Klimakatastrophe: Wie Deutschland daran verdienen will
Gern tritt die Kanzlerin als Weltzuchtmeisterin der Klimapolitik auf. Zuletzt empfahl sie auf dem G-7-Gipfel in Elmau die "Dekarbonisierung" der Weltgesellschaft, also den Abschied von Öl, Gas und Kohle. Erneut bekannte sie sich zum "Zwei-Grad-Ziel". Die Erde dürfe sich nicht um mehr als zwei Grad Celsius, gemessen am Zustand zu Beginn der Industrialisierung, erwärmen.
Ob Angela Merkel die Pläne im Wirtschaftsministerium ihrer Regierung kennt? Dort wird überlegt, wie man aus der Erderwärmung Profit schlagen kann, und zwar in den Breiten, in denen die Temperaturen am dramatischsten ansteigen: In der Arktis.
"Wachstumspotential" für die heimische Industrie
"Durch den Klimawandel haben die Eisdicken und die Eisausbreitung in der Arktis stark abgenommen", freut sich das Bundeswirtschaftsministerium. "Daraus ergeben sich völlig neue Möglichkeiten, die dort lagernden Erdöl-, Erdgas- und anderen Rohstoffvorkommen zu fördern und mit eisbrechenden Schiffen abzutransportieren." Hier sehen die Strategen im von Sigmar Gabriel geführten Ministerium erhebliches "Wachstumspotential" für die heimische Industrie. "Die deutsche Polartechnik nimmt weltweit eine führende Rolle ein", etwa wenn es um den Bau von "Offshore-Plattformen", "Ölterminals" und "eisbrechenden Schiffen" gehe.
Wirtschaftsministerium fördert "Eis- und Polartechnik"
So steht es im "Nationalen Masterplan Maritime Technologien". Deutschland möchte also den Klimawandel nutzen, um bei der Erschließung von noch mehr fossilen Brennstoffen, die ja die Ursache für die Erderwärmung sind, zu helfen. Also keine "Dekarbonisierung", sondern Karbonisierung. Das Wirtschaftsministerium fördert die "Eis- und Polartechnik" politisch und finanziell mit jährlichen Millionenbeträgen. Den Goldrausch nördlich des Polarkreises möchte man nicht verpassen.
"Verdammt schlechte Idee"
Harsche Worte findet der oberste Klimaberater der Bundesregierung, Prof. Hans Joachim Schellnhuber, der das Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam leitet, für diese Politik. "Pervers" und "schizophren" sei sie. "80 Prozent der bereits bekannten fossilen Vorkommen" müssten im Boden bleiben, "wenn wir das Zwei-Grad-Ziel ernst nehmen", so Schellnhuber. Insofern sei es "hochgradig unsinnig", überhaupt noch neue Ressourcen erschließen zu wollen. Das Öl und Gas, das unter dem Meeresboden des arktischen Ozeans lagert, zu fördern, sei eine "verdammt schlechte Idee".
"Wir fördern keine Technologien für Öl und Gas in der Arktis"?
Zuständig für diese "schlechte Idee" ist Uwe Beckmeyer, SPD, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und "maritimer Koordinator" der Bundesregierung. Als wir ihn fragen, wie seine Arktispolitik mit den Klimazielen der Regierung zusammenpasse, streitet er einfach alles ab: "Wir fördern keine Technologien für Öl und Gas in der Arktis."
Es ist allerdings schwer zu leugnen. Schriftlich korrigiert das Ministerium seinen Staatssekretär und räumt die Förderung von "Technologien" ein, die für die "Erschließung von Rohstoffquellen in eisbedeckten Gebieten Relevanz" haben. Das Ministerium betont in seiner Stellungnahme, die Gewinnung von Rohstoffen in der Arktis müsse unter "höchsten Umweltstandards" erfolgen.