Alte Autoreifen: Ärger um illegale Deponien
Über 8.000 Tonnen Altreifen sollen sich auf einem Privatgelände in Groß Offenseth-Aspern im Kreis Pinneberg angehäuft haben. Anwohner*innen und Feuerwehr sind in Sorge. Denn sollte es dort brennen, wäre dies fatal.
"Dann kann man Elmshorn, wenn der Wind richtig steht, evakuieren", sagt der Wehrführer der Ortsfeuerwehr, Björn Mohrdieck. Ihnen bliebe nichts anderes übrig, als die Haufen kontrolliert niederbrennen zu lassen. Denn Reifen bestehen zu großem Teil aus Erdöl und ließen sich nicht leicht löschen. Zudem könnte die örtliche Feuerwehr Löschschaum nicht in ausreichender Menge vorrätig halten, so Mohrdieck.
Anwohner*innen in Sorge
Auch die direkten Nachbar*innen werfen immer mal ein Auge auf die schwarzen Gummiberge. Bis zu sieben Meter hoch sollen sie sein. Martina Martens ist in Sorge: "Wenn es einmal brennt, sind wir die ersten, die hier dran sind, weil wir eben so dicht sind." Gegenüber wohnt Daniel Laube. Er meint: "Da heißt es nur noch abbrennen lassen - und ich glaube, dann sind so ziemlich alle Häuser davon betroffen", sagt Laube.
Über zwei Jahrzehnte türmen sich die Reifen auf dem Hof schon. 2007 meldete der Besitzer Insolvenz an. Seitdem tut sich vor Ort nicht mehr viel. Der Besitzer möchte uns gegenüber kein Interview geben. Er erzählt uns aber, dass ihm seine Absatzmärkte weggebrochen seien, weil seine Abnehmer, die Zementwerke, keine Reifen mehr angenommen hätten.
Was wurde gegen das Reifenlager unternommen?
Das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) ist mit zuständig für die Aufsicht des Geländes. Wir wollen wissen, was im Falle des Reifenlagers unternommen wurde. Das LLUR schickt uns eine Übersicht der gegen den Besitzer des Geländes und der Reifen getroffenen Maßnahmen. Laut Auskunft wurde innerhalb der vergangenen 20 Jahre unter anderem die Betriebsführung untersagt, die Genehmigung widerrufen, die Räumung angeordnet. Regelmäßig habe es Ortstermine gegeben.
Besitzer ein alter Bekannter von Panorama
Über den Mann, der für das Reifenlager in Groß Offenseth-Aspern verantwortlich ist, berichtete Panorama bereits 1997. Damals stand eine Reifendeponie im Fokus, die er in der Ortschaft Vellahn in Mecklenburg-Vorpommern betrieb. 20.000 Tonnen Reifen sollen dort gelagert worden sein. Noch heute liegen in Vellahn Reste davon, bestätigt uns der aktuelle Bürgermeister. Es habe gebrannt, seitdem habe sich niemand mehr darum gekümmert. Weil der Besitzer auch hier Insolvenz angemeldet hatte, musste schließlich das Land Mecklenburg-Vorpommern für den Abtransport aufkommen. Vor der Kamera möchte der Besitzer nicht zu seinem Geschäftsgebaren und den Folgen Stellung nehmen. Auch schriftlich möchte er keine Fragen von Panorama 3 beantworten.
Fehlende Wiederverwertung von Reifen als Problem
Altreifen sind ein Problem. Christina Guth von der Initiative der Zertifizierten Altreifenentsorger (ZARE) spricht von 600.000 Tonnen, die pro Jahr in Deutschland anfallen. Für etwa 120.000 bis 180.000 Tonnen müssen neue Absatzwege gefunden werden - und darauf müsse jeder einzelne bei der Entsorgung achten. "Im Durchschnitt produziert jeder, der hier in Deutschland unterwegs ist, im Jahr einen Altreifen. Alle, die individuell mobil unterwegs sind, sind Teil dieses Problems", sagt Guth. Daher sollte jeder seinen Kfz-Betrieb fragen, ob dessen Reifen auch in die Wiederverwertung gehen, zum Beispiel, um aus dem Granulat Sportböden herzustellen.
Altreifenlager seien verlockend, weil die Betreiber gleich bei der Abgabe Geld bekommen, fügt Guth hinzu. "Für die, die entsorgt und recycelt werden müssen, wendet er nichts auf und lässt die Reifen liegen. Das ist für ihn schnell verdientes Geld." Denn die Entsorgung wird immer teurer, weil Abnehmer*innen wie Zementwerke keine Reifen mehr annehmen. Dadurch wird das Problem der illegalen Deponien größer. Guth führt aus: "Wenn diese Abnehmerkreise wegbrechen, müssen die Altreifenversorger weiter fahren. Wenn der Entsorger vorher 50 Kilometer fahren musste, um seine Reifen zu entsorgen und jetzt 300 Kilometer oder ins europäische Ausland fahren muss, dann kostet die Logistik Geld."
Keine Einzelfälle
Dass der Fall in Schleswig-Holstein kein Einzelfall ist, zeigt auch das Beispiel Bad Münder im Kreis Hameln-Pyrmont. Hier hat ein Unternehmer je nach Schätzung zwischen 25.000 bis 100.000 Reifen auf einem Hof gesammelt. Daneben stehen Wohnblöcke und Betriebe. Auch hier gibt es Sorge wegen der Gefahr, die von einem Brand ausgehen könnte.
Wir treffen den Besitzer des Lagers beim Aufladen von Reifen an. Er fühlt sich überfordert: "Alle verlangen das von mir, aber das ist unmöglich. Es braucht eine Finanzierung und Zeit - und dann bin ich dabei." Der Kreis hat ihm eine 14-Tages-Frist eingeräumt, er kann aber nur einen LKW pro Woche schaffen, sagt er. Gleichzeitig fehlt ihm das Geld, weil der Abtransport eines LKWs bereits 1.800 Euro koste.
Brandgassen für den Ernstfall
In Groß Offenseth-Aspern hat nun das Land angeordnet, dass 4.000 Tonnen abtransportiert werden sollen, um für den Ernstfall Brandgassen zu schaffen. Kostenpunkt: Knapp eine Million Euro - bezahlen werden das Steuerzahler*innen. Geplant ist, dass die Reifen in die Türkei gehen, wo sie als Beistoff bei der Zementherstellung genutzt werden. Das LLUR verteidigt die Maßnahme: "Wir stehen in einer schwierigen Situation. Zum einen ist das Gelände weiterhin im Eigentum des dort ansässigen Unternehmers, der ja auch dort wohnt. Wir müssen mit Steuergeldern ausgesprochen sparsam umgehen." Bei der Behörde haben sie den Altreifenhändler schon seit längerer Zeit im Blick, doch er sei nicht zahlungsfähig.
Kreispolitiker Thomas Grabau (Grüne) sieht die Gefahr, dass nach der ersten Räumaktion wieder Ruhe einkehrt: "Wir haben uns intensiv dafür eingesetzt, dass diese Fläche saniert wird. Es darf nicht passieren, dass wieder ein sogenannter Dornröschenschlaf vorkommt, sondern wir würden nochmals Druck machen." Bis Ende August soll der erste Teil abgeschlossen sein - es bleibt abzuwarten, wer für den Rest aufkommt.