Corona und Psyche: Selbsthilfegruppen möchten sich treffen dürfen
Wie gehen wir mit den psychischen Folgen von Corona um? Therapeuten berichten, dass der Bedarf an Therapieplätzen steigt - gleichzeitig sind die Möglichkeiten viel eingeschränkter.
Nach dem Lockdown im März konnten sich Selbsthilfegruppen wieder Treffen, Heime wieder Besucher empfangen. Für Menschen, die einsam sind, oder an psychischen Erkrankungen leiden, ein Lichtblick. Doch nun drohen strengere Regelungen. Sie treffen sich seit neun Jahren, sind Freunde geworden - viel mehr als das. Sie sind wie eine Familie.
"Das ist wirklich ein geschützter Raum"
In der Selbsthilfegruppe von Tina und Stefan Loth in Garbsen treffen sich Menschen, die zusammen gegen Depression kämpfen. Sie sind einander im Alltag eine wichtige Stütze. Doch Corona hat vieles verändert. "Das heißt sich jetzt mit Abstand sich zu begegnen und das fällt vielen schwer, weil sie alleine sind, einfach nur mal umarmt zu werden, zu sagen, da ist Wärme, da ist Herz, das fehlt ganz stark", sagt Stefan Loth. "Das ist wirklich ein geschützter Raum, sie werden hier verstanden. Und das ist, glaube ich, das Wichtige an dem Ganzen, speziell bei dem Thema", ergänzt Tina Loth. Früher konnten sie sich in Räumen eines Vereines treffen. Doch der benötigt seit Corona und den neuen Abstandsgeboten seine Räume selbst. Deswegen traf sich die Selbsthilfegruppe privat. Doch seit Anfang der Woche ist auch das nicht mehr möglich, denn im Moment sind nur Treffen mit Menschen aus maximal zwei Haushalten erlaubt.
Corona und Einsamkeit eine große Belastung
Wenn die Selbsthilfegruppen als Stütze wegfallen, könnten es vielen wieder schlechter gehen und sie am Ende wieder eine Klinik besuchen müssen, fürchtet Dr. Bernhard Osen, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Corona sei für alle eine Herausforderung. "Genau die Dinge, die einen gesundhalten, werden aufs Extreme belastet. Das heißt, die Patienten, auch die Menschen allgemein, erleben eine hohe Stressbelastung. Und das führt zu einer Situation in der Krankheitssymptome auftreten können", so der Mediziner.
"Die Einsamkeit ist ein ganz großes Problem geworden, nicht nur finanziell hat sich viel getan im negativen Bereich, sondern der Radius ist für viele Menschen kleiner geworden", sagt Barbara Stolberg. Sie ist ehrenamtliche Helferin und organisiert Treffen für Senioren in Delmenhorst. Das ist nun nicht mehr möglich. Die Stadt hat eines der höchsten Inzidenz-Werte im Norden. Sie befürchtet, dass viele Senioren von der Einsamkeit in die Depression rutschen.
Tina und Stefan Loth hoffen, dass es für Selbsthilfegruppen Ausnahmen geben könnte und sie sich weiter auch in privaten Räumen treffen dürfen. "Ich finde es systemrelevant, dass sich Selbsthilfegruppen weiter treffen dürfen, im geschützten Rahmen und unter Hygieneauflagen, das würde irgendwie funktionieren. Damit ein Austausch und ein Miteinander weiter möglich ist", appelliert Stefan Loth. Den Kontakt zur Gruppe wollen sie trotzdem halten, nun per Telefon. Ihr Ziel: Auch diesen Shutdown zu überstehen - gemeinsam.