Robert Betz: "Glücks-Coach" oder Scharlatan?
800 Menschen beschwören die Ahnen
Im CCH meditieren die Besucher zweimal unter Betz‘ Führung. Unter anderem sollen sie ihre Ahnen heraufbeschwören. Als Betz fragt, wem ein verstorbener Verwandter auf die Schulter geklopft habe, meldet sich die Hälfte des Publikums. An anderer Stelle sollen die Teilnehmer mit geschlossenen Augen erst in silbernem, dann in violettem Licht baden, um ihren inneren Zustand zu transformieren.
Zur Vertiefung der Selbsterfahrung empfiehlt Betz später seine Seminare. Im Vorraum des Vortragssaals liegen Kataloge. Man kann unter verschiedenen Themen auswählen. Preis: Ab 149 Euro. Das teuerste, ein einwöchiges Schiffsseminar in der Ägäis, wird zum "All-Inclusive-Preis" von 5.650 Euro angeboten.
"Reine Geldmacherei"
Der Lübecker Jörg Erhardt (Name von der Redaktion geändert) hat gemeinsam mit seiner Frau ein mehrtägiges Betz-Seminar belegt und ist seither geheilt - und zwar von den Botschaften des Lebenslehrers. Vielmehr "stinkt die Sache" für ihn "gewaltig". Neun Leute seien sie in dem mehrtägigen Kurs "Lass es Liebe sein" gewesen. Kosten: 550 Euro plus Hotel.
Ständig habe der Seminarleiter "in der Vergangenheit gestochert". Als Erhardt gesagt habe, seine Kindheit sei völlig in Ordnung gewesen, habe ihm das niemand geglaubt. Andere Teilnehmer hätten von Problemen wie Missbrauch berichtet und seien in Tränen ausgebrochen. Später sei ständig über Erhardts psychischen Zustand gemutmaßt worden. Am Abend sei er plötzlich derart wütend gewesen, dass er Teile der Hotel-Einrichtung zusammengeschlagen habe. "Ich war schockiert über mich selbst". Derartiges sei ihm nie zuvor passiert. Um die Sache zu klären, habe ihm der Seminarleiter später für 80 Euro eine Einzelsitzung verkauft - wie jedem anderen Teilnehmer auch. "Reine Geldmacherei", sagt Erhardt. Betz verweist darauf, dass es auch kostenlose Angebote gebe.
"Helfen und retten wollen schwächt den anderen"
Und Betz sagt, dass seine Seminare intensive Erfahrungen seien und es teilweise zu heftigen emotionalen Reaktionen komme. "Aber diese Tränen wirken verjüngend, die holen die Schlackstoffe raus, wie auf einer Beauty Farm", scherzt er während seines Vortrags.
Im Anmeldeformular steht die Klausel, dass der Buchende selbst die Verantwortung für die "Tiefe des Sich-Einlassens" übernehme und den Veranstalter von jeglicher Schadensersatzforderung entbinde. Dies sichert Betz juristisch ab - und entspricht seinem Leitsatz, dass jeder für sein eigenes Glück wie auch Unglück verantwortlich sei. Somit dürfe in diesem Leben auch niemand als Opfer bezeichnet werden. Wer sich als solches fühle, gebe fälschlicherweise anderen die Schuld für sein Leiden. Zudem rät Betz, sich nicht in anderer Leute Probleme einzumischen: "Helfen und retten wollen schwächt den anderen meist und verlängert sein Leiden", schreibt er in einem Internet-Beitrag.
Tausende Euro teure "Therapeuten-Ausbildung"
Jörg Erhardts Frau hängt dem Lübecker zufolge weiter an Betz und dessen Ideen. Sie absolviere derzeit eine Tausende Euro teure "Ausbildung" zur "Transformations-Therapeutin". Mehrere Wochen verbringe sie in Seminaren. Wie Erhardt berichtet, wurde den Teilnehmern während eines Aufenthaltes auf der griechischen "Kraftinsel Lesbos" dringend geraten, nicht mit Angehörigen zu telefonieren. Betz sagt, es handle sich um eine sinnvolle Empfehlung, die den Prozess der Selbsterfahrung und Selbstentwicklung sehr unterstütze.
"Völlig gehirngewaschen" sei seine Frau zurückgekehrt, berichtet Erhardt. Jegliche Form von Kritik an Betz blocke sie seither ab. Wie Hunderte weitere "Transformations-Therapeuten" und "Coaches", die bereits auf Betz' Internet-Seite verzeichnet sind, will auch sie demnächst Klienten "aus Lebenskrisen hinausführen". Nach wissenschaftlich geprüften Belegen für diese "neuartige Form der Psychotherapie", wie sie auf Betz' Internetseite genannt wird, sucht man vergeblich. Vielmehr soll es sich um ein Verfahren handeln, das Betz "auf der Basis von Botschaften der Geistigen Welt" entwickelt habe. Die wesentliche Quelle liege dabei in ihm selbst, "in einem alten Wissen als Lehrer, das nicht aus diesem Leben stammt."
Am Ende singen alle "Hallelujah"
Als Betz im CCH am Ende seines Vortrags angelangt ist, stehen die Leute auf. Sie applaudieren und jubeln. Zum Abschluss singen alle gemeinsam "Hallelujah". Zwar handelt es sich um die deutsche Version des Siegertitels beim Grand Prix d'Eurovision 1979. Trotzdem klingt es wie in einer Kirche.
- Teil 1: Millionen-Umsatz mit Glücksrezepten und Engels-Botschaften
- Teil 2: Für Tausende Euro zum "Transformations-Therapeuten"