Panorama - die Reporter
Dienstag, 12. März 2019, 21:15 bis
21:45 Uhr
Thomas Allan reibt sich mit seinem löchrigen T-Shirt eine Träne aus dem Gesicht. Er steht mitten im Dschungel auf einer kleinen Lichtung, neben ihm liegt eine große Machete, die schon Rost angesetzt hat. An dieser Stelle auf der karibischen Insel Dominica hat er im November 2017 Finn Bogumil gefunden. Er atmete noch, als Thomas Allan ihn so vorfand. Kurz darauf starb er. Thomas Allan konnte ihm nicht mehr helfen. "Er war so ein liebenswerter Mensch", sagt er. "Aber der Grund für seinen Tod war das Fasten."
War das esoterische Konzept der "Lichtnahrung" für Finn Bogumil tödlich?
Finn Bogumil aus Hamburg wurde nur 22 Jahre alt. Er glaubte an die sogenannte Lichtnahrung, ein esoterisches Konzept mit Anhängern auf der ganzen Welt. Angeblich soll es dabei möglich sein, komplett ohne Essen und Trinken zu leben - und sich nur von Licht zu ernähren. Das versuchte Bogumil offenbar - und starb daran.
Damit ist Finn Bogumil der erste deutsche Staatsbürger seit mehr als 20 Jahren, der mutmaßlich in Zusammenhang mit dem Konzept der "Lichtnahrung" gestorben ist. Die oberste Staatsanwältin von Dominica bestätigte, dass Bogumil vorher gefastet habe und dass dies die wahrscheinliche Todesursache sei. Diese muss aber noch offiziell in einem Gerichtsverfahren festgestellt werden.
Die Anhänger der "Lichtnahrung" organisieren sich unter anderem über Workshops und Kongresse. In Deutschland fand im Februar der sogenannte "Lichtnahrung Online-Kongress" mit nach eigenen Angaben 6.000 Teilnehmern statt.
"Am Anfang war das Licht": Umstrittener österreichischer Film
In einem Brief an seine Mutter schrieb Finn Bogumil neun Monate vor seinem Tod: "Ich glaube an die Lichtnahrung. Die Fähigkeit, ohne physische Nahrung gesünder, besser und energetischer zu leben. Nach dem Prinzip 'Geist über Materie'. Seitdem ich davon erfahren habe, lässt mich das nicht mehr los. (…) Und es gibt Tausende Menschen, die das schon vorleben. Siehe: 'Am Anfang war das Licht.'"
Bekanntheit erlangte das Konzept "Lichtnahrung" unter anderem durch den umstrittenen österreichischen Film "Am Anfang war das Licht", der auch für Bogumil offenbar eine wichtige Rolle gespielt hat. Die Dokumentation wurde 2013 zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr im österreichischen Fernsehsender "ORF eins" ausgestrahlt. Der Film lässt Menschen zu Wort kommen, die behaupten, seit Jahren auf Essen und Trinken zu verzichten - für Mediziner ein Ding der Unmöglichkeit.
Der Film wurde mit dem Negativpreis "Goldenes Brett" ausgezeichnet. Der Regisseur des Dokumentarfilms, Peter-Arthur Straubinger, teilt auf Anfrage mit, sein Film warne klar vor den Gefahren der "Lichtnahrung". Der Tod des Mannes sei für ihn nicht nachvollziehbar. Vielleicht sei die Ursache eher in dessen Drogenkonsum und einer damit verbundenen Psychose zu finden, teilt Straubinger mit.
Finn war 2015 für zwei Wochen stationär in psychiatrischer Behandlung der Uniklinik Hamburg gewesen. Grund dafür sei nach Angaben der Eltern womöglich eine Psychose gewesen nach dem Konsum von Drogen.
Der ORF teilt auf Anfrage mit, Generaldirektor Alexander Wrabetz habe sich von dem Dokumentarfilm distanziert, über den er laut Medienberichten gesagt habe, dass er "inhaltlicher Schwachsinn" sei. Man hätte aber versucht, dies in einer anschließenden TV-Diskussion herauszuarbeiten.
"Wir halten die Methode für sehr gefährlich"
Sabine Riede von der Beratungsstelle "Sekteninfo NRW" sagt: "Die Lichtnahrung ist eine gefährliche esoterische Ernährungsform." Nachdem die Methode einige Jahre um die Jahrtausendwende viel Leid verursacht und für Aufklärungsbedarf gesorgt habe, sei sie danach einige Jahre in den Hintergrund gerückt. Besonders seit der Ausstrahlung des Kinofilms "Am Anfang war das Licht" sei die "Lichtnahrung" wieder beliebter geworden. "Wir halten die Methode für sehr gefährlich, weil beim vollständigen Verzicht auf feste und flüssige Nahrung bereits ab dem dritten Tag das Risiko einer tödlichen Dehydratation steigt", sagt Riede. Bei Kindern müsse sofort das Jugendamt informiert werden.
Die Familie von Finn Bogumil wendet sich mit dem Schicksal ihres verstorbenen Sohnes und Bruders an die Öffentlichkeit, um andere vor der gefährlichen "Lichtnahrung" zu warnen. Vater Ulrich Hölscher sagt: "Ich bin sicher, Finn wird nicht der letzte gewesen sein. Weil diese Szene existiert weiterhin." Die gerichtliche Feststellung der genauen Todesursache von Finn steht noch aus.
- Autor/in
- Christian Deker
- Redaktion
- Dietmar Schiffermüller
- Lutz Ackermann
- Produktionsleiter/in
- Nicole Deblaere
- Redaktion
- Schiffermueller, Dietmar