Stand: 19.05.2020 12:06 Uhr

E-Autos: Zu wenige Ladesäulen bei Unternehmen

von Nils Naber, Björn Siebke

In zehn Jahren soll es in Deutschland bis zu zehn Millionen Elektro-Autos geben. So sieht es das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung vor. Aktuell gibt es allerdings gerade mal rund 137.000 reine Elektro-Autos (Stand Januar 2020).

Die Entscheidung, ob man sich ein E-Auto anschafft, hängt auch davon ab, wie einfach man sein Auto aufladen kann. Im Moment liegt der Fokus noch auf den rund 27.730 öffentlich zugänglichen Ladepunkten, die besonders in den großen Städten an Straßenrändern und Parkplätzen immer mehr werden.

80 Prozent der Ladevorgänge nicht im öffentlichen Raum

Doch laut dem Branchenverband BDEW finden hierzulande mehr als 80 Prozent der Ladevorgänge gar nicht an den öffentlich zugänglichen Säulen, sondern zu Hause oder am Arbeitsplatz statt. Über diese private und gewerbliche Ladeinfrastruktur weiß man in Deutschland wenig. Es ist unbekannt, wie viele Ladepunkte in privaten Garagen hängen. Es ist auch nicht statistisch erfasst, wie viele Lademöglichkeiten auf den Parkplätzen von Unternehmen für Kunden und Mitarbeiter zur Verfügung stehen.

Dabei kommt besonders den Lademöglichkeiten auf Betriebsgeländen eine große Bedeutung zu, meinen viele Experten wie beispielsweise Bastian Pfarrherr von Stromnetz Hamburg. "Wenn ich mit dem Fahrzeug zur Arbeit fahre, es tagsüber dort parke und laden lasse, kann ich abends mit einem vollen Fahrzeug nach Hause fahren. Ich spare mir im Prinzip die private Infrastruktur, und ich muss auch die öffentliche Infrastruktur nicht nutzen, wenn ich regelmäßig die gewerbliche meines Arbeitgebers nutzen kann."

Hälfte der Ladesäulen bei zehn Unternehmen

Im Rahmen einer Recherche von Panorama 3 und Hallo Niedersachsen wird nun erstmals öffentlich, wie viele Ladepunkte die größten Unternehmen im Norden für Mitarbeiter und Kunden anbieten. Anfang Januar dieses Jahres standen rund 2.700 Ladepunkte zur Verfügung. Davon entfiel allerdings die Hälfte auf nur zehn Unternehmen.

Allein Volkswagen hatte zum Zeitpunkt der Abfrage im Norden 665 Ladepunkte, gefolgt von den Stromnetzbetreibern Avacon aus Niedersachsen (199), swb AG Bremen (160), Stromnetz Hamburg (120) und Hansewerk aus Schleswig-Holstein (102). Das geht aus einer Umfrage unter den 437 größten Unternehmen im Norden hervor, auf die 60 Prozent der Unternehmen antworteten.

Die meisten Unternehmen hatten nur zehn Ladepunkte und weniger. 27 Prozent der Unternehmen, die Zahlen geliefert haben, hatten überhaupt keinen Ladepunkt. Als Gründe nennen Unternehmen auf die NDR Anfrage beispielsweise man "sehe keine Notwendigkeit zur Errichtung von Ladesäulen", "Aufstell- und Unterhaltskosten der Ladesäulen (sind) nicht wirtschaftlich", "Förderanträge zum Ausbau der Elektroladeinfrastruktur sind sehr langwierig".

Viele Unternehmen wollen die weitere Entwicklung beim Aufbau der Elektromobilität beobachten und Investitionen prüfen. Offenbar scheuen viele Betriebe die Kosten, die mit dem Aufbau einer Ladesäule verbunden sind. Anfang Januar wollten ungefähr 50 Prozent der Unternehmen, die Daten geliefert haben, perspektivisch bis 2022 keine weitere Normalladesäule aufstellen.

Bis zu hundertmal so viele Ladepunkte benötigt

Ein VW wird mit Strom betankt. © dpa-bildfunk Foto: Sebastian Gollnow
Immerhin: Volkswagen plant nach eigenen Angaben 3.500 neue Ladesäulen.

Das passt nicht zur Erwartung von Experten wie Pfarrherr. Nur für Hamburg rechnet er "sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich mit 50.000 bis 100.000 Ladepunkten in den nächsten Jahren". Öffentlich verfügbar sind in Hamburg momentan rund 1.000 Ladepunkte. Selbst Steffen Bilger, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, meint, "es passiert viel an viele Stellen, aber wir wissen, dass wir deutlich mehr machen müssen, wenn wir wirklich zehn Millionen Elektrofahrzeuge im Jahr 2030 mit Strom versorgen wollen in Deutschland."

Immerhin ein Unternehmen prescht vor: Volkswagen. "Wir planen dreieinhalbtausend Ladepunkte innerhalb der Marke VW in Deutschland" in den kommenden Jahren, erklärt Martin Roemheld, Leiter E-Mobility Services bei VW.

Beim weltgrößten Autokonzern rechnen sie trotz der Corona-Krise mit einem nahen Durchbruch beim Absatz der E-Fahrzeuge. Bis Mitte der 2020er-Jahre sollen weltweit mehrere Millionen E-Autos pro Jahr vom Band laufen. Die rund 137.000 reine Elektroautos, die aktuell in Deutschland unterwegs sind, entsprechen einem Anteil von 0,3 Prozent aller Pkw.

Mitarbeit: Marvin Milatz.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 19.05.2020 | 21:15 Uhr

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