Islamisten: Ermittlungen sorgen für Zulauf
Wer Islamisten rigoros bekämpft, darf auf Beifall hoffen. Je rigoroser das Vorgehen von Staatsanwaltschaft und Polizei, desto lauter der Beifall. Welche Tücken diese Gleichung mit sich bringt, zeigt der Fall Sven Lau. Der 33-jährige Islam-Konvertit aus Mönchengladbach sitzt seit Ende Februar in Untersuchungshaft. Die Vorwürfe gegen ihn haben mit Terrorismus zu tun. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart verdächtigt ihn, eine "schwere staatsgefährdende Gewalttat" vorbereitet zu haben. Das hört sich nach einem gewichtigen Vorwurf an, der es notwendig macht, schnell und rigoros einzuschreiten.
Nur "vage Anhaltspunkte" für Terrorismusverdacht?
Tieferes Schürfen wirft jedoch Fragen auf. Konkret heißt es von Seiten der Staatsanwaltschaft, Lau soll andere Deutsche "angestiftet" haben, "gegen die syrische Regierung zu kämpfen". Er habe Dritte animiert, von Deutschland aus Nachtsichtgeräte, Tarnkleidung und Geld nach Syrien zu bringen. Dass es sich bei dem "gefährdeten Staat" um das syrische Asad-Regime und nicht um die Bundesrepublik Deutschland handelt, ist dabei nur eine Skurrilität am Rande. Der Vorwurf des "Anstiftens" zu den genannten Taten wird sich nicht so leicht beweisen lassen. Und ob die Taten überhaupt strafbar sind, ist ebenso zweifelhaft.
Der Generalbundesanwalt, die höchste Instanz zur Verfolgung politisch motivierter Straftaten, meint, für den Terrorismusverdacht lägen allenfalls "vage Anhaltspunkte" vor. Deshalb hat der Generalbundesanwalt das Verfahren auch nicht wie in einem ernsten Fall üblich von der Staatsanwaltschaft Stuttgart übernommen.
Ermittlungen mobilisieren die Szene
Eine solche Einschätzung von höchster Stelle sollte die verantwortlichen Ermittler im Fall Lau eigentlich nachdenklich stimmen. Dennoch zeigt sich Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) überzeugt, dass Lau verurteilt wird: "Ich gehe davon aus, ja", sagt Gall auf die Frage, ob er denke, dass man dem Islamisten eine Schuld wird nachweisen können. Gall ist Dienstherr des baden-württembergischen Landeskriminalamts, das gegen Lau ermittelt. Doch wie das Verfahren ausgeht, ist derzeit völlig offen.
Inhaftierung mobilisiert die Szene
Klar ist nur, dass die Inhaftierung des Islamisten Sven Lau die Szene mobilisiert hat. Seit der Prediger mit den radikalen Ansichten im Gefängnis sitzt, läuft eine Solidaritätskampagne im Netz, in einigen Moscheen und vor allem auf der Straße. Lau ist in den Augen seiner Anhänger und Sympathisanten zum Märtyrer aufgestiegen, der vom deutschen Staat zu Unrecht drangsaliert wird. Der Fall bringt der Islamistenszene in Deutschland neuen Zulauf und Auftrieb. "Es konnte kaum was Besseres passieren", sagt der islamistische Prediger Pierre Vogel mit Blick auf die Inhaftierung seines engen Freundes. Falls Lau am Ende das Gefängnis oder den Gerichtssaal als freier Mann verlässt, müssen sich die Ermittler den Vorwurf gefallen lassen, sie hätten durch ungerechtfertigten Verfolgungseifer ausgerechnet jene Szene gestärkt, die sie eigentlich bekämpfen wollten.