Göttinger Organskandal wegen Panne in Bayern
Auch konnte nicht abschließend geklärt werden, warum die Regensburger Ärzte Patienten, die eigentlich in Jordanien operiert wurden, wiederholt bei der Vermittlungsstelle Eurotransplant als Regensburger Patienten gemeldet hatten. Dies ist eine Voraussetzung, um überhaupt bei Eurotransplant auf die Warteliste zu kommen. Einige der Empfänger, so der Bericht, wurden sogar als "residents", also ortsansässige Personen, angegeben - sogar einfach mit der Anschrift des Uniklinikum Regensburg. Die beteiligten Ärzte erklärten, dass es sich um einen Dokumentationsfehler gehandelt haben soll. Doch war es wirklich ein Dokumentationsfehler oder Kalkül?
Die insgesamt neun in Jordanien durchgeführten Operationen in den Jahren 2004 und 2005 waren alle sogenannte Leber-Lebendspende-Transplantationen. Das heißt: Teile einer Leber etwa eines nahen Verwandten werden dem Patienten transplantiert. Dies ist ein riskanter Eingriff, der zu Komplikationen führen kann. In Deutschland sorgt man deshalb vor: Patienten, die eine Lebendspende erhalten, werden zusätzlich auf die Warteliste für eine postmortale Organspende gesetzt. Das bedeutet: Gerät der Patient durch die Folgen der ersten Operation in Gefahr, erhält er den Status "hohe Dringlichkeit". Damit rückt er auf der Warteliste nach oben und hat eine Chance auf ein zweites Organ.
Zweifel bleiben
Der Ablauf im Regensburger Fall lässt daran zweifeln, ob es sich bei den falschen Angaben wirklich um Dokumentationsfehler handelte: Als es 2005 in Amman zu Komplikationen kam, konnte kein weiteres Organ in Jordanien besorgt werden. Denn in Jordanien gibt es keine organisierte postmortale Organspende. Doch die jordanische Patientin wurde als Regensburger Patientin geführt und stand somit auf der Warteliste. Fakt ist: Als in Wien ein passendes Organ vorlag, wurde dies nach Jordanien gebracht und transplantiert. Doch die Patientin war auch dadurch nicht mehr zu retten und starb.
"Problematische" Kooperation
Der Prüfbericht bezeichnet die deutsch-jordanische Kooperation schon deshalb als "problematisch", weil es hier ausschließlich um Leber-Lebendspende-Transplantationen gehe. Bei Komplikationen hat der Patient keine zweite Chance wie in Deutschland. Der Bericht lässt den Verdacht zu, dass es zum Konzept der Kooperation gehörte, durch die falschen Angaben für den Notfall regelwidrig eine Leber über Eurotransplant zu organisieren, wie in einem Fall tatsächlich geschehen. Ob in diesem Fall ein anderer Patient auf der Warteliste geschädigt wurde, konnte nicht abschließend geklärt werden. "Jedenfalls stand durch die Transplantation im Jordan-Hospital ein Organ weniger als möglich (...) zur Verfügung", resümiert die Prüfungskommission.
Fehlende Initiative der Behörden
Der Bericht war Ende 2006 den zuständigen Behörden in Bayern zugegangen. Doch Konsequenzen für die beteiligten Ärzte gab es keine. Stattdessen konnte der Oberarzt aus Regensburg seine Karriere weiterverfolgen, wurde in Regensburg 2008 habilitiert und wechselte im selben Jahr in die Leitung der Transplantationsmedizin in Göttingen.
Auf Anfrage von Panorama 3 sagt die Staatsanwaltschaft Regensburg, sie habe das Ermittlungsverfahren eingestellt, da sich "keine Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der Ärzte des Universitätsklinikum Regensburg" ergeben hätten. Das damals zuständige Sozialministerium erklärte, es habe keinen Hinweis auf eine Ordnungswidrigkeit finden können. Auch die Bayerische Landesärztekammer verfolgte den Fall nicht weiter. Ein berufsrechtliches Verfahren wurde nicht eingeleitet. Gegenüber dem NDR begründete die Kammer das mit der fehlenden Initiative der Behörden: "Es wurde damals kein berufsrechtliches Verfahren eröffnet, da weder das Bayerische Staatsministeriums der Justiz, das zuständige Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (Dienstaufsicht) noch das für die Bayerische Landesärztekammer aufsichtsrechtlich zuständige Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (Aufsicht Transplantationsmedizin) tätig geworden sind."
- Teil 1: Eine späte, eine verspätete Aufklärung?
- Teil 2: Dokumentationsfehler oder Kalkül?