Sendedatum: 07.05.2019 21:15 Uhr

"Gorch Fock": "Eine Kette von Fehlern"

von Sven Lohmann, Felix Meschede, Lena Petersen, Christoph Prössl und Nino Seidel
Das Marine-Segelschulschiff Gorch Fock fährt im Meer. © dpa-Bildfunk Foto: Bernd Wüstneck
Ein Bild aus besseren Tagen: die "Gorch Fock" auf hoher See.

In einem Interview mit dem NDR und dem ARD-Hauptstadtstudio hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eingeräumt, dass die wahren Kosten für die Reparatur der "Gorch Fock" am Anfang deutlich unterschätzt worden sind. Bei der Sanierung des Segelschulschiffs habe es eine Kette von Fehlern in ihrem Ministerium gegeben. Die CDU-Politikerin sagte, dass das Marinearsenal seinen Teil an Fehlern beigetragen habe. Das gelte auch für das Amt in Koblenz und die verschiedenen Abteilungen im Verteidigungsministerium. "Da sind gemeinsam viele Fehler gemacht worden, in einem schwierigen Prozess."

VIDEO: "Da sind gemeinsam viele Fehler gemacht worden" (4 Min)

Kostenexplosion: Sanierung 14 Mal so teuer

Ursprünglich war das Segelschulschiff "Gorch Fock" 2015 für kleinere Reparatur- und Inspektionsarbeiten in die Elsflether Werft gekommen. Die kalkulierten Kosten lagen damals bei 9,6 Millionen Euro. Mittlerweile liegen sie bei 135 Millionen Euro. Die Verteidigungsministerin bestätigte zudem die kritischen Aussagen eines Bundesrechnungshof-Berichts. "Genauso wie es dargestellt worden ist, sind die Dinge auch gewesen. Da gibt es nichts dran zu beschönigen, aber da gibt es auch nichts dran zu geheimnissen."

Dem Bericht der Prüfer zufolge, fehlte es zu Beginn an einer umfassenden Untersuchung des Segelschulschiffs und einer vernünftigen Planung. Die Prüfer des Bundesrechnungshofes kritisierten zudem scharf, dass der Ministerin von eigenen Mitarbeitern wichtige Informationen vorenthalten wurden - mutmaßlich, damit von der Leyen den weiteren Reparaturarbeiten zustimmte.

Heutiger Staatssekretär strich entscheidende Passage

Sie hatte aufgrund von Statusberichten ihrer Mitarbeiter, sogenannten Leitungsvorlagen, der Fortsetzung der Reparaturarbeiten an der "Gorch Fock" zugestimmt. In einer internen Untersuchung hatte Ursula von der Leyen daraufhin selbst die Abläufe im Verteidigungsministerium aufarbeiten lassen.

Die interne Untersuchung hatte ergeben, dass ein leitender Mitarbeiter wichtige Aussagen aus einer zentralen Leitungsvorlage gestrichen hatte, bevor diese die Ministerin auf den Tisch bekam. Ursprünglich stand in der Vorlage die Empfehlung, die Arbeiten an der "Gorch Fock" abzubrechen und das Schiff neu zu bauen. Nach Streichung wurde daraus eine Empfehlung zur Fortsetzung der Instandsetzung.

Von der Leyen: "Ich trage politische Verantwortung"

Der fragliche leitende Mitarbeiter ist Benedikt Zimmer und heute Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Auf die Frage, ob sie sich getäuscht fühle und was der Staatssekretär dazu zu sagen habe, antwortete Ministerin von der Leyen im Interview mit dem NDR und dem ARD Hauptstadtstudio, es sei wichtig gewesen, "mit allen unterschiedlichen Beteiligten, die dazu beigetragen haben, sehr offen und klar zu sprechen." Es sei nicht fair, so ein großes, komplexes Verfahren ausschließlich einem einzigen Menschen anzulasten. "Es ist nur fair, (...) dass alle zu ihren Fehlern stehen." Im Interview stellte sie sich vor ihre Mitarbeiter: "Ich habe immer die politische Verantwortung für alles, was in der Bundeswehr passiert."

Zuständigkeiten neu geregelt

Die Ministerin verwies auf die jüngsten Maßnahmen, die einen weiteren Fall "Gorch Fock" künftig ausschließen sollen. Das Ministerium habe eine Abteilung eingerichtet, die verantwortlich für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sei. Außerdem seien die Zuständigkeiten zwischen Marinearsenal und Beschaffungsamt in Koblenz nun neu geregelt worden.

Planung und Verantwortlichkeit würden deutlicher als bisher beim Beschaffungsamt gebündelt. Die Verteidigungsministerin sagte: "Auf Seiten der Bundeswehr haben wir jetzt alle Voraussetzungen geschaffen, damit die 'Gorch Fock' auch wieder hochseetauglich werden kann."

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Werft-Vorstand

Die Arbeiten stocken, da die Elsflether Werft Insolvenz anmelden musste. Gemeinsam mit der Werft arbeitet das Verteidigungsministerium an Plänen, die Reparaturarbeiten fortzusetzen. Die beiden ehemaligen Vorstände hatten Millionenbeträge aus der Werft geleitet. Gegen sie ermittelt auch die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Untreue. Die beiden Manager besaßen zusätzlich eine Vielzahl an eigenen Firmen und hatten diese mit Geld der Werft in Form von Darlehen versorgt. Nach Angaben der neuen Werftleitung seien insgesamt etwa 16 Millionen Euro in das Firmennetzwerk geflossen.

Firmengeflecht der Elsfleth-Werft © NDR Foto: Screenshot
Wirft viele Fragen auf: das Firmengeflecht der Elsflether Werft.

Der heutige Generalbevollmächtigte der Elsflether Werft, Tobias Brinkmann, wirft den ehemaligen Managern persönliche Bereicherung vor. Die Darlehen seien ohne übliche Absicherung und teilweise ohne erkennbare Rückzahlungsabsicht vergeben worden, sagte Brinkmann dem NDR und ARD-Hauptstadtstudio. Der ehemalige Vorstand habe "Geschäftschancen verfolgt, die er für erfolgversprechend hält, aber dafür nicht eigenes Geld aufgewendet, sondern Geld der Werft" - laut Brinkmann mit dem Ziel, private Geschäfte zu machen.

Beschuldigter weist Vorwürfe zurück

Auch einer der beschuldigten ehemaligen Manager äußerte sich ausführlich gegenüber NDR und ARD. Marcus Reinberg wies den Vorwurf der persönlichen Bereicherung zurück. Ziel sei es gewesen, der Werft neue Geschäftsfelder zu eröffnen. Die Firmen hatten unter anderem in eine Goldmine und eine Filmproduktion investiert. Das Geld sei nicht weg, es sei nur woanders investiert, so Reinberg. Sein Partner äußerte sich auf Anfrage hingegen nicht.

VIDEO: Ex-Werft-Manager: "Es gibt keine Bereicherung" (2 Min)

Der heutige Vorstand versucht nun, die aus der Werft herausgeleiteten Millionen zurückzubekommen. Zuletzt erwirkte er per Gerichtsbeschluss, dass das Vermögen der ehemaligen Manager eingefroren wird. Wiechmann wollte die Maßnahme des Gerichts nicht kommentieren. Reinberg ließ über seinen Anwalt mitteilen, die aus seiner Sicht unbegründeten Maßnahmen nicht hinnehmen zu wollen.

Das NDR-Team von "Auf den Spuren der Millionen: Der Gorch-Fock-Krimi"

Autoren: Felix Meschede, Nino Seidel
Hörfunk-Umsetzung: Lena Petersen, Christoph Prössl
Redaktion: Sven Lohmann
Kamera: Frank Groth, Felix Meschede, Andrzej Król, André Bacher, Oliver Vogt, Martin Horning, Dirk Vahldiek
Schnitt: Dietrich Müller
Musik: Michael Dommes
Grafik: Arne Münch, Matthias Paeper
Animation: Jan Friederich

Schiff noch nicht gerettet

Um die "Gorch Fock" weiter reparieren zu können, verhandelt die Elsflether Werft mit den Gläubigern. Das Management will nun ein Angebot für das Verteidigungsministerium erstellen. Der Preis soll nicht höher als die bereits vereinbarten 135 Millionen Euro liegen. Eine Entscheidung über den Fortgang der Arbeiten soll im Sommer fallen. Über den Ausgang ist sich Ursula von der Leyen nicht sicher: "Die 'Gorch Fock' ist noch nicht gerettet."

 

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Ein Schlepper fährt in hinter dem Segelschulschiff Gorch Fock, das gerade das Huntesperrwerk passiert hat. © dpa Foto: Carmen Jaspersen

"Gorch Fock": Chronologie einer Instandsetzung von 2015 bis 2021

Eigentlich sollte die "Gorch Fock" 2015 in rund sechs Monaten saniert werden. Am Ende waren es fast sechs Jahre. Die Kosten: 135 Millionen Euro. mehr

Dieses Thema im Programm:

Panorama - die Reporter | 07.05.2019 | 21:15 Uhr

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