SPD lässt Homo-Paare im Stich
Es war ein gutes Thema für die SPD im Wahlkampf - die vollkommene Gleichstellung homosexueller Paare. Es versprach genug Abgrenzung gegen Konservative und ein progressives Image mit einer fortschrittlichen Familienpolitik. "100 Prozent Gleichstellung - nur mit uns!", so der viel versprechende Slogan der Sozialdemokraten. Immerhin ist die Gleichstellung in Großbritannien aber auch in Portugal und Spanien längst Alltag.
Verliebt, verlobt, verpartnert
Was für eine schöne, neue Welt, mögen sich viele Betroffene gedacht haben: Homosexuelle Paare könnten gemeinsam Kinder adoptieren, die Benachteiligungen durch viele Gesetze, bei Freibeträgen und Förderprogrammen würden fallen, und Schwule und Lesben dürften endlich auch wirklich heiraten.
Bisher gibt es ja lediglich die sogenannten eingetragenen Lebenspartnerschaften, doch die sogenannten Lebenspartner würden genauso gern "meine Frau" oder "mein Mann" sagen wie Heteros. Streng genommen aber ist das falsch, die Lebenspartner sind eben nur Lebenspartner, sie sind verlebenspartnert und nicht verheiratet und eben keine Eheleute.
Erst Kernanliegen, dann Verhandlungsmasse
"Ich werde im Steuerbescheid auch als Ehefrau bezeichnet, obwohl ich mich bisher nicht dem weiblichen Geschlecht zugehörig gefühlt habe", spottet auch Reinhold Robbe. Der SPD-Mann saß bis 2005 für seine Partei im Bundestag, war anschließend Wehrbeauftragter und ist seit 2011 mit seinem Lebenspartner verpartnert. "Auf dem Papier gibt es noch immer Riesenunterschiede, und insbesondere mit Blick auf die rechtliche Situation gibt es noch immer gewaltige Defizite, die die neue Bundesregierung schnellstens beheben muss", fordert Robbe.
Doch so schnell soll es dann vielleicht doch nicht gehen. Galt die Homo-Ehe kurz nach der Bundestagswahl noch als der große Zankapfel in den Sondierungsgesprächen zwischen Union und SPD, so war der große Streit am Ende nicht vom Tisch, sondern das große SPD-Wahlkampfthema einfach ganz unter den Tisch gefallen. Und die damalige Verhandlungsführerin Manuela Schwesig wurde trotzdem Ministerin. "Wenn man sich den Koalitionsvertrag anschaut, die 185 Seiten bedrucktes Papier, dann ist dieser doch sehr magere Abschnitt über die Gleichstellung und über die Absichten der Koalition sehr, sehr dürftig. Das ist halbherzig und nicht akzeptabel", fällt Reinhold Robbes Urteil hart aus.
Schlecht kopiert
Und tatsächlich liest es sich, als hätte Schwarz-Rot die Passage aus dem Schwarz-Gelben Vorgängervertrag abgeschrieben: "Gleichheitswidrige Benachteiligungen (...) abbauen", wollte Schwarz-Gelb; "rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, (..) beseitigen", will Schwarz-Rot. "Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (…) umsetzen", wollten Union und FDP; "das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption zügig umsetzen", wollen Union und SPD.
Wohlgemerkt: Die völlig selbstverständliche Umsetzung eines höchstrichterlichen Urteils aus Karlsruhe wird tatsächlich im Koalitionsvertrag als gesondertes Projekt geführt. Ansonsten wollen die Großkoalitionäre lediglich noch auf manches "hinwirken", anderes "evaluieren" und wieder anderes "gegebenenfalls prüfen".
Darf's ein bisschen mehr sein?
"Mehr kriegen Sie nicht mit der Union, die Konservativen sind in dieser Frage wie vernagelt", sagt Johannes Kahrs von der SPD zerknirscht. Der Beauftragte für Schwule und Lesben in seiner Partei gibt zu bedenken: "Wenn Sie der kleinere Partner sind, kriegen sie nie alles."
Fortschrittliche Gleichstellungspolitik aber müsste wohl irgendwie anders aussehen. "Das ist schon eine Enttäuschung. Und es entspricht bestimmt nicht den Erwartungen der Menschen, für die sich die SPD im Wahlkampf noch mit Vehemenz eingesetzt hat", sagt Reinhold Robbe.