Geimpft oder gefälscht? Gefahr durch falsche Impfpässe
Ob Fußballtrainer oder Pflegekraft - immer häufiger fliegen Menschen mit gefälschten Impfdokumenten auf. Das Geschäft mit den gefälschten Corona-Impfzertifikaten boomt - auch in Norddeutschland.
Apotheker wie Sven Villnow aus Hamburg-St.-Georg spielen beim Aufspüren gefälschter Impfpässe eine wichtige Rolle. Täglich kommen 50 bis 60 Menschen bei ihm vorbei, um sich ein digitales Impfzertifikat ausstellen zu lassen. Mittlerweile hat er einen Blick dafür entwickelt, sollte etwas nicht stimmen: "Wenn die Menschen ein bisschen aufgeregt sind und nicht in sich ruhen. Wir haben auch schon Leute mit Angstschweiß gehabt", sagt Villnow.
Im Zweifelsfall werden die Ärzte kontaktiert, bei denen die Corona-Impfung angeblich stattgefunden hat. Dann wird die Polizei informiert. Manche Fälschungen werden in Villnows Apotheke in einem Ordner abgelegt - auch um daraus zu lernen.
Mehr als 12.000 Verdachtsfälle bundesweit
Bundesweit zählten die Polizeibehörden bis Mitte Januar mehr als 12.000 Verdachtsfälle, in denen es um gefälschte Impfdokumente ging. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa die Hälfte davon in Apotheken entdeckt wurde. Wer mit einem gefälschten Impfpass erwischt wird, dem drohen inzwischen hohe Strafen.
Dennoch geht der Handel mit den Dokumenten weiter. Bereits im Herbst 2021 haben wir einen Impfpassfälscher getroffen. Er verkauft die Papiere in seinem Bekanntenkreis. Dass er damit Menschen in Gefahr bringt, scheint ihn nicht groß zu kümmern: "Wenn einer, der mir nahesteht, Corona bekommt, dann hätte ich vielleicht ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Aber ich kenne bisher noch niemanden, der wegen Corona im Sterben lag." Die Einführung von 3G am Arbeitsplatz und 2G in der Gastronomie hat wohl auch die Nachfrage gesteigert. Mit falschen Impfpässen gehandelt wird vorwiegend im Internet. Bei unserer Recherche finden wir beispielsweise im Messengerdienst Telegram Angebote zuhauf.
Fehlende Sicherheitsmerkmale in Impfausweisen
Wir haben die Polizei im Norden gefragt, inwieweit sie das Phänomen der Impfpassfälschungen vor neue Herausforderungen stellt. Das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen schreibt uns, dass das Fälschen von Impfausweisen wegen fehlender Sicherheitsmerkmale ohne größere Hilfsmittel möglich sei. Vom LKA in Mecklenburg-Vorpommern erfahren wir, dass die Ermittlungen mitunter aufwendig und schwierig seien, da es für Impfpässe keine zentrale Überprüfungsmöglichkeit gebe. Die Bremer Innenbehörde antwortet: "Die umfangreichen Ermittlungen und auch Durchsuchungsmaßnahmen zu diesem neuen Phänomen binden die Ermittlungsdienststelle und auch weitere Kräfte der Polizei Bremen in einem besonderen Maße." Hamburg hat jetzt eine Sonderkommission und Lübeck eine Ermittlungsgruppe eingerichtet, um besser gegen die Impfpassfälscher und deren Kunden vorgehen zu können.
Kriminalbeamter: Ermittlungsarbeit sehr zeitaufwendig
Ob die Polizei mit Unterstützung der Apotheken den Impfpassfälschern so tatsächlich das Handwerk legen kann? Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter ist da skeptisch - vor allem wegen der notwendigen Ermittlungsarbeit. "Bei einem sichergestellten Handy dauert es 20 Monate, bis die Daten ausgewertet sind", sagt der Beamte. Und auch wenn die Apotheken beim Aufspüren der Fälschungen sehr wichtig sind: Um fälschungssichere Gesundheitszeugnisse zu schaffen, so Reinecke, bleibe zu wenig Zeit. "Bis dahin ist die Pandemie passé."
Welche Gefahr von Menschen mit gefälschten Impfpässen ausgeht, mussten Heike Fröchtling und ihre 87 Jahre alte Mutter erfahren. Diese lebt in einem Hildesheimer Pflegeheim. Wegen einer Lungenkrankheit muss Fröchtlings Mutter ohnehin vorsichtig sein. "Wenn die sich so ein Virus einfängt, das auf die Lunge geht, wird das für sie schwer, das zu überstehen." Kurz vor Weihachten kam es in dem Heim zu einem Corona-Ausbruch mit drei toten Infizierten Bewohnerinnen. Das Virus wurde offenbar von einer Mitarbeiterin mit falschem Impfpass ins Heim eingeschleppt. "Das macht mich sehr sauer und hilflos", sagt Fröchtling. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt wegen Totschlags gegen die Mitarbeiterin, die fristlos entlassen wurde.
Immerhin haben Apotheker wie Sven Villnow seit vier Wochen ein neues Werkzeug zur Hand: Sie können per Computer nun überprüfen, ob die im Impfpass vermerkte Charge wirklich zum angegebenen Zeitpunkt verimpft wurde.