Immer weniger Ärzt:innen bieten Schwangerschaftsabbrüche an
Die Zahl von Praxen und Kliniken, die Abbrüche vornehmen, geht seit Jahren zurück. Ein bundesweiter Trend, der sich auch in Norddeutschland zeigt. Fünfzig Jahre nach der Frauenbewegung und dem Kampf für Abtreibungen zeichnet sich ein düsteres Bild für ungewollt Schwangere in Deutschland ab.
In einigen Regionen Norddeutschlands gibt es nach Recherchen von Panorama 3 keine einzige Arztpraxis mehr, in der Abtreibungen vorgenommen werden. Viele Ärzt:innen aus der 68er-Zeit, die bisher aus politischer Überzeugung Abbrüche angeboten haben, gingen in den vergangenen Jahren in den Ruhestand. Viele Stellen bleiben jetzt unbesetzt.
Radikale Abtreibungsgegner:innen und katholische Landkreise
Und: Die Ärzt:innen, die Abbrüche durchführen, werden von radikalen Abtreibungsgegner:innen stigmatisiert, bedroht und angezeigt. Auch innerhalb der Ärzteschaft ist das Thema umstritten. Im Interview mit Panorama 3 erzählt eine junge Ärztin, dass Kolleg:innen ihr raten, an ihren Lebenslauf zu denken, denn sonst könne sie sich "eventuell nicht mehr in christlichen Häusern bewerben".
Außerdem lernen Medizin:studentinnen fast gar nichts über Schwangerschaftsabbrüche in ihrem Studium, deshalb musste die Ärztin sich in den Niederlanden ausbilden lassen. Die Ärztin arbeitet nun als eine von vielen Honorarärzt:innen im medizinischen Zentrum von Pro Familia Bremen. Ihre Kolleg:innen kommen aus den Niederlanden, das habe hier seit über 40 Jahren Tradition, erzählt Geschäftsführerin Monika Börding. Das Zentrum ist eine der wichtigsten Anlaufstellen in Norddeutschland und sucht seit Jahren eine Ärztin in Festanstellung.
Insgesamt ist die Zahl der Praxen und Kliniken, die Abbrüche durchführen von 2003 bis 2020 bundesweit um etwa 45 Prozent zurückgegangen - von 2.050 auf 1.109. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Auch in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sind es allein in den vergangenen drei Jahren etwa acht Prozent weniger geworden. In Niedersachsen gibt es vor allem in katholisch geprägten Landkreisen keine Ärzt:innen mehr, die Abtreibungen vornehmen. Frauen in Not müssen nach Oldenburg, Osnabrück oder Bremen fahren.
Zusatzbelastung für ungewollt Schwangere
Nach der sogenannten Beratungsregel sind Abbrüche in Deutschland bis zur zwölften Woche straffrei. Doch längere Wartezeiten und weite Wege erhöhen den Druck für ungewollt Schwangere, wie zwei Frauen gegenüber Panorama 3 berichten. Sie waren beide auf Hilfe von Freund:innen angewiesen, da sie keine Praxis in der Nähe ihres Wohnortes gefunden haben. Nach der Narkose durften sie nämlich kein Auto fahren: "Ich war einfach nur sehr, sehr froh, dass meine Freundin mit dem Auto kam. Ich konnte mir das echt nicht vorstellen nach dem Eingriff Zug zu fahren."
Kein Platz für Abtreibungen: Neues Krankenhaus in Flensburg
Aber nicht nur einzelne Ärzt:innen ziehen sich auch der Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen zurück. In Flensburg ist es sogar ein ganzes Krankenhaus: Hier planen die katholischen Malteser und die evangelische DIAKO eine hochmoderne neue Klinik, allerdings ohne ein Angebot für Abtreibungen.
Der Bau wird gefördert vom Land Schleswig-Holstein. Das schleswig-holsteinische Sozialministerium verweist allerdings auf die Stadt Flensburg, die mithilfe einer Arbeitsgruppe dabei sei "Strukturen aufzubauen und umzusetzen, die für das Angebot der Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregel auf dem zukünftigen Gesundheitscampus Peelwatt in Flensburg erforderlich sind."
Für einige Mitarbeiter:innen des DIAKO Krankenhauses, die bisher Abbrüche nach der Beratungsregel anbieten, ist diese Entwicklung ein Desaster: "Ich habe vor unserem Pastor geweint, warum die Klinik sich dem katholischen Glauben beugt und Frauen in Not den möglichen Eingriff verweigert."
Die Malteser beziehen sich auf Nachfrage von Panorama 3 auf ihre katholische Glaubenslehre. Das reiche aber im Fall des geplanten Krankenhauses nicht, bezweifelt die Verfassungsrechtlerin Anna Katharina Mangold, weil Malteser und DIAKO eben keine gemeinsame Glaubenslehre hätten.
Die Diakonie als Trägerin des DIAKO Krankenhauses spricht von einem "Kompromiss", der gefunden werden müsse, um das gemeinsame Krankenhaus zu ermöglichen. Sowohl Diakonie als auch die Stadt Flensburg bestätigen uns, dass man zur Zeit an einer Lösung arbeite.