Panorama - die Reporter
Dienstag, 03. Dezember 2019, 21:15 bis
21:45 Uhr
Donnerstag, 05. Dezember 2019, 02:15 bis
02:45 Uhr
Oliver N. war beim IS in Syrien - jetzt ist der Österreicher wieder zurück in seiner Heimat. Er könne das Misstrauen der Menschen verstehen, sagt er im NDR Fernsehen. Ihm sei bewusst, dass man nicht in ihn hineinsehen könne. "Das, was ich getan habe, habe ich getan. Ich übernehme die Verantwortung dafür", so Oliver N. Doch er wolle zeigen, dass er wieder zurückgefunden habe. Deshalb spreche er nun offen über seine Geschichte und zeige sein Gesicht, auch wenn er Angst vor Rache habe. Mehrere Monate lang begleitete "Panorama - die Reporter" Oliver N. und ging der Frage nach, wie jemand mit dieser Geschichte zurückkehren und wieder Teil einer Gesellschaft werden kann, die er zuvor bekämpft hatte.
Oliver N: "Nur die Bösen töten"
Oliver N. hatte sich als 16-Jähriger dem IS angeschlossen. Während seiner fast sieben Monate in Syrien hat er vor allem durch ein deutschsprachiges Propaganda-Video für Aufsehen gesorgt, in dem er zum Terror aufrief. "Ich will euch dazu einladen, auch die 'Ungläubigen' zu schlachten", sprach er damals in die Kamera. Heute erklärt er seinen Auftritt für den Terror mit Gehirnwäsche, spricht immer wieder von Manipulationen durch seine IS-Community. Oft hat Oliver N. auf Nachfragen auch keine richtigen Antworten, hadert selbst mit Schuld und Verantwortung. Kampfhandlungen konnten dem Österreicher nicht nachgewiesen werden. Für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wurde er zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.
Über seine Zeit beim IS spricht Oliver N. heute mit Scham. Nur "Monster" würden dorthin gehen. Nach eigenen Angaben hat er als Jugendlicher während seiner Zeit in Syrien schätzungsweise 50 Tote gesehen. Die ersten Toten, die er 2014 in Syrien sehen musste, seien vom IS getötete syrische Soldaten gewesen. Sie seien geköpft und anschließend zur Schau auf ein Podest gelegt worden. Er selber habe jedoch niemals jemanden verletzt, auch wenn ihn Fotos beim Posieren mit Waffen zeigen.
Als Heimkind "völlig verloren"
Oliver N. begründet seine Anfälligkeit für den radikalen Islamismus mit seinen desolaten Familienverhältnissen. Er sei als ehemaliges Heimkind "völlig verloren" gewesen und habe starke Gemeinschaften gesucht. "Wäre eine rechtsradikale Gruppe gekommen, dann wäre ich Nazi geworden", vermutet Oliver N.
Rund 5.000 Westeuropäer sind für den IS nach Syrien gegangen. Viele sind im Krieg gestorben, viele werden zurückkommen. Als Staatsbürger haben sie einen Anspruch auf Rückkehr. Der Rechtsstaat muss Tätern eine zweite Chance geben. Sie werden wie Oliver N. wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Auch Oliver N. lebt wieder in Österreich - mitten unter uns. Auf die Frage, warum er sich zum ersten Mal offen vor der Kamera zeigt, erklärt Oliver N., er wolle einen Teil Wiedergutmachung leisten, auch wenn er ein großes Risiko eingehe. In der islamistischen Szene gelte er als Verräter. "Aber ich möchte diesen Schritt gehen, um zu zeigen, dass ich mich nicht mehr verstecke. Dass ich offen zu meiner Geschichte stehe."
Er stellt sich den Fragen von Schülern
Er teilt deshalb seine Geschichte und sein Insider-Wissen. In Österreich und Deutschland spricht der Rückkehrer vor Politikern, Polizisten und Schülern und berichtet von den Gefahren radikaler Anwerber. In einer Klasse begegnen ihm die Schüler mit gemischten Gefühlen: "Wenn man dich näher kennenlernt, dann glaubt man dir und gibt dir eine zweite Chance, aber es gibt solche und solche", meint eine Schülerin. Eine andere Schülerin denkt anders: "Wer sagt mir, dass sie dich nicht so hingebogen haben, dass du jetzt ein kleines Terrorkind bist und irgendwelche Leute auf dem Weihnachtsmarkt in die Luft sprengst?" Er wird damit leben müssen - mit seiner Vergangenheit in Syrien und dem Misstrauen der Menschen, die nun davon erfahren.
- Autor/in
- Mariam Noori
- Lisa Maria Hagen
- Redaktion
- Dietmar Schiffermüller
- Produktionsleiter/in
- Nicole Deblaere
- Redaktion
- Schiffermueller, Dietmar