Antibiotika: Wunderwaffe bald wirkungslos?
Ein normales Leben - das hatte Alexandra A. nie. Seit frühster Kindheit funktioniert ihre Leber nicht richtig. Immer wieder muss sie in Behandlung. 2007 wurde ihr zum zweiten Mal ein neues Organ transplantiert. Doch auch das funktioniert nicht richtig - und bringt neue Probleme mit sich. Denn im angestauten Gallensekret von Alexandra A. siedeln multiresistente Keime.
Alle zwei bis drei Wochen bekommt sie Fieberschübe, muss mit Antibiotika behandelt werden. Doch die Keime in ihrem Körper sind bereits gegen fast alle gängigen Antibiotika resistent. Und ihre Ärzte befürchten, dass früher oder später auch die letzte Antibiotika-Gruppe versagen wird.
Immer mehr resistente Keime
Der jahrzehntelange, sorglose Umgang mit Antibiotika sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin hat dazu geführt, dass immer mehr Resistenzen entstanden sind. Mangelnde Krankenhaushygiene und die industrielle Tierproduktion ebnen den multiresistenten Keimen weltweit den Weg. Es fehlen schlicht neue, wirksame Antibiotika. Doch die Forschung ist extrem teuer und für die Pharmaindustrie wenig lukrativ. Denn auf anderen Märkten lässt sich mehr Geld verdienen. Mit der Entwicklung von Medikamenten gegen chronische Krankheiten zum Beipiel.
Forscher, wie der Mikrobiologe Dr. Peschel bringen es auf den Punkt: "Antibiotika helfen den Patienten in der Regel schnell, sie werden nur für kurze Zeit eingenommen. Das klingt nun zwar zynisch, ist aber nicht lukrativ für die Pharmaindustrie." Peschel warnt vor dramatischen Zuständen, falls keine neuen Antibiotika entwickelt werden: "Es kann durchaus sein, dass wir in zehn oder fünf Jahren bereits in einer Situation sind, wie sie vor dem Zweiten Weltkrieg war, wo wir keine Antibiotika hatten, wo wir an simplen bakteriellen Infektionen sterben können."
Soll der Staat Forschungsgelder bereitstellen?
Gesundheitsexperten fordern nun, dass der Staat finanzielle Anreize für die Pharmaindustrie schaffen müsse, damit diese sich wieder intensiver der Antibiotikaforschung widmet. Doch sämtliche Projekte in dieser Richtung stehen noch ganz am Anfang. Im Kampf gegen die multiresistenten Keime ist an der Uniklinik Schleswig-Holstein nun ein Pilotprojekt gestartet: Das Antibiotic Stewardship. Falls ein Patient ein Antibiotikum verabreicht bekommen soll, tritt vorab ein Team aus Arzt, Apotheker und Mikrobiologe zusammen, um gemeinsam zu erörtern, ob es wirklich keine Alternative zum Antibiotikum gibt. Das ist bisher einmalig in Deutschland.
Ziel ist es, den Einsatz von Antibiotika massiv zu reduzieren. Für eine abschließende Beobachtung ist das Projekt noch zu jung, doch alle Beteiligten sind zuversichtlich, dass der Einsatz von Antibiotika durch das Projekt erheblich gesenkt werden könnte. Für die kranke Andrea A. kommen solche Projekte zu spät. Ihr Körper ist von den multiresistenten Keimen befallen und helfen kann ihr nur noch eine neue Leber. Doch falls sie diese nicht bekommt, könnten die Antibiotikaresistenzen eines Tages ihr Todesurteil bedeuten.