2G oder 3G? Hass und Bedrohung gegenüber Gastronomen

Stand: 19.10.2021 18:24 Uhr

Ohne 2G könnten viele Gastronomen ihre Läden nicht betreiben. Doch die zahlreichen Anfeindungen von radikalisierten Impfgegner:innen zermürben auf Dauer.

von Katrin Kampling und Alexandra Bidian

Clubbetreiber Murat Demirkaya
Clubbetreiber Murat Demirkaya wird aufgrund der Einführung der 2G-Regelung für seinen Club in Greifswald massiv angefeindet.

Seit einer Woche lässt der Rosa Club in Greifswald nur noch Geimpfte und Genesene rein. Für den Clubbetreiber Murat Demirkaya gibt es keine Alternative. Er sagt: "In einem Supermarkt ist eine 2G-Regel nicht nötig. Da hat man genug Abstand, da kann man eine Atemschutzmaske tragen und sich die Hände desinfizieren. Aber hier im Club hat man ein hohes Infektionsrisiko, weil die Leute einfach eng zusammenstehen. Sie tanzen miteinander, sie liegen sich in den Armen."

Doch als Demirkaya die 2G-Regeln für seinen Club verkündete, wurde er offen angefeindet. Plötzlich stand er im Fokus eines Shitstorms. Er war fassungslos: "Wie soll ich mit Menschen diskutieren, die uns vorwerfen, wir würden das Dritte Reich wieder auferstehen lassen, weil wir von unserem Hausrecht Gebrauch machen oder wir würden hier Apartheid praktizieren? Auf welcher Grundlage soll ich mit ihnen diskutieren?" Sogar alte Bekannte wendeten sich gegen ihn, warfen ihm vor, er würde wie ein Diktator handeln. Das alles habe ihm auch Angst gemacht. "Ich bin morgens aus dem Haus gekommen und habe geschaut, ob mein Auto vielleicht zerkratzt ist oder ob eine Scheibe im Laden eingeschmissen worden ist", erzählt er.

Anfeindungen sind kein Einzelfall

Ohne 2G könnte auch Ioannis Angilidis aus Hamburg sein Restaurant nicht betreiben. Denn dann dürften nur eine Handvoll Leute bei ihm Platz nehmen. Auch er wurde direkt im Netz angegriffen: "Es zermürbt schon auf jeden Fall. Für den Augenblick fühlt man sich gar nicht gut. Man muss sich umdrehen und dann sagen: Ja, das ist halt so. Wir können nichts dafür und dann einfach weitermachen." Vor wenigen Wochen erhielt in der Nachbarschaft ein befreundeter Gastronom eine Bombendrohung - weil er sich wie sie für 2G entschieden hat.

Soziologin Sophia Hunger
Die Soziologin Sophia Hunger warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft und glaubt, dass sich ein Teil der Deutschen mit der Corona-Pandemie radikalisiert habe.

Wer sind diese Menschen, die den Gastronom:innen und Veranstalter:innen das Leben so schwer machen? Die Soziologin Sophia Hunger vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) glaubt, manche hätten sich radikalisiert. "Ein großer Teil von den Leuten, die sich jetzt radikalisieren, ordnet sich selbst in der Mitte zu, fühlt sich aber von keiner Partei vertreten. Davor waren diese Leute vielleicht einfach sehr apolitisch, haben ihr bequemes Leben gelebt und fühlen sich wahnsinnig angegriffen davon, dass es eben diese Einschränkungen gibt. Das sind schon viel diese Menschen, die dann sichtbar werden durch diese Aggressionen und Gängeleien."

Spaltung der Gesellschaft?

Obwohl sich die Bäckerei von Uli Ziebart in Braunschweig für 3G entschieden hat, gebe es fast täglich Konflikte mit Gästen: "Die kommen hier rein und gucken einem in die Augen und sagen: 'Ich trage keine Maske, ich lasse mich nicht registrieren.' Ja, und dann ist man hilflos. Soll ich die Polizei rufen? Soll ich das Ordnungsamt rufen?" Er erzählt, es habe schon viele Tränen gegeben bei seinen Mitarbeiter:innen. Eine erzählt uns: "Das Schlimmste fand ich, dass wir als Nazis bezeichnet werden, in welchem Zusammenhang das steht, kann ich nicht verstehen. Da guckt man sich ungläubig an und schüttelt mit dem Kopf und ist fassungslos."

Bäcker Uli Ziebart
In den Bäckereien von Uli Ziebart gilt die 3G-Regelung. Doch trotzdem kommt es nahezu täglich zu Konflikten mit den Kund:innen.

Die Bäckerei hat zehn Filialen in der Region. Und in jeder erleben Mitarbeiter:innen dasselbe: Sie werden angeschrien von Masken-Gegner:innen. Statt Adressen zur Kontaktverfolgung stehen Beleidigungen auf dem Zettel. Und das geht nicht spurlos an den Mitarbeiter:innen vorbei: "Manches nimmt man mit nach Hause. Man spricht dann mit seinem Partner drüber. Und manchmal kann ich auch schlecht einschlafen, also das ist schon in mir drin, das kommt dann erst raus, wenn man Feierabend hat, im Auto sitzt, nach Hause fährt, dann denkt man darüber nach."

Radikalisierungsforscherin Hunger warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft. "Es ist der größere Teil, der da völlig d'accord geht, aber ich glaube, man kann trotzdem von einer Spaltung sprechen. Es ist eine Minderheit. Und sie ist laut. Aber so klein ist sie auch nicht. Und es ist natürlich auch wichtig, dass man ja jetzt nicht weiß, wie diese Bewegung weitergeht. Es entstehen ja Strukturen, und die Strukturen sterben ja nicht, nur weil die Inzidenzwerte runter gehen."

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Ein Mensch hält eine FFP2-Maske in der Hand. © picture alliance/pressefoto_korb/Micha Korb Foto: Micha Korb

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