen?
Kurz nach dem Unfall wurde Jürgen Albers von der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) auf den Fall aufmerksam. Die Bundesstelle wird immer dann tätig, wenn ein Unfall mehr als nur ein schicksalhafter Einzelfall zu sein scheint, sondern wenn es Hinweise auf grundsätzliche Fehler gibt. Prüfer Albers wurde stutzig, weil ein Polizist nach dem Unfall notiert hatte, der Jachtbesitzer habe den Surfer möglicherweise gar nicht sehen können. Die BSU ließ das Boot daraufhin vermessen.
Tatsächlich kam Albers in seinem Unfallbericht zu dem Schluss, die Sichtfenster der Sunseeker Motorjacht seien so konstruiert, dass der Steuermann kleine Wassersportler wie Surfer oder Segler nicht ausreichend sehen könne. Trotz gültiger Zulassung verstoße das Schiff somit gegen die entsprechende europäische Norm. Albers empfahl den verantwortlichen Stellen, die betroffene Jacht und andere Modelle von Sunseeker zu prüfen. Doch auch vier Jahre nach dem Unfall hat keine der offiziellen Stellen die Jachten der Luxuswerft erneut überprüft. Sunseeker selbst erklärt, man habe ein eigenes Gutachten erstellen lassen das die Sicherheit seiner Schiffe bestätige. Zur Verfügung stellt man dieses Gutachten leider nicht.
Kein Tempolimit in Badegewässern
Anders als in anderen Ländern, gibt es in Deutschland jenseits eines Sicherheitsabstands zur Badezone kein Tempolimit. Dabei war das in der Lübecker Bucht schon einmal anders. Der Segler Karl-Heinz Haase, selbst Anwohner der Bucht, hatte es zusammen mit einer Bürgerinitiative und Lokalpolitikern erwirkt. Doch ein Motorboot-Fan klagte erfolgreich dagegen. Seitdem dürfen Motorboote wieder so schnell sie können durch die Bucht fahren.
Jürgen Albers, der Prüfer von der Bundesstelle, kam in seinem Unfall-Gutachten auch zu dem Ergebnis, eine Geschwindigkeitsbegrenzung in der Bucht hätte den Unfall vielleicht verhindern können. Das BSU reichte dieses Ergebnis an das Bundesverkehrsministerium weiter, mit der Bitte, ein Tempolimit für die Bucht zu prüfen. Doch bis heute gab es keinen neuen Vorstoß, ein Tempolimit einzuführen.
Strafbefehl gegen den Fahrer der Jacht
Zwei Jahre nach dem Unfall hatte das Amtsgericht Kiel Strafbefehl gegen den Fahrer der Motorjacht erlassen: Acht Monate Haft auf Bewährung und Zahlung von 10.000 Euro an die Seenotretter, so das Urteil. Angesichts der vielen Wassersportler in der Bucht sei die Geschwindigkeit der Jacht unangemessen hoch gewesen. Der Unfallfahrer hatte das Urteil akzeptiert. Seitdem sind weitere zwei Jahre vergangen, doch Reinhardt Fahlbusch muss bis heute um eine Entschädigung kämpfen.
Trotz der strafrechtlichen Verurteilung muss er eine Zivilklage gegen den Jachtbesitzer führen. Denn weder der Unfallfahrer noch seine Haftpflichtversicherung haben den Schaden bislang reguliert.
- Redaktion
- Dietmar Schiffermueller