Streit über Brandschutz: Lübecker Pflegeheim vor dem Aus?
Weil der Brandschutz nicht mehr genügt, will die Stadt Lübeck das Heiligen-Geist-Hospital schließen. Die Mehrheit der Bürgerschaft hingegen möchte die Pflegeeinrichtung sanieren und setzt sich für den Weiterbetrieb ein. Über den richtigen Weg wird nun gestritten.
In Lübeck, mitten in der berühmten Altstadt, steht es seit über 700 Jahren: das Heiligen-Geist-Hospital. Kein Krankenhaus, sondern ein 1286 von reichen Kaufleuten gestiftetes Wohn- und Pflegeheim für alte Lübecker. Dieses Stiftungsziel verfolgt die Einrichtung über all die Jahrhunderte durchgängig bis heute - einmalig in Europa, wenn nicht weltweit. Doch am 30. September dieses Jahres könnte damit Schluss sein. Zumindest, wenn es nach der Stadtverwaltung geht. Denn die hat in dem Gebäude einen derartigen Mangel an Brandschutz festgestellt, dass das Heim in dem Gebäude nicht weiter bestehen könne.
Handfester politischer Streit
Um die Zukunft des Heiligen-Geist-Hospitals ist in Lübeck inzwischen ein handfester politischer Streit entbrannt. Während Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) und die Stadtverwaltung die Pflegeeinrichtung wegen des nicht ausreichenden Brandschutzes schließen möchten, kämpft eine deutliche Mehrheit der Bürgerschaft für den Fortbestand. Im Kern geht es darum, ob die Mängel des Gebäudes im laufenden Pflegebetrieb per Sanierung behoben werden können. Die Abgeordneten fühlen sich jedoch auch vom Bürgermeister schlecht informiert. Dies gipfelte jüngst in einer Rüge für Lindenau durch den Hauptausschuss der Bürgerschaft.
Bürgerschaft erst nach Monaten informiert
Dass der Brandschutz in der Pflegeeinrichtung auf den neuesten Stand gebracht werden muss, ist schon seit Längerem bekannt. Bereits 2019 wurden im Rahmen einer Begehung durch die Feuerwehr vor Ort Mängel festgestellt. Basierend auf einem daraufhin entstandenen Brandschutzkonzept eines renommierten Lübecker Gutachters erteilte die Stadt Lübeck 2021 eine entsprechende Baugenehmigung. Im März 2022 befasste sich die Stadtverwaltung samt Bürgermeister in Abstimmungsgesprächen mit der Zukunft des Heiligen-Geist-Hospitals. Panorama 3 liegen dazu Unterlagen vor. Die Runde kam damals überein, einen Aufnahmestopp zu verhängen. Eine weitere Nutzung des Gebäudes müsse diskutiert werden, heißt es weiter. Deutlich wird darauf hingewiesen, "dass die Bürgerschaft als entschlussfassendes Organ zeitnah zu informieren ist". Geschehen ist dies jedoch erst Monate später, im November 2022. Und das wohl auch eher nebenbei. "Es gab eine 15-seitige Vorlage über die Zukunft der städtischen Senioreneinrichtungen insgesamt. Da gibt es viele Baustellen und es ist viel zu tun", sagt der Grünen-Politiker Axel Flasbarth. "Und auf den Seiten sieben oder acht wurde dann gesagt: Wir schließen das Heiligen-Geist-Hospital."
Bewohner und Angehörige erfahren es aus der Zeitung
Auch die Bewohnerinnen und Bewohner des Heiligen-Geist-Hospitals fühlen sich unzureichend informiert. Waltraut Schulken lebt dort. Seit 2015 hat sie in einem der sechs, teilweise mit gotischen Laubengängen verbundenen Häuser ein Zimmer gemietet. Und darin möchte sie gerne wohnen bleiben. "Ich bin ja schon 89. Ich möchte mich nicht noch einmal umgewöhnen", sagt sie. Dass sie überhaupt hier ausziehen soll, das hat sie, wie alle Bewohner und Angehörigen im November 2022 aus der Zeitung erfahren. Allein das schon macht ihre Schwiegertochter Birga Alheid wütend. "Ich finde das eine Unverschämtheit. Ich finde, so geht man mit alten Menschen nicht um!"
Panorama 3 hat Bürgermeister Jan Lindenau gefragt, wie er zum Empfinden der Betroffenen steht. Er sagt: "Also, dass das alle aus der Zeitung erfahren haben, kann ich nicht nachvollziehen, denn es gab entsprechende Informationen an die Mitarbeiter im Vorwege per Rundschreiben, bevor Presseerklärungen abgegeben worden sind." Die Reihenfolge in der Kommunikation sei immer so eine Sache. "Würden wir erst die Bewohner informieren und danach die politischen Gremien, gäbe das auch Kritik."
Vorwurf der Arbeitsverweigerung
Im Februar dieses Jahres beschloss die Lübecker Bürgerschaft, dass die Stadtverwaltung alles unternehmen möge, um das Heiligen-Geist-Hospital zu retten. Seitdem hat sich in der Angelegenheit wenig getan. Dies kritisiert die CDU-Abgeordnete Michelle Akyurt: "Es ist immer noch nichts passiert. Und das ist das, was wir dem Bürgermeister vorwerfen. Die Pläne liegen vor, die Konzepte liegen vor. Jetzt muss losgelegt werden, es passiert nichts. Und das ist Arbeitsverweigerung." Zu diesem Vorwurf sagt Lindenau gegenüber Panorama 3: "Das Kernproblem ist, dass die Grundlage für die Genehmigung der damals schon in den Vorjahren aufgenommene bauliche Zustand dieses historischen Gebäudes war." Als die Bauvorbereitung für die Umsetzung dieser Baugenehmigung stattgefunden habe, wurden Wandöffnungen vorgenommen. Man habe Kabelschächte geöffnet und andere Dinge mehr. "Man hat man dann im Rahmen dieser vorbereitenden Maßnahmen eben zusätzliche neue, schwierige Brandlast-Situationen feststellen müssen", sagt Lindenau.
Birga Alheid hat inzwischen gemeinsam mit anderen Angehörigen eine Bürgerinitiative zur Rettung des Heiligen-Geist-Hospitals gegründet. Aufgeben wollen sie noch lange nicht. Der Klageweg wäre vielleicht noch eine Lösung. Dazu müsste die Stiftung, von der die Pflegeeinrichtung betrieben wird, die Lübecker Stadtverwaltung auf Umsetzung der Bürgerschafts-Beschlüsse verklagen. Aber das dürfte unwahrscheinlich sein. Denn der Vorsitzende der Stiftung ist Bürgermeister Lindenau. Er müsste sich dann selbst verklagen.