Risiko Radfahren: Auf der Straße wird es eng
Millionen von Menschen holen in diesen Tagen ihre Fahrräder aus den Kellern, um in Stadt und Land Radwege und Straßen zu nutzen. Immer beliebter bei älteren Menschen sind dabei Räder mit elektrischer Tretunterstützung, sogenannte Pedelecs oder E-Bikes. Mit ihnen können auch untrainierte Menschen selbst weitere Strecken gut bewältigen. Und das Radfahren mit Elektromotor boomt: Jährlich wachsen die Absatzzahlen dieser Modelle um zehn Prozent.
Mehr Radfahrer, mehr Unfälle
Die steigende Popularität des Radfahrens ist ganz im Sinne der Politik. Die Verantwortlichen in Städten und Kommunen wollen, dass immer mehr Menschen vom Auto aufs Fahrrad umsteigen und so umweltfreundlicher unterwegs sind. Auch für die chronisch verstopften Innenstädte bedeutet der Umstieg aufs Rad eine Entlastung. Aber es gibt auch eine problematische Seite dieses Trends: "Wenn wir mehr Radfahrer auf der Straße haben, werden wir mittelfristig auch mehr verletzte und getötete Radfahrer sehen", prognostiziert Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der deutschen Versicherungen.
Über 50 Prozent der Unfalltoten sind älter als 65
Eine Situation, die durch die starke Zunahme der E-Bikes womöglich verschärft wird. Denn vor allem ungeübte Radfahrer und ältere Menschen sind mit den schnellen Rädern oft überfordert. So ist jeder zehnte bei einem Unfall getötete Fahrradfahrer ein Pedelec-Nutzer, über 50 Prozent der Unfalltoten sind älter als 65 Jahre, so Brockmann. Um eine Trendwende bei der Anzahl der verletzten und getöteten Radfahrer zu erreichen, müssten neue Verkehrskonzepte entwickelt und umgesetzt werden, die derzeit aber noch vielerorts fehlen.
Dabei sieht man bereits in vielen Städten Veränderungen in der Verkehrsführung. Die Autofahrer müssen ihren angestammten Platz auf der Straße immer öfter mit den Radfahrern teilen. Statt auf dem Bürgersteig sollen Radler nun gleichberechtigt auf der Straße fahren. Verkehrsplaner versprechen sich davon viel. Der Radverkehr soll schneller vorankommen und auch die Unfallhäufigkeit soll so gesenkt werden. Durch die Sichtbarkeit der Radler in Nähe der Autos auf der Straße sollen die Unfälle an Kreuzungen, wo bislang Fahrradwege auf die Straße mündeten, reduziert werden.
Schwächstes Glied der Kette sind die Fußgänger
Theoretisch hört sich das gut an, aber praktisch werden diese Lösungen oft nicht angenommen. Gerade Kinder ab zehn Jahren und Senioren, die verpflichtet sind die Fahrbahn zu nutzen, fühlen sich unsicher durch die nah vorbeifahrenden Autos und Lkw. Die Folge: Radler nutzen nun häufig verbotenerweise den Gehweg, weil sie sich nicht auf die Straße trauen und die alten Fahrradwege abgeschafft wurden. Das aber birgt neue Gefahren und Konflikte.
Das Fazit von Unfallforscher Siegfried Brockmann ist daher eher ernüchternd: "Es ist eindeutig so, aus meiner Sicht, dass der Konflikt zwischen Radfahrern, Autofahrern und Fußgängern zunehmend rabiat ausgetragen wird. Und meiner Meinung nach zulasten des allerschwächsten Verkehrsteilnehmers, nämlich des Fußgängers."