Missbrauchsverdacht: Schleppende Aufklärung beim Tennisbund
Bessere Strukturen im Deutschen Tennisbund, um sexualisierte Gewalt zu verhindern und mehr Strafmöglichkeiten - das fordert ein externer Untersuchungsbericht. Zuvor war der Vizepräsident des Bundes nach schweren Vorwürfen zurückgetreten. Experten kritisieren jedoch den Ablauf der Untersuchung.
Der Deutsche Tennis Bund (DTB) soll seine Strukturen anpassen, um "in Zukunft Fälle sexueller Gewalt besser frühzeitig verhindern" zu können. Außerdem brauche es regulatorische Anpassungen, um solche Fälle "effektiver aufklären sowie sanktionieren" zu können. Das sind zentrale Empfehlungen im Abschlussbericht zu Vorwürfen des Machtmissbrauchs und der sexualisierten Gewalt gegen den früheren DTB-Vizepräsidenten Dirk Hordorff. NDR, Sportschau und "Süddeutsche Zeitung" (SZ) konnten den Bericht einsehen.
In ihrem 86-seitigen Bericht kommt die vom Tennisbund beauftragte Hamburger Kanzlei FHM außerdem zu dem Schluss, dass die Aussagen der mutmaßlich Betroffenen "auf eigenem Erleben mit Herrn Hordorff basieren" und in einem Fall "überwiegend wahrscheinlich" seien. Im Fall eines anderen Betroffenen seien die Schilderungen "höchstwahrscheinlich" zutreffend. Die Anschuldigungen seien aber nicht strafrechtlich relevant oder verjährt.
Hordorff bestreitet die Vorwürfe
Im März hatten NDR, Sportschau und SZ berichtet, dass der damals amtierende DTB-Vizepräsident Hordorff - nach Aussage von Betroffenen und Zeugen - junge Spieler bei so genannten "Muskelchecks" intim berührt und massiert haben soll. Zudem habe Hordorff Spieler aufgefordert, sich zu entkleiden und nackt Übungen vor ihm zu machen.
Hordorff hatte daraufhin alle seine Ämter niedergelegt, dies allerdings mit seinem Gesundheitszustand begründet. Er beteuert seine Unschuld. Seine Anwälte schreiben auf Anfrage, die Anschuldigungen seien "schlicht unzutreffend". Einer der mutmaßlich Betroffenen sei "unglaubhaft". Außerdem habe Hordorff "im Rahmen der Untersuchung mehrfach und sehr ausführlich die Vorhaltungen widerlegt", so seine Anwälte.
Weitere Spieler werfen Hordorff Machtmissbrauch vor
Weitere Tennisspieler beschuldigen Hordorff des Machtmissbrauchs. Insgesamt erheben 14 Spieler, darunter zwei aktuelle Profis, Vorwürfe gegen den ehemaligen Spitzenfunktionär, Manager und Trainer. Einige von ihnen bezeugen in eidesstattlichen Versicherungen gegenüber NDR, Sportschau und SZ Machtmissbrauch und Grenzverletzungen Hordorffs. So habe dieser etwa Jugendlichen beim Duschen zugesehen und ihnen Gegenstände auf den Boden geworfen, nach denen sie sich hätten bücken müssen. Zudem habe er in einem Fall Nacktfotos eines Spielers machen wollen oder Athleten im Lendenbereich massiert.
Hordorff und seine Anwälte äußerten sich zu diesen neuen Anschuldigungen nicht. Sie teilen lediglich mit, eine frühere Antwort, in der die Vorwürfe bestritten wurden, habe "uneingeschränkte Gültigkeit".
Der Präsident des DTB, Dietloff von Arnim, hat sich unterdessen bei den Betroffenen mutmaßlicher Übergriffe entschuldigt und eine Aufarbeitungskommission eingerichtet. Diese soll auch klären, welche Strukturen des Verbandes verändert werden müssen. So sei es dem Präsidium, nach Aussage von Arnim, angeblich nicht möglich gewesen, Hordorff für die Dauer der Untersuchung freizustellen, als die Vorwürfe bekannt wurden. Deswegen habe der DTB entschieden, "wir müssen das in dem Fall so akzeptieren", so Arnim.
Kritik am Ablauf der Untersuchung
Compliance-Experten sowie die Interessensvertretung der Profisportler "Athleten Deutschland" kritisieren auch die vom DTB in Auftrag gegebene Untersuchung. So wurde dem Hauptbeschuldigten Hordorff noch vor Abschluss der Untersuchung eine vorläufige Fassung des Abschlussberichts ausgehändigt, zu der er Stellung nehmen konnte, wie der DTB bestätigt. Die vorläufige Fassung "stimmt weitgehend mit dem finalen Bericht überein", so der DTB.
Ein vermutlich vom Missbrauch Betroffener hingegen, der ehemalige Profi Maximilian Abel, erhielt statt des Berichtsentwurfs lediglich vier Seiten vom DTB, so Abels Anwalt.
Die externe Kanzlei FHM begründet dies auf Anfrage damit, dass sie sich in einem solchen Verfahren an der Strafprozessordnung orientiere, weil es abseits davon keine gesetzlichen Vorschriften gebe. Demnach müsse die beschuldigte Person "ausreichende Informationen über die gegen sie erhobenen Vorwürfe" erhalten, um sich erklären zu können.
"Wenn das stimmt, dass der Beschuldigte während des Verfahrens vollumfängliche Akteneinsicht hatte, dann könnte das höchst problematisch sein", sagt dagegen Maximilian Klein von "Athleten Deutschland" gegenüber dem ARD-Politikmagazin Panorama. "Der Beschuldigte könnte die Möglichkeit gehabt haben, Einfluss auf das laufende Verfahren auszuüben", so Klein. Das deutliche Informationsgefälle zwischen Beschuldigtem und Betroffenem sende "ein katastrophales Signal natürlich auch an alle anderen Betroffenen im Tennissport", kritisiert Klein. Es gäbe Parallelen zu Missbrauchsfällen in den Kirchen: "Wir haben es mit Institutionen zu tun, die im Zweifel sich selbst schützen, statt die Betroffenen."