Gesetz blockiert: Weiter Leiharbeiter in der Fleischindustrie?
Die CDU will Leiharbeit in Schlachthöfen weiter zulassen. Wie groß ist der Einfluss, den die Fleischindustrie auf niedersächsische Abgeordnete hat?
Schluss mit den Missständen in der Fleischindustrie - als im Frühsommer ein Schlachthof nach dem anderen zum Corona-Hotspot wurde, herrschte darüber große Einigkeit. Fließbandarbeit dicht an dicht, prekäre Unterbringung der Beschäftigten und fehlende Verantwortung der Betreiber: die Probleme nicht neu, das Ausmaß der Empörung aber schon. Denn plötzlich waren ganze Landkreise betroffen, als das öffentliche Leben in Folge der Ausbrüche heruntergefahren wurde.
Eine Branche, die Milliarden umsetzt
Noch im Mai legte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Eckpunkte für einen Gesetzentwurf vor. Ein zentrales Ziel zu diesem Zeitpunkt: Werkverträge und Leiharbeit ab dem 01. Januar 2021 verbieten. Zustimmung kam aus dem Kabinett und aus dem Bundestag, auch aus der Union. Die Bundestagsabgeordnete Susanne Mittag (SPD) erinnert sich: "Wir debattieren über dieses Thema und über die Problematik seit zehn Jahren. Und insofern waren wir froh, das endlich regeln zu können." Mittag hat ihren Wahlkreis in Delmenhorst. Für die niedersächsische Wirtschaft spielt die Fleischindustrie eine wichtige Rolle: Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums gab es 2018 66 Schlachtbetriebe und 117 fleischverarbeitende Betriebe, die meisten davon im Nordwesten des Landes. Die ganz großen Akteure haben hier ihre Betriebe so wie Vion oder Danish Crown. Eine Branche, die jedes Jahr Milliarden umsetzt.
Kritik von der Gewerkschaft
Matthias Brümmer von der Gewerkschaft NGG kennt sich aus in der Branche. Er beschäftigt sich seit Jahren mit den gängigen Vertragskonstruktionen. Und mit den Fehlentwicklungen, die daraus seiner Meinung nach resultieren. Besonders problematisch sei, dass die Werkvertragsnehmer direkt abhängig seien vom Subunternehmer: "Das heißt also der Subunternehmer ist für sie zuständig, nicht nur im Bereich von Arbeit, sondern auch noch Unterkunft, teilweise bis hin zum Transport zur Arbeit und das der Schlachthofbetreiber sich jegliche Verantwortung entzieht."
Kehrtwende bei der CDU/CSU?
Diese Verhältnisse sollte das Arbeitsschutzkontrollgesetz unmöglich machen, so sah es der Entwurf vor, dem das Kabinett Ende Juli zustimmte. Allerdings: In der CDU scheint man mittlerweile anderer Meinung zu sein. Ende Oktober berichteten erste Medien über ein internes Papier aus dem Verband der Fleischwirtschaft (VDF). Darin heißt es: Abgeordnete der CDU/CSU hätten ihre Fraktionsspitze gedrängt, "das vollständige Verbot des Fremdpersonaleinsatzes abzuändern". Die zahlreichen Gespräche mit Bundes- und Landtagsabgeordneten "haben somit Wirkung gezeigt". Es sei "zunehmend unwahrscheinlich", dass das Gesetz zum Januar 2021 in Kraft trete. Tatsächlich ist das Gesetz von der Tagesordnung des Bundestags verschwunden. Bei den Gewerkschaften und dem Koalitionspartner SPD spricht man von Lobbyismus.
Davon könne keine Rede sein, heißt aus der CDU, sowohl von Bundes- als auch von Landtagsabgeordneten. Karl-Heinz Bley ist wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag. In seinem Wahlkreis, in Cloppenburg-Nord, liegen gleich mehrere Schlachthöfe. Lobbyismus zu unterstellen sei fehl am Platz, sagt er. Allerdings sei es generell so, "dass Politik mit Wirtschaft redet, auch mit Gewerkschaften und dass man dann in Gesprächen das Für und Wider beleuchtet und zur Aufklärung trägt das bei, damit man die richtigen Entscheidungen trifft. Und dieses hat im Vorfeld stattgefunden."
Die "richtigen Entscheidungen" sind in Teilen der CDU offenbar andere als jene im gemeinsame Eckpunkte-Papier des Kabinetts. Denn Leiharbeit will man nun doch nicht mehr verbieten: Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann betont, man müsse Leiharbeit erhalten, um flexibel auf Produktionsspitzen reagieren zu können, etwa in der Grillsaison. Der Entwurf von Arbeitsminister Heil gehe über die Eckpunkte hinaus, auf die man sich ursprünglich geeinigt habe.
Fleischindustrie scheint umzustellen
Matthias Brümmer warnt: Wenn Leiharbeit an die Stelle von Werkverträgen rücke, dann werde die Fremdbeschäftigung fortgesetzt. Und tatsächlich scheint die Fleischindustrie umzustellen: Panorama 3 liegen Verträge vor, die deutlich machen, dass dieselben Subunternehmer, die Werkverträge ausgeben, nun ebenfalls als Leiharbeitgeber fungieren. Damit könne sich ein Schlachthofbetreiber auch künftig aus der Verantwortung ziehen, wenn es beispielsweise um Missstände in der Unterbringung geht, warnt Brümmer.
Dabei war es die "organisierte Verantwortungslosigkeit", der Arbeitsminister Heil ein Ende setzen wollte. Damit das Gesetz zum 01. Januar 2021 kommt, müsste es noch in dieser Woche in den Bundestag. Bislang taucht es auf keiner Tagesordnung auf.