Flughafen Frankfurt: Sicherheitslücke beim Catering?

Bei "Gate Gourmet" am Frankfurter Flughafen wird die Bordverpflegung für viele Airlines hergestellt. Nach Panorama-Recherchen sollen dort im gesicherten Bereich Menschen nur mit Besucherausweis gearbeitet haben. Der Verdacht: Das Personal ist nicht ausreichend überprüft.

von Robert Bongen und Timo Robben

 

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Bis vor kurzem hat Mouhaman H. am Frankfurter Flughafen gearbeitet. In einem gesicherten Bereich, in dem die Bordverpflegung für die Flugzeuge vorbereitet wird. Jetzt ist er dort nicht mehr tätig - und traut sich, im Interview offen zu sprechen über eine erstaunliche Beobachtung, die er seit Ende letzten Jahres immer wieder gemacht hat: "Ich habe über einen sehr langen Zeitraum beobachtet, dass Menschen mit Besucherausweis im Sicherheitsbereich gearbeitet haben. Darüber habe ich mich sehr gewundert!"Menschen, die im gesicherten Bereich bloß mit einem Besucherausweis arbeiten?

Es geht um den Airline-Caterer "Gate Gourmet". Die Lkw des Unternehmens sind auf dem Frankfurter Flughafen omnipräsent. Sie beliefern viele Flugzeuge mit der Bordverpflegung. Aus dem Werk, in dem Mouhaman H. gearbeitet hat, kommen die Speisen und Getränke für die Passagiere von großen Fluggesellschaften wie Condor, Tui Fly, Air Canada und United Airlines. Das Werk grenzt unmittelbar an das Flughafengelände. Hier bereiten die Beschäftigten etwa die Tabletts mit den Bordmahlzeiten vor und bestücken die Trolleys mit Getränkedosen.

Jeden Tag produziert "Gate Gourmet" rund 30.000 Mahlzeiten am Standort Frankfurt. Weil das Essen auf direktem Weg ins Flugzeug geliefert wird, gelten hier hohe Sicherheitsstandards.

Der bösen Fantasie keine Grenzen gesetzt

Visitor Pass © NDR
Beim Flugzeug-Caterer "Gate Gourmet" sollen Menschen nur mit Besucherausweis gearbeitet haben.

Und ausgerechnet hier arbeiten Menschen bloß mit einem Besucherausweis? Auch ein weiterer langjähriger Mitarbeiter hat das beobachtet. Immer wieder. Aus Sorge um seinen Arbeitsplatz möchte er anonym bleiben. "Was die Tätigkeiten betrifft, kann man diese Personen mit Besucherausweis von normalen Mitarbeitern nicht unterscheiden", berichtet er. Nicht nur er mache sich Sorgen: "Wenn da einer Böses im Schilde führt, dann ist der durchaus in der Lage, da einen großen Schaden anzurichten, indem er zum Beispiel irgendetwas verstaut in diesen Behältnissen oder irgendetwas in die Lebensmittel schüttet. Da sind der Fantasie leider keine Grenzen gesetzt."

Und die Sorgen scheinen berechtigt: Der Besucherausweis bei "Gate Gourmet" ist austauschbar, darauf befindet sich kein Name und kein Lichtbild. Und vor allem: Darauf ist eindeutig vermerkt, dass Besucher begleitet werden müssen und sich nicht frei im Werk bewegen dürfen: "Escorted Visitor". Panorama liegen Aufnahmen vor, die Personen in unterschiedlichen Bereichen auf dem Betriebsgelände zeigen - tatsächlich bloß mit Besucherausweisen. Eine Begleitung ist auf diesen Bildern nicht zu erkennen.

Womöglich bis zu 150 Arbeiter mit Besucherausweisen

Mouhaman H. © NDR
Mouhaman H. hat mehr als 30 Jahre für das Airline-Catering gearbeitet.

Mouhaman H. bestätigt diese Aufnahmen. Er habe immer wieder Personen teilweise über längere Zeit gesehen, die nur einen Besucherausweis trugen und nicht begleitet waren, dabei ganz normal gearbeitet haben. Er sei zuletzt Teil der Inventur-Crew gewesen, da sei er täglich in vielen Bereichen des Betriebs unterwegs gewesen und habe deshalb einen guten Überblick gehabt. "Ich habe Personen mit Besucherausweis im Lager, in der Tablettsausdeckung, in der Küche, in der Kantine gesehen." Fast überall hätten sie auch Zugang zur Bordverpflegung gehabt. Manchmal seien es bis zu 150 Besucherausweisträger am Tag gewesen, so schätzt er. Andere bestätigen die Größenordnung.

Experte: Risiko, dass Menschen eingeschleust werden

Prof. Elmar Giemulla © NDR
Prof. Elmar Giemulla hält die Schilderungen für bedenklich.

Der Luftsicherheitsexperte Prof. Elmar Giemulla (TU Berlin) hält diese Aufnahmen und Schilderungen für sehr bedenklich. Der Betrieb von "Gate Gourmet" liege zwar außerhalb des Sicherheitsbereichs des Flughafens, gehöre aber zur sogenannten "Sicheren Lieferkette". Diese Kette, beginnend bei der Produktion über die Verpackung und Verladung bis schließlich zum Transport ins Flugzeug, müsse laut Gesetz gesichert sein. Das beinhaltet auch eine Zuverlässigkeitsprüfung des Personals, das mit Bordvorräten in Kontakt kommt. "Der Besucherausweis deutet darauf hin, dass bei diesen Personen diese Zuverlässigkeitsüberprüfung noch nicht durchlaufen ist oder vielleicht noch läuft", so Giemulla. "Mit anderen Worten, wir haben es hier mit einem Risiko zu tun, dass Menschen in dieses System eingeschleust werden, von denen man noch nicht weiß, woher sie kommen, welchen Hintergrund sie haben und ob sie eventuell sogar mit Terroristen Kontakt haben." Alles das müsse festgestellt werden, und erst dann sei jemand als zuverlässig einzustufen, erst dann dürfe jemand auch dauerhaft in einem solchen Betrieb arbeiten.

Unternehmen bestreitet Verdacht

Gategourmet beliefert ein Flugzeug, © NDR
"Gate Gourmet" widerspricht dem Verdacht.

Laut Gesetz ist also eine Zuverlässigkeitsprüfung durch die Polizei vorgeschrieben, im konkreten Fall beim Personal von "Gate Gourmet" in Frankfurt durch die zuständige Polizeidirektion Frankfurt am Main. Die Prüfung ist sehr umfangreich und kann mehrere Wochen dauern. Ist das Personal mit Besucherausweis bei "Gate Gourmet" tatsächlich nicht ausreichend überprüft? Auf Nachfrage bestreitet ein Sprecher der gategroup diesen Verdacht: "Alle bei uns angestellten Mitarbeitende (eigene Belegschaft und Leiharbeitende) verfügen ausnahmslos über eine positive und gültige Zuverlässigkeitsüberprüfung", heißt es schriftlich. Und außerdem: "Besuchern wird immer nur temporär und in ständiger Begleitung der Zutritt zu unseren Betriebsstandorten gewährt. Sie sind weder an der Produktion der Bordvorräte beteiligt, noch wirken sie anderweitig auf diese ein."

Das widerspricht den Augenzeugenberichten und vorliegenden Aufnahmen. Panorama hat selbst mit mehreren Beschäftigten bei "Gate Gourmet" vor dem betroffenen Frankfurter Werk gesprochen. Manche sind Leiharbeiter aus Osteuropa. Für eine Zuverlässigkeitsüberprüfung müssten sie ein EU-Führungszeugnis vorlegen. Einige wurden tatsächlich danach gefragt, berichten sie - aber nicht alle. Ein Mann etwa sagt im Interview, dass er seit sechs Monaten in der Produktion bei "Gate Gourmet" arbeite, aber kein Führungszeugnis oder eine Straffreiheitsbescheinigung vorgelegt habe. Diese kann er nur persönlich eingeholt haben. Ohne EU-Führungszeugnis kann keine erfolgreiche Zuverlässigkeitsprüfung erfolgen.

Immer wieder sollen besorgte Beschäftigte des Betriebes in den vergangenen Monaten auch die zuständige Kontrollbehörde, das Luftfahrt-Bundesamt (LBA), auf die Besucherausweis-Problematik hingewiesen haben. Auf Nachfrage teilt das LBA mit, dass sich die Vorwürfe im Rahmen mehrerer Überwachungsmaßnahmen nicht bestätigt hätten. Aber: Man nehme nun "die erneuten Hinweise sehr ernst" und habe "kurzfristig Maßnahmen ergriffen, um die im Raum stehenden Vorwürfe lückenlos aufzuklären".

Arbeitskräftemangel nach Corona könnte Rolle spielen

Bleibt die Frage, wie es überhaupt dazu kommen könnte, dass möglicherweise Personal mit Besucherausweis im Betrieb arbeitet und nicht ausreichend überprüft ist. Einige langjährige Mitarbeiter haben eine Vermutung: "Nach Corona brauchten wir im Betrieb schnell viele Leute. Und ich habe eine hohe Fluktuation beobachtet", berichtet einer. "Möglicherweise kommt man da mit den Zuverlässigkeitsüberprüfungen nicht hinterher, so eine Überprüfung dauert ja auch eine gewisse Zeit. Und dann schickt man die Leute halt einfach erstmal mit Besucherausweisen ins Werk. Das bereitet uns schon echt Sorgen."

 

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Prof. Elmar Giemulla weiß um den Arbeitskräftemangel, insbesondere am Flughafen: "Beim Catering braucht man viele Menschen. Man braucht auch unter Umständen spontan Menschen bei Hochdrucksituationen. Die kann man nicht aus dem Boden stampfen, gerade weil die ja alle überprüft werden müssen." Da sei schon ein ziemlicher Druck auf dem ganzen System, der unter Umständen dazu führe, dass man die Sache nicht so ernst nimmt, wie sie der Gesetzgeber vorschreibt: "Das kann keine Entschuldigung sein, das ist eine Erklärung. Diese Dinge müssen eingehalten werden. Es ist nicht die Entscheidung der Unternehmen wie 'Gate Gourmet', sondern es ist die Entscheidung des Gesetzgebers, ob Sicherheitsmaßnahmen runtergefahren werden."

32 Jahre hat Mouhaman H. in dem Werk in Frankfurt gearbeitet. Erst jahrzehntelang bei der Lufthansa-Tochter LSG, seit dem Verkauf an die gategroup Holding bei "Gate Gourmet". Er ist sich jedenfalls sicher: Dass Menschen in der Produktion arbeiten, die bloß einen Besucherausweis tragen, das habe es früher nie gegeben. 

Arbeiten mit Besucherausweis im gesicherten Bereich: Luftfahrt-Bundesamt ordnet "Abstellung der Mängel" an

Eine Woche nach der Panorama-Berichterstattung über mutmaßliche Sicherheitslücken in einem Werk von Gate Gourmet in Frankfurt teilte das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) mit, dass es die Betriebsstätte des betroffenen Unternehmens unangekündigt kontrolliert habe. Bei allen kontrollierten Personen habe eine Zuverlässigkeitsprüfung (ZÜP) und die erforderlichen Schulungen vorgelegen. Bei einer Person sei die ZÜP abgelaufen gewesen, dieser Person sei sofort die Ausübung der Tätigkeit untersagt worden. Die Mitarbeitenden des LBA hätten bei den Überprüfungen allerdings festgestellt, dass die Ausgabe von Mitarbeiterausweisen im Unternehmen nach Erteilung der ZÜP und der absolvierten Schulung  lange gedauert habe, so dass das Unternehmen temporär Besucherausweise ausgegeben habe: "Das LBA hat vor Ort entsprechende Anordnungen zur Abstellung dieser Mängel getroffen und wird die Einhaltung der Vorgaben weiter engmaschig kontrollieren."
 
Das widerspricht der Mitteilung von Gate Gourmet  gegenüber Panorama, Besucher seien "weder an der Produktion der Bordvorräte beteiligt, noch wirken sie anderweitig auf diese ein."
Da Gate Gourmet über weitere Standorte verfügt, seien in dieser Woche deutschlandweit weitere Betriebsstätten einer Überwachungsmaßnahme durch das LBA unterzogen worden. Auch dort seien einzelne Personen angetroffen worden, die nur über einen Besucherausweis verfügten, die aber ausnahmslos eine ZÜP und die erforderlichen Schulungen nachweisen konnten: "Auch diesbezüglich wird das LBA entsprechende Anordnungen treffen und deren Einhaltung kontrollieren." Die Zahl von 150 Besucherausweisen habe das LBA nicht verifizieren können. Diese Aussage eines Augenzeugen im Panorama-Bericht bezog sich allerdings auch nicht auf den aktuellen Zustand, sondern auf die Situation in der Betriebsstätte vor einigen Monaten - und war im Übrigen gedeckt durch weitere Zeugenaussagen. 
 

 

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Flughafen Frankfurt: Sicherheitslücke beim Catering? (Manuskript)

Der Panorama-Beitrag vom 05. Oktober 2023 als PDF-Dokument zum Download. Download (79 KB)

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