Krabbenfischer in Existenznot
7 Uhr morgens auf der Nordsee, vor der Küste Ostfrieslands. Kapitän Carsten Noormann ist auf Krabbenfang. Er ist Fischer in vierter Generation und fährt seit über 30 Jahren zur See. Noormann ist froh, endlich wieder rauszufahren, denn acht Wochen konnten er und seine Kollegen gar nicht fischen - wegen Corona. 30 Prozent weniger Krabben konnten sie bis Juli fangen. Es gab zwar staatliche Hilfen, dennoch befürchten viele Fischer den Winter nicht zu überleben. "Man fühlt sich so ein bisschen alleine gelassen. Die Bauern werden mehr unterstützt. Oder bei der Automobilindustrie oder Lufthansa, da fließen Milliarden. Aber für die Fischer hier an der Küste ist irgendwie nichts über", bedauert Noormann.
Krabben werden größtenteils in Marokko gepult
Seit zwei Monaten dürfen sie wieder fischen und Krabben gibt es auch genug. Doch nun zeigt sich ein viel größeres Problem: das Pulen der Krabben. 90 Prozent der in Deutschland gefischten Krabben werden in Marokko mit der Hand gepult. Doch wegen Corona ist die Pulkapazität in Marokko um zwei Drittel gesunken. Noormann macht sich große Sorgen: "Wir wissen nicht, wie es in Marokko weitergeht. Es kann sein, dass wir morgen oder heute noch eine E-Mail kriegen: Marokko ist nächste Woche wieder zu. Es werden keine Krabben gepult, vielleicht kann der Händler nur eine kleine Menge gebrauchen, oder gar keine Krabben. Und das macht sich auch in Greetsiel bemerkbar."
Denn in Greetsiel liegen an die 30 Fischkutter, die meisten Deutschlands. Viele dürfen jedoch pro Woche nur 1,5 Tonnen Krabben mitbringen. Sie könnten deutlich mehr, doch die Händler nehmen ihnen nicht mehr ab. Beim allwöchentlichen Feierabendbier ist bei den Fischern hier die Situation in Marokko seit Wochen Thema und trübt die Stimmung: "Du hast mehr Unkosten als du einnimmst. Das funktioniert nicht auf Dauer. Wenn dann noch mal ne Pandemie kommt, dann ist Feierabend", erzählt einer der Fischer im Hafen. Doch was kann man tun, damit es nicht so weiter geht? Das Pulen zurück nach Deutschland bringen?
Eine Maschine könnte Abhilfe schaffen
Günter Klever und seine Tochter Christin haben da eine Idee. Eine Maschine, die die Krabben pult. "Unser Ziel ist: Das, was eine Dame an einem Tag schafft in zehn Minuten durchzubekommen. Wir reden davon, dass wir 300-400 Kilo mit einer Maschine an einem Tag machen können", glaubt Christin Klever. Doch noch gibt es die Maschine nicht. Christin Klever hat sie als Abschlussprojekt in ihrem Maschinenbau-Studium in Karlsruhe entwickelt. Sie hat viele Versuche damit gemacht. Inzwischen haben die Klevers auch ein Patent dafür angemeldet und könnten einen Prototypen bauen. Doch es fehlt Geld. Denn die Entwicklung würde eine knappe Million kosten. Darum haben sie eine Firma gegründet und beim Land Niedersachsen eine Förderung beantragt. Anfangs machte man ihnen dort auch Hoffnung. Doch dann bekamen sie wegen eines formalen Fehlers bei der Antragsstellung eine Absage.
Landesregierung: Keine Alternative zum Ausland geplant
Das Landwirtschaftsministerium Niedersachsen schreibt dazu auf Nachfrage von Panorama 3, man könne aus Datenschutzgründen keine Angaben zu den im Rahmen einzelner Fördervorhaben getroffenen Entscheidungen und rechtlichen Grundlagen sowie zu personenbezogenen Daten gegenüber Dritten machen. Aber es finde in der Regel ein intensiver Austausch mit den Antragstellern statt. Auf die Frage, was das Land Niedersachen tun will, um die lokale Entschälung zu stärken, auch im Hinblick auf eine Abhängigkeit von Pulstellen im Ausland, entgegnet das Landwirtschaftsministerium, es seien seitens der Landesregierung kurz- oder mittelfristig keine Alternativen zum Pulen im Ausland geplant.
Bei den Fischern in Greetsiel weckt die Maschine der Klevers große Hoffnungen. Denn es wäre ein möglicher Schritt, das Pulen zurück nach Deutschland zu holen. "Man muss überall seine Fühler ausstrecken, um das wieder ein bisschen unabhängiger zu machen", meint Carsten Noormann. Noch scheint das jedoch in weiter Ferne zu liegen.