"Wir sind Russland nicht feindlich gesinnt."
Panorama hat mit dem litauischen Außenminister Linas Antanas Linkevičius über sein Land und seine Wahrnehmung einer Bedrohung durch Russland gesprochen.
Das Interview führte Johannes Edelhoff.
Panorama: Wie sehr fühlen Sie sich von Russland bedroht?
Linas Antanas Linkevičius: "Die Art der Bedrohung ist neu für uns, es sind nicht die konventionellen Bedrohungen. Wir haben dafür den Begriff asymmetrische Bedrohung, der dieses neue Phänomen beschreibt. Ich meine damit Bedrohungen durch Cyber-Angriffe oder Erpressung auf dem Energiemarkt. Ein weiteres interessantes und sehr effektives neues Mittel ist - in einem negativen Sinne - der Informationskrieg, also über Propaganda gezielt die Kommunikation und Diskussionen beeinflussen. Diese Mittel werden genutzt und darum müssen wir diese Bedrohung auch in unseren täglichen Aktivitäten und Gegenmaßnahmen einplanen."
Wie viel und welche Unterstützung wünschen Sie sich von der Nato?
"Ganz konkret planen wir ja zurzeit, dass nach dem Nato-Gipfel die Präsenz der Nato-Streitkräfte zu stärken. Für diese Unterstützung möchte ich auch Deutschland danken, dass hier eine Führungsrolle einnehmen wird. Aber diese Präsenz findet eher im kleinen Maßstab statt, wir reden von einem Bataillon. Das ist in keinster Weise vergleichbar mit dem, was hier in der Nähe unserer Grenze, gar nicht so weit entfernt, passiert. Aber egal wie groß die Präsenz auch ist, es ist wichtig Stärke und Einsatzbereitschaft zu zeigen und darum sind wir Deutschland auch so dankbar. Es ist eine wichtige Geste: politisch, militärisch und auch moralisch."
Mal angenommen Litauen würde von Russland angegriffen werden, reichen diese Soldaten um sich zu verteidigen?
"Nein, auf gar keinen Fall. Aber darum geht es auch nicht, es geht darum eine Verteidigungsarchitektur zu bauen, die mögliche Angriffe abschreckt. Die Botschaft muss lauten: Niemand soll die Nato herausfordern. Und eines ist auch klar: Wenn jemand feststellt, dass die Nato nicht zusammensteht, dann ist die Nato nicht stark und es könnte die Verlockung bestehen, die Nato herauszufordern. Aber das ist nicht eine Herausforderung für unser kleines Litauen, sondern für die gesamte Allianz. Und ich würde nicht erst warten, bis wir angegriffen werden, um dann zu überprüfen, ob wir bereit sind. Wir müssen jetzt alles tun, um genau das zu verhindern."
Wenn man mit Ihren Wählern spricht, dann hört man oft: Wir wissen, wie man mit Russland umgehen muss, da wir eine lange, gemeinsame Geschichte haben. Welche Lehren ziehen Sie aus dieser Geschichte?
Ich höre immer mal wieder, dass wir die Russen nicht mögen. Das ist falsch, das stimmt nicht. Wir reden mit den Russen, wir organisieren gemeinsame Foren, laden Intellektuelle, Wissenschaftler, Künstler und Vertreter der Gesellschaft ein. Schon das dritte Jahr in Folge haben wir so ein Forum in Vilnius veranstaltet. Ich mag die russische Kultur, ich mag die Gedichte und Literatur, das ist ein ganz anderes Russland. Ich würde also unterscheiden zwischen der Politik des Kreml und dem "anderen" Russland. Zu sagen, wir seien den Russen feindlich gesinnt ist nicht richtig, denn es gibt auch auf russischer Seite viele Menschen, die ihre Meinung zu diesem Konflikt haben und wir sollten mit diesen Menschen reden.