Das Jahrhundertgift
In Chemielaboren entwickelt, potenziell krebserregend, jahrzehntelang verharmlost - immer noch erlaubt: PFAS, eine Gruppe von Industriechemikalien. Lobbyisten kämpfen gegen ein Verbot.
PFAS steht für Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen und bezeichnet eine Gruppe chemischer Stoffe, die in Hunderten Alltagsprodukten stecken. Auf den ersten Blick haben PFAS eine geniale Eigenschaft: Dinge kleben durch sie nicht aneinander, sondern perlen ab. Antihaftbeschichtete Pfannen, regenfeste Kleidung, fettabweisende Pizzakartons, Kosmetik - die Einsatzmöglichkeiten sind fast unendlich - und damit auch die Verbreitung in Alltagsprodukten. Ihre Verwendung ist meist unbedenklich, doch die Produktion und Entsorgung der Stoffe für die Antihaft-Produkte ist das Problem. Die PFAS können dabei in die Umwelt gelangen und der Gesundheit schaden.
Hinweise auf Gesundheitsrisiken
Laut Europäischer Umweltagentur werden PFAS mit Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht, etwa mit Nieren- und Hodenkrebs, Schilddrüsen-Erkrankungen, Leberschäden oder einer verminderten Reaktion auf Impfstoffe. Noch besorgniserregender: PFAS gelten als sogenannte Ewigkeits-Chemikalien, weil sie sich in der Natur kaum abbauen. Durch Abwasser und Abluft sind sie aus den Chemiefabriken in die Umwelt gelangt und über Nahrung, Trinkwasser, Luft und Staub in den menschlichen Körper.
Mittlerweile hat sie fast jeder weltweit im Blut. "Diese Substanzen sind sehr persistent und sehr mobil und verbreiten sich auf dem ganzen Globus. Damit haben wir schon jetzt praktisch die ganze Welt beeinträchtigt. Und das ist eigentlich eine Lektion, die wir schon vor Jahrzehnten gelernt haben, dass wir solche Substanzen nicht produzieren sollen", sagt der Umweltwissenschaftler Detlef Knappe von der North Carolina State University in den USA.
Lobby versucht Verbot zu verhindern
Inzwischen prüft die EU ein Verbot aller PFAS-Stoffe. Ausgenommen wären wohl Industrien, die mit PFAS Produkte herstellen, die relevant für die Gesellschaft sind, etwa die Medizin- und Halbleiterindustrie.
Doch nach Panorama-Recherchen könnte ein rasches PFAS-Verbot durch die Lobbyarbeit einiger deutscher Konzerne scheitern. So setzt sich zum Beispiel der FEC, der Verband der Kochgeschirr-Hersteller, erheblich gegen das PFAS-Verbot ein. Er fürchtet das Ende der Antihaft-PTFE-Pfanne. Der FEC hat unter anderem ein Positionspapier verfasst, um öffentlich die Unbedenklichkeit von PFAS zu untermauern. Doch ein Blick ins Quellenverzeichnis wirft Fragen auf: So zitiert der FEC etwa aus der Studie eines seiner eigenen Mitglieder, einem Hersteller von Antihaftpfannen. Auf Nachfrage betont dieser, dass Antihaftkochgeschirr im Gebrauch ungefährlich sei. Bei einer anderen Studie, auf die sich der FEC bezieht, arbeitet der Autor wiederum für den Chemiekonzern DuPont. Auch DuPont hat jahrelang PFAS hergestellt. DuPont wollte sich dazu nicht äußern.
Im Interview mit Panorama räumt der FEC ein, das eigene Positionspapier sei als "unglücklich" anzusehen. Der FEC-Verbandspräsident Tobias Gerfin verweist auf eine neuere Version des Papiers. Bei der allerdings gibt es so gut wie keine Quellen mehr und von den genannten finden wir eine, die aus dem Zusammenhang gerissen scheint. FEC-Verbandsvize Gernot Strehl argumentiert, generell gebe es zu Kochgeschirr kaum neutrale wissenschaftliche Quellen und man habe bei der einen Quelle eben nur einen Teil zitiert: "Ich kenne keine Firma, die sagt, bitte kauft mein Produkt nicht."
Politik zeigt sich uneinig
Offenbar zeigt die Lobbyarbeit der PFAS-Industrie Wirkung bei den Entscheiderinnen und Entscheidern in der Politik. So spricht sich Gerald Ullrich, der bei der FDP für PFAS zuständig ist, gegen ein komplettes Verbot aus. Franziska Kersten, die zuständige Sprecherin der SPD, ist zwar für ein Verbot von PFAS, hat aber Sorge, es könnte Arbeitsplätze gefährden. Man sollte es "mit Augenmaß machen", sagt Kersten.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (B90/Grüne) betont, trotz des Gegenwindes beider Koalitionspartner, die Bedeutung des PFAS-Verbots: "Es ist kein Problem, vor dem nur die deutsche Chemieindustrie stehen würde, die natürlich ein wichtiger Arbeitsplätze-Faktor und auch ein wichtiger volkswirtschaftlicher Faktor ist. Aber wir reden über einen Prozess, der auf wissenschaftlicher Basis über einen mittleren Zeitraum stattfindet, um menschliche Gesundheit und natürliche Lebensgrundlagen zu schützen. Und ich glaube, dass an diesem Prozess alle mittun können und sollen." Die Bundesumweltministerin will sich nicht festlegen, ob und wann das PFAS-Verbot kommt. Schon jetzt hängt das Verfahren ein halbes Jahr hinterher.