Frank Thelen: Fragwürdige Versprechen für Kleinanleger
Investor und TV-Star Frank Thelen will mit seinem Fonds "10xDNA" Kleinanleger und Sparer reich machen. Doch nach nur sechs Monaten ist fast die Hälfte des Geldes weg.
Durch die TV-Show "Die Höhle der Löwen" wurde Frank Thelen bekannt als Start-up-Starinvestor. Nun will er Kleinanleger reich machen, mit seinem Publikumsfonds "10xDNA". Eine Anlagechance nicht nur für millionenschwere Risikoanleger, sondern ganz normale Sparer. Doch nach nur sechs Monaten ist fast die Hälfte des Geldes weg. Kleinanlegergeschäfte aus der Vergangenheit Thelens lassen zudem Zweifel an der Integrität des TV-Stars aufkommen.
Frank Thelen ist euphorisch, seine Idee präsentiert er selbst als geradezu genial. Kleinanleger könnten mit seinem Fonds "10xDNA" bei jeder Bank in vermeintlich revolutionäre Technologien investieren - etwa in das nächste Google, Facebook oder Apple. Und Thelen und sein Team haben genau ausgerechnet, welche Unternehmen das sein werden. "In drei bis fünf Jahren sollten wir bei 95 Prozent unserer Aussagen zu unseren Unternehmen Recht behalten. Das ist das absolute Ziel", so Thelen.
Thelen verspricht Verdreifachung binnen weniger Jahre
Investieren können Kunden über fast jede Bank, per Sparplan schon ab 25 Euro. "In vier bis fünf Jahren wollen wir das Geld verdreifachen", verspricht Thelen, "und das ist eigentlich schon das unterste Ende." Jede Aktie im Portfolio habe das Potential, sich im Wert zu verzehnfachen. "Wir machen gar keine Spekulation. Wir überprüfen das Produkt biologisch, physikalisch, chemisch: Funktioniert das?", sagt Thelen. Etwa 100 Millionen Euro hatte er schon mit solchen Aussagen eingesammelt.
An der Frankfurter Börse werden Thelens Erwartungen hingegen eher kritisch gesehen, etwa von Arthur Brunner von der ICF Bank: "Alle diese Unternehmen müssten total unterbewertet sein. Ich halte solche Versprechen für hanebüchen."
Kurseinbruch um 47 Prozent
Mittlerweile ist die Euphorie auch verflogen - zumindest bei vielen Anlegern. Um 47 Prozent ist Thelens Kursrakete abgestürzt. Kleinanleger haben - Stand jetzt - viel Geld verloren. Da hilft es wenig, dass andere ähnlich riskante Fonds sich nicht viel besser entwickelt haben. Wer dort anlegt, muss wissen, was er tut. Thelen hingegen hat seine Bekanntheit aus der Sendung "Die Höhle der Löwen" (VOX) genutzt, um Kleinanleger anzusprechen.
Der Rentner Wolfgang Künneth hatte 20.000 Euro investiert und ist mittlerweile mit Verlusten von etwa 7.500 Euro ausgestiegen. "Ich habe mich blenden lassen", sagt er, "ich habe ihm mehr zugetraut und bin dann enttäuscht worden." Künneth empfiehlt niemanden mehr, in den Fonds zu investieren: "Ich will jetzt nicht sagen, dass er ein Scharlatan ist, aber er blendet Anleger und reitet auf dem Ross, das er nicht beherrscht."
Enge Verbindungen in die Politik
Der Crash des Frank Thelen ist auch deshalb pikant, weil der Investor von Politikern und Medien groß gemacht wurde. Er hat enge Verbindungen zu Finanzminister Christian Lindner, spendete 50.000 Euro für die FDP. Auch für den Wahlkampf von Ex-CSU-Staatsministerin Dorothee Bär spendete er 10.000 Euro, zuvor hatte sie ihn zum Leiter des "Innovation Council" im Kanzleramt gemacht. Damit war Thelen so etwas wie der Digitalberater der Bundesregierung geworden. Die Ministerin Bär stellte sogar das Buch des Investors Thelen vor.
Millionen Fernsehzuschauer kennen ihn aus der "Die Höhle der Löwen". Der Mann, dem die Politiker vertrauen, der erfolgreiche Start-ups entwickelt, der Multi-Millionär: Frank Thelen ist eine erfolgreiche Marke. Und die Zahl der jungen Menschen unter 30, die in Aktien und Fonds investieren, ist seit Corona um fast 70 Prozent gestiegen. Ein Publikumsfonds ist für einen wie ihn ein spannender Markt.
Thelen: "Immer ist alles Risiko"
Auf Kritik reagiert Thelen genervt: "Da sind wir doch wieder in Deutschland. Immer ist alles Risiko. Aber es ist doch immer ein Chance-Risiko-Verhältnis: Das heißt, die Leute haben die Option, sich über unser Produkt zu informieren, und dann können sie dabei sein oder nicht. Wie toll ist das denn?" Er wolle kein Geld mit seinem Fonds verdienen. Bis zu 1,8 Prozent Gebühren kassiert seine Firma trotzdem. Er plant, dass sein Fonds eine Milliarde Euro schwer werden soll. Das wären Einnahmen von bis zu 18 Millionen Euro aus Gebühren im Jahr - auch wenn die Anleger Geld verlieren sollten, wie zuletzt.
Diejenigen, die sich sonst gern mit Thelen zeigen, schweigen jetzt zum Starinvestor. Zur Geschäftstätigkeit von Herrn Thelen kann Christian Lindner nichts sagen, lässt der Finanzminister ausrichten. Dorothee Bär lässt eine Anfrage unbeantwortet, auch RTL/Vox will sich nicht zu den Geschäften äußern.
"Von Floerke"-Investment wird zum Desaster
Ein Blick in die Vergangenheit lässt zudem weitere Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Investors aufkommen. 2017 sah der damalige Chemie-Student Michael G. ein Video mit Frank Thelen. Darin richtete sich Thelen an Kleinanleger wie ihn. Die könnten jetzt in ein superprofitables Start-up von Thelen investieren, in den Bekleidungs-Shop "von Floerke". "Ich kannte Frank Thelen aus dem Fernsehen. Man denkt, man weiß, was er macht. Er ist dieser Start-up Mensch, steht mit seinem Namen in gewisser Weise dafür ein", sagt G. heute. 3.400 Euro investierte er damals. Geld, das er sich erspart hatte.
"Die Margen sind super und ich bin ein sehr, sehr glücklicher Investor", sagte Thelen in dem Video. Kurz danach sieht man Umsatzprognosen, die sich verfünffachen. Nach Recherchen von Panorama sind die Zahlen in der Präsentation aber offenbar falsch und hatten mit der Realität wenig zu tun. Auch das Manager Magazin hatte über den Fall berichtet. Kurze Zeit nach dem Investment von G. und anderen Kleinanlegern war die Firma tatsächlich pleite, auch weil der Geschäftsführer offenbar private Probleme hatte. Das Geld der Kleinanleger war komplett weg. Die versprochene Rendite von neun Prozent hat Michael G. nie erhalten. Ein Totalverlust.
Dubiose Rolle von Thelen im Fall "von Floerke"
Ob Thelen damals wirklich so glücklich mit seinem Investment war, wie er im Video verspricht, ist nicht ganz sicher. Denn er wollte seine Anteile damals offenbar loswerden. Noch während die Kampagne lief unterschrieb sein Firmenpartner einen Vertrag, mit dem Thelens Firma offenbar aus "von Floerke" aussteigen wollte. Plante der Investor also den Exit, während er Kleinanleger in die Firma lockte?
Thelen bestreitet dies im Interview mit Panorama zunächst: "Ich habe in keinster Weise, während ich Leuten erzählt habe, ich bin ein glücklicher Investor, eine Absichtserklärung, einen Verkauf oder sonstiges unterzeichnet. Seriously." Aber was ist dann mit dem Vertrag? Darin steht jedenfalls etwas anderes. Thelen stellt die Echtheit des Dokuments in Frage: "Jeder kann auch zum Notar gehen und kann sagen, ich hätte gerne einen Notartermin mit folgendem Dokument, da bin ich doch gar nicht involviert." So endet das Panorama-Interview mit Thelen zunächst. Ist der Vertrag also gar nicht echt?
Gab es den Vertrag trotz Werbekampagne?
Doch nur wenige Stunden nach dem Gespräch meldet sich Thelen telefonisch zurück und bittet um ein weiteres Interview. Er dürfe zwar nicht sagen, ob der Vertrag existiere oder nicht, wegen einer Verschwiegenheitsklausel in dem Dokument, aber: "Wenn der Vertrag existieren würde, dann wäre es eigentlich ein gutes Zeichen für das Unternehmen, weil hier ein starker Investor involviert ist. Was dieser Vertrag sagen würde, ist, dass wir und auch alle anderen Investoren herausgekauft werden sollten zu einem vernünftigen Preis. Vor allen Dingen aber, dass auch noch neues Kapital in die Gesellschaft rein fließt."
Das hätte den Kleininvestoren helfen können, ist Thelen sich sicher. Bleibt aber die Frage, warum Thelen überhaupt um Kleinanleger geworben hat, wenn er ihnen dann helfen musste? Schließlich ist der Vertrag unterzeichnet worden, als die Werbekampagne noch lief. Am Ende platzt der Verkauf, die Firma geht insolvent. Die Kleinanleger verloren all ihre Investments. "Das ist absolut Scheiße. Das sollte einfach nicht passieren", sagt Thelen heute.
Der Start-up-Investor Philipp Klöckner sagt: "Offenbar war Thelen selbst nicht mehr überzeugt, während er anderen dazu geraten hat, in das fallende Messer zu greifen." Vier Mal warb Thelen in der Vergangenheit um Geld von Kleinanlegern. Zwei Mal bekamen die ihr Geld mit Gewinn zurück, zwei Mal gingen die beworbenen Unternehmen bankrott.
Fall "Meine Spielzeugkiste": "Wo ist der Vorwurf an mich?"
So auch das Start-up "Meine Spielzeugkiste", eine Sharing-Plattform für Spielzeug. Das Insolvenzverfahren läuft noch. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass Kleinanleger komplett leer ausgehen. 1,5 Millionen Euro hatten sie investiert. Frank Thelen scheint das nicht besonders zu kümmern. "Wo ist der Vorwurf an mich? Ich habe meines Wissens nicht mal für das Investment geworben." Doch das ist falsch. In dem damaligen Werbevideo tritt Thelen auf und lobt das Unternehmen in höchsten Tönen.
Auch wegen der Pleiten aus der Vergangenheit ist Klöckner einer der größten Kritiker von Thelens Fonds "10xDNA": "Ich hielte ihn nicht für die Person, die die Integrität besitzt, Hunderte-von-Millionen-Fonds zu verwalten." Thelen hingegen ist weiter von seinem Erfolg überzeugt: "By the way: Wir haben bisher jede Woche Netto-Zuflüsse, gewinnen also selbst in solchen wirklich schwierigen Marktphasen neues Kapital."