Ermittlungen gegen private Seenotretter
Seit mehr als einem Jahr liegt das Schiff Iuventa in einem italienischen Hafen. Es wurde von den italienischen Behörden stillgelegt. Insgesamt mehrere Wochen haben Kathrin, Dariush und Hendrik auf dem umgebauten Kutter im Mittelmeer Flüchtlinge in Seenot gerettet. Bis das Schiff von den italienischen Behörden beschlagnahmt wurde. Jetzt wird gegen die drei ermittelt, den Seenotrettern drohen bis zu 15 Jahren Gefängnis.
Gefährliche Passage im Mittelmeer
Seit 2015 haben Hunderttausende versucht, über das Mittelmeer von Libyen nach Italien zu kommen. Doch der Seeweg ist gefährlich: Tausende haben den Traum von Europa mit ihrem Leben bezahlt. Weil staatliche Organisationen kaum eingriffen, machten Hilfsorganisationen mobil. 2016 schickte die Organisation "Jugend rettet" den Kutter Iuventa ins Mittelmeer. Mit einer Crew von Freiwilligen rettete die Organisation Flüchtlinge in Seenot. An Bord waren immer wieder auch Kathrin, Dariush und Hendrik. Insgesamt verbrachten die drei Freiwilligen mehrere Wochen auf der Iuventa. Für Hendrik eine Selbstverständlichkeit: "Ich habe einfach bestimmte Fähigkeiten, die da vor Ort gebraucht wurden. Und da war es für mich das Selbstverständlichste, das zu tun. Einfach weil ich die Privilegien hab mir die Zeit dafür zu nehmen, hinzufahren und die Organisationen, die da Seenotrettung betreiben, zu unterstützen." Von 2016 bis 2017 nahm die Iuventa rund 14.000 Flüchtlinge auf, die anschließend an größere Schiffe übergeben wurden. Alles in enger Absprache mit der italienischen Seenotrettung.
Kriminalisierung freiwilliger Helfer
Doch im August 2017 war plötzlich Schluss. Die italienische Polizei und Küstenwache durchsuchten die Iuventa, beschlagnahmten das Schiff anschließend. Seitdem wird gegen insgesamt zehn ehemalige Crewmitglieder ermittelt. Der Vorwurf: Beihilfe zur illegalen Einreise. Nach dem italienischen Strafrecht drohen den Betroffenen bis zu 15 Jahre Gefängnis. Konkret vorgeworfen wird den Beschuldigten, sich mit Schleppern abgesprochen zu haben. Kathrin, Dariush und Hendrik weisen das von sich. In der Tat beinhalten die Akten, die Panorama 3 einsehen konnte, Widersprüche. Professorin Sabine Hess vom Institut für Kulturanthropologie an der Universität Göttingen forscht seit Jahren zu Migration und Grenzen. Die Vorwürfe gegen die Besatzung der Iuventa hält sie für politisch motiviert: "Diese Art von Vorwürfen, dass Flüchtlingsunterstützer letztendlich Schmuggel selbst betreiben, beziehungsweise unterstützen, sind nicht neu. Sie sind alt, sie wurden immer wieder aus der Tasche geholt wenn es darum ging, zivilgesellschaftliche Flüchtlingsunterstützung zu unterbinden. Man kann sagen Italien hat da eine lange Praxis."
Andere Hilfsorganisationen ebenfalls betroffen
Doch nicht nur die Iuventa wurde stillgelegt. In den folgenden Monaten konnte kein Schiff von Hilfsorganisationen im Mittelmeer mehr retten. Zuletzt traf es die Aquarius von "SOS Mediterranée", "Ärzte ohne Grenzen". "Das Mittelmeer ist gerade ziemlich schiffsfrei, es finden keine Ausfahrten im großen Stil statt. Es wird nicht gerettet. Die italienische Küstenwache verbleibt in den italienischen Hoheitsgewässern und kommen Anrufe an die italienische Seenotleitzentrale - die handelt nicht. Man muss sich das so vorstellen, dass hier ein Notruf getätigt wird und es kommt kein Notarztwagen“, erklärt Professorin Sabine Hess. Offensichtlich nutze Italien die Kriminalisierung der Seenotrettung, um gegen die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union zu demonstrieren.
Betroffene bereuen Einsatz nicht
Ob und wann es in Italien zu einer Anklageerhebung kommt, ist bisher noch unklar. Eine Anfrage von Panorama 3 beantwortete das italienische Innenministerium nicht. Kathrin, Dariush und Hendrik bereiten sich jetzt auf einen Prozess vor. Ihren Einsatz als Lebensretter bereuen die drei nicht: "Wenn ich dafür ins Gefängnis muss, dass ich ein paar tausend Menschen das Leben gerettet habe, weiß ich, dass ich im Gefängnis jeden Tag in den Spiegel gucken kann und weiß, ich habe nichts falsch gemacht. Und ich bin im Recht und das System ist das Problem", sagt Dariush.