Illegale Autorennen: Polizei und Anwohner machtlos?

Stand: 25.05.2021 17:44 Uhr

Zwei Kilometer schnurgerade Straße - gerade an den Wochenenden wird die Bremer Überseestadt zum Hotspot der Auto-Raser und -Poser. So schlimm, dass erste Anwohner überlegen wegzuziehen.

von Philipp Hennig, Mirco Seekamp

Bei der Schwerpunktkontrolle am 20. Mai hat die Polizei 24 Verstöße registriert, darunter war ein Fahrer, der mit 128 km/h in der 50er-Zone raste. "Wir stellen ein stetiges Wachsen der Szene in den vergangenen Jahren fest", sagt Polizeikommissar Gerrit Becker. Besonders durch das Aufheben der Corona-Ausgangssperre seien die Zielgruppen der Poser und Raser wieder vermehrt anzutreffen.

Die illegalen Straßenrennen vor ihrer Haustür ärgern Anwohner. Das Rentnerpaar Kerstin Hollmeyer und Karl-Heinz Rusch ist verzweifelt: "Das muss irgendwie eingestellt werden. Muss erst was passieren?"

"Wenn jemand auf die Straße rennt, ist es natürlich blöd"

Polizeikommissar Gerrit Becker
Die Szene der Auto-Raser wachse, erzählt Polizeikommissar Gerrit Becker.

Wir haben Gelegenheit, mit einem der Bremer Raser zu sprechen, seinen Namen aber will er nicht öffentlich nennen. Mit 400 PS unter der Haube ist er die Strecke schon mit bis zu 160 km/h langgerauscht. In der 50er-Zone wohlgemerkt, sagt er. "Dieser Geschwindigkeitsanreiz, schnell zu sein und zu sehen: Ich habe das gemacht und mein Auto ist schneller geworden. Das ist einfach ein schönes Gefühl."

Die Gefahr für andere spielt er dabei herunter: "Wenn das passiert und es rennt jemand auf die Straße, ist es natürlich blöd. Man kann dann vielleicht nicht mit ruhigem Gewissen weiterleben. Aber ich kenne die Person ja nicht."

Bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe für Gefährdung durch Rennen

Die Gesetzgebung hat illegale Straßenrennen seit 2017 stärker unter Strafe gestellt. Allein bei der Gefährdung durch solche Rennen sieht das Gesetz Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren und Geldbußen vor.

Viele Bundesländer haben jetzt Kontrollgruppen gebildet, wie die "Soko Autoposer", die solche Verstöße vermehrt in den Blick nehmen. In Niedersachsen hat sich die Zahl der Ermittlungsverfahren im Bereich Straßenrennen von 2019 auf 2020 fast verdoppelt, auf 200 Verfahren. Auch 2021 gibt es bisher schon 114 Verfahren. Rechtskräftige Verurteilungen gibt es im Jahr 2019 allerdings nur zwölf. Einige der Fahrer kritisieren diese Zahlen. Einer erzählt uns: "Das Problem ist, dass die Polizei einen ziemlich großen Spielraum hat, alles als Rennen zu sehen. Das finde ich totalen Quatsch."

"Die Gruppe ist nicht da, um Rennen zu fahren"

In der Autoszene kommen laut Polizei zwei Gruppen zusammen:  die Autoliebhaber und die Raser. Das stellen auch wir in Oldenburg fest. Bei einem Treffen unter der Autobrücke erzählt uns eine der Organisatorinnen, Karla: "Bei uns in der Gruppe sind welche dabei, die Rennen fahren. Aber die Gruppe ist nicht da, um Rennen zu fahren. Es geht in unserer Gruppe nur darum, sich über Autos auszutauschen und Kontakt zu haben." Rennen seien unerwünscht. Viele fahren getunte Sportwagen, andere unscheinbare Kleinfahrzeuge. "Da spielt es wirklich gar keine Rolle, was man ist, wer man ist, was man fährt, sondern es zählt nur die Begeisterung der Autos", erklärt uns einer der Organisatoren, Ramon.

Treffen auf Parkplatz in Wilhelmshaven

In Kolonne fahren sie weiter zu einem großen Treffen nach Wilhelmshaven. Hier fahren und stehen etwa 100 Pkw auf einem Parkplatz im Industriegebiet. Es wird gehupt, mal zu schnell gefahren oder auch wilde Manöver auf dem Parkplatz gedreht, aber viele erzählen uns, sie würden darauf achten, andere nicht zu gefährden. Solche Treffen auf Parkplätzen gibt es überall in Norddeutschland, seit der Corona-Pandemie hat die Zahl der Teilnehmenden zugenommen. "Früher waren wir vielleicht bei Freunden. Jetzt kann man nichts mehr machen. Deswegen fahren wir nur rum", erzählt ein junger Mann. Kurze Zeit später wird diese Veranstaltung von der Polizei aufgelöst, aufgrund der Versammlung während der Pandemie. Die Polizei erklärt, dass sie nur wenige Verstöße wegen Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt habe.

In der Bremer Überseestadt will die Polizei weiter mit Kontrollen gegen Raser vorgehen und die Situation mit dem Einsatz von zivilen Funkstreifenwagen besser in den Griff bekommen. Manchen Anwohner reicht das nicht. Sie überlegen, von hier weg zu ziehen.

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Ein Hamburger Polizist steht hinter einem Tempomessgerät. © dpa Foto: Axel Heimken

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 25.05.2021 | 21:15 Uhr

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