"Sylter Garage" - Kampf gegen illegale Ferienwohnungen an der Küste
Auf Sylt versuchen viele, so viel Wohnraum wie möglich in Ferienwohnungen umzuwandeln - überlassen etwa ihr Haus Urlaubern und ziehen selbst in die ausgebaute Garage. Diese Praktik scheint ihnen jetzt auf die Füße zu fallen. Denn die Nutzungsänderung hätte das Amt genehmigen müssen.
"Das kann so nicht weitergehen", sagt Rentnerin Helga Schmidt. Sie lebt in Wenningstedt auf der Insel Sylt. Und sie beobachtet, wie das Verhältnis von Wohnraum für die Urlauber und Wohnraum für Insulaner sich verändert hat. Mehr als 37.000 Urlauber-Betten gibt es auf der Insel. Doch es leben nur etwa 18.000 Menschen dauerhaft hier.
Vor 20 Jahren hat sich Helga Schmidt eine kleine Wohnung in einem Reihenhaus gekauft. Es gibt in ihrem Haus sechs Wohnungen im Erdgeschoss und sechs Wohnungen im ersten Stock. Doch ihr kleiner Garten ist der einzige, in dem Pflanzen wachsen. Denn Helga Schmidt ist die einzige im ganzen Haus, die hier fest wohnt. Alle anderen Wohnungen sind Ferienwohnungen. Und auch dieses Jahr werden wieder mehr als 700.000 Urlauber auf Sylt erwartet.
System von "Schwarznutzung" etabliert
In den 60er-Jahren ist Sylt zur Insel der Reichen und Schönen geworden. Seitdem haben viele auf der Insel versucht, so viel Wohnraum wie möglich in Ferienwohnungen umzuwandeln. Es gibt einen festen Begriff dafür, erzählt Helga Schmidt: die "Sylter Garage". Man baut die Garage aus und zieht dort selbst ein. Aus dem Haupthaus werden möglichst viele Ferienwohnungen.
Doch genau diese Art von kreativem Schaffen von Übernachtungsplätzen für Urlauber scheint vielen Syltern und Investoren nun auf die Füße zu fallen. Denn diese Nutzungsänderung von Wohnungen zu Ferienwohnungen hätte das Amt genehmigen müssen. Möglicherweise ist das im Zuge der Goldgräberstimmung seinerzeit vergessen worden. Und so hat sich über Jahrzehnte ein System von "Schwarznutzung" etabliert, sodass mancher Investor gar nicht wusste, dass er eigentlich ein Wohnhaus und kein Ferienhaus gekauft hat. Oder dass in Neubaugebieten viele der Bauten gleich als Ferienhaus angelegt waren, obwohl die Gebiete im Bebauungsplan als reines Wohngebiet ausgewiesen sind.
Bebauungspläne von Sylt, Amrum, Föhr und St. Peter-Ording werden überprüft
Doch mit der Goldgräberstimmung scheint es auf Sylt nun erst mal vorbei zu sein. "Ich vertrete Recht und Gesetz. Mehr mache ich nicht. Dass das nicht für jedermann leicht ist, das ist in der Natur der Sache", sagt Burkhard Jansen. Er ist der Baurat des Landkreises Nordfriesland und damit auch für Sylt zuständig. Jansen hat einen Zehnjahresplan aufgestellt. In diesem Zeitraum will er alle Bebauungspläne von Sylt durchgehen. Um nachzuprüfen, ob die dort jeweils vorhandenen Ferienwohnungen rechtmäßig sind. Doch er will nicht nur die Bebauungspläne von Sylt prüfen, sondern auch die von Amrum, Föhr und St. Peter-Ording. Die ersten Nutzungsuntersagungen für Ferienwohnraum auf Sylt hat Jansen bereits verhängt.
Gemeinde beklagt Einbußen
Für den stellvertretenden Bürgermeister der Gemeinde Sylt, Carsten Kerkamm, kann das weitreichende Folgen haben: "Das kann zu einer massenhaften Vernichtung von Ferienwohnungen führen. Wenn wir dann ein Drittel der Wirtschaftseinnahmen einbüßen, heißt das, für die Kommune ist das dramatisch." Er hätte sich gewünscht, dass der Landkreis sein Handeln früher angekündigt hätte. Aber er räumt auch ein, dass es in Wohngebieten auch Ferienwohnungen gibt, die dort nicht sein dürfen.
Silke von Bremen von der Bürgerinitiative "Merret reicht's" sieht in der ganzen Entwicklung eher eine Chance für die Insel. "Weil so Wohnraum an die Insel zurückgeben werden kann. Dort könnten Sylter wohnen, die jetzt pendeln müssen", sagt sie. "Was immer auffälliger war, dass die Sozialstruktur um uns herum sich verliert. Also Frauen ihre Kinder nicht mehr auf Sylt zur Welt bringen können. Wie viele Jobs muss ich annehmen, um die Miete zahlen zu können? Wir müssen Menschen vor Ort haben, und wir müssen sie halten", so Silke von Bremen.
Illegale Ferienwohnungen im Norden
Doch wie sieht es damit in Norddeutschland insgesamt aus? Panorama 3 hat bei allen Landkreisen und kreisfreien Städten nachgefragt. Gibt es dort zweckentfremdete illegale Ferienwohnungen? Fast alle haben geantwortet. Ergebnis: Zum einen scheint das ein Problem der Urlaubsgebiete zu sein. Landkreise wie Segeberg, Gifhorn oder Verden melden gar keine illegale Ferienwohnung. Oder, so wie die Landkreise Celle, Diepholz und Cuxhaven, nur einige wenige.
Dann gibt es die Ausnahmeerscheinungen wie den Landkreis Pinneberg, der eigentlich mit der Frage nach illegalen Ferienwohnungen nichts zu tun hätte, wenn nicht Helgoland zum Landkreis gehören würde. Die Großstadt Hamburg meldet 145 illegale Ferienwohnungen. In Mecklenburg-Vorpommern verzeichnet der Landkreis Vorpommern-Rügen mehr als 650 illegale Ferienwohnungen. In 356 Fällen ist bereits eine Nutzungsuntersagung als Ferienwohnung erteilt worden.
Der Nachbarlandkreis Vorpommern-Greifswald hingegen, ebenfalls sehr touristisch mit langer Ostseeküste und der Ferieninsel Usedom, konnte zu der Frage der illegalen Ferienwohnungen keine Angaben machen. Das Problem sei zwar bekannt, es gebe aber keine Statistiken dazu. Ähnliches ergeben auch die Antworten der Landkreise Wittmund und Aurich. Beide teilen sich die meisten der ostfriesischen Inseln. Der Landkreis Wittmund weiß auf seinem Gebiet von 55 illegalen Ferienwohnungen. Der Landkreis Aurich führt dazu keine Statistik. Vielleicht ist auch das Teil des Problems. Dass keiner, wie letztlich auf Sylt, zu genau hingucken möchte, weil das Geschäft einfach zu gut läuft.
Baurat: vierstellige Zahl von Wohnungen auf Sylt betroffen
Dass ein Landkreis wie Nordfriesland jetzt jeden einzelnen Bebauungsplan durcharbeitet, ist neu. Kreisbaurat Burkhard Jansen sagt: "Wenn wir es nicht machen, wird dieser Umbruch zugunsten von Ferienwohnungen massiv weitergehen." Jansen geht davon aus, dass er allein auf Sylt vielen Wohnungen mittelfristig eine Nutzung als Ferienwohnung untersagen muss. "Für die Insel Sylt müssen wir davon ausgehen, dass es eine vierstellige Zahl ist. Und diese vierstellige Zahl wird wohl nicht mit einer Eins beginnen."