Edathy-Affäre: Hass auf Pädophile
Sebastian Edathy - vor seinem Auftritt in Berlin fanden sich im Netz auch solche Kommentare: "Wenn du Dreckschwein am 18.12. dann in Deutschland bist, dann solltest du eine schusssichere Weste tragen." Auch wenn man nicht wirklich weiß, ob Sebastian Edathy eine pädophile Neigung hat oder nicht - viele haben ihr Urteil über Menschen mit dieser Veranlagung so oder so gefällt.
Pädophile - es ist eine verhängnisvolle Neigung, von der die Gesellschaft am liebsten gar nichts wissen möchte und die sie ächtet wie keine andere. "Monster - Kastrieren - Wegsperren", solche Worte fallen immer wieder, wenn es um Menschen mit dieser Neigung geht. Rund 250.000 Männer mit pädophiler Neigung gibt es schätzungsweise in Deutschland. Sie haben es sich nicht ausgesucht. Theoretisch kann es jeden treffen. Und was in der Diskussion selten durchdringt: Nicht jeder Pädophile wird ein Täter. Viele von ihnen haben nie ein Kind missbraucht, sondern gelernt, ihre Neigung zu kontrollieren. Zum Beispiel durch eine Therapie beim Netzwerk "Kein Täter werden".
Wo finden Pädophile Hilfe?
Wie Max zum Beispiel, der in der Pubertät feststellte, dass er eine pädophile Veranlagung hat. Es waren, so sagt er, qualvolle Jahre, in denen er vor sich selbst Angst bekam. Er war einer der ersten, der eine Therapie beim Netzwerk "Kein Täter werden" gemacht hat. Er hat sich nie an einem Kind vergangen, sagt er. Von Kinderpornographie hält er sich seit der Therapie fern. Was ihn am meisten stört, ist die Tatsache, dass er nicht offen über seine Veranlagung reden kann. "Es ist schon schwer genug, mit dieser Neigung zu leben - und die Gesellschaft macht es uns nur noch schwerer." Im Internet wirbt Max für eine gesellschaftliche Differenzierung zwischen Neigung und Missbrauch, zwischen Pädophilen und Kinderschändern. Mit der Seite shadowsproject.net will er zeigen, dass nicht alle Pädophilen übergriffig werden - sondern im Gegenteil viele ein ganz normales Leben führen und zu unrecht stigmatisiert werden.
"Kein Täter werden"
Doch auch die Politik tut sich schwer und reagiert oft genauso abwehrend wie die Bevölkerung. Keine weiß das besser als Barbara Schäfer-Wiegand. Sie ist eigentlich Präsidentin einer Kinderschutzstiftung, doch irgendwann meldeten sich bei ihr auch Pädophile: "Es hat Fälle gegeben, die - obwohl wir uns deutlich für Kinder einsetzen - den Weg zu uns gefunden haben, um klar zu machen, dass auch sie Hilfe brauchen. Es waren Menschen, die im Alltag von ihrer verhängnisvollen Neigung getrieben wurden, die Angst vor sich selbst entwickeln." Seitdem kämpft die ehemalige Familienministerin von Baden-Württemberg gemeinsam mit Sexualtherapeuten für mehr Therapieplätze für Menschen mit pädophiler Neigung. Denn die Therapie sei der beste Kinderschutz. "Das ist nun mal in der Schöpfung drin, dass es eine solche Neigung bei Menschen gibt. Und man muss sich ihrer annehmen. Man kommt nicht drum herum - aus Liebe zu den Kindern."
Ganze zehn Anlaufstellen des Netzwerkes "Kein Täter werden" gibt es inzwischen in Deutschland. Immerhin hat die Bundesregierung die Mittel nach dem Fall Edathy deutlich erhöht. Doch die dringend notwendige Debatte zu dem Thema hat leider noch nicht stattgefunden. Barbara Schäfer-Wiegand: "Wenn wir im Umgang mit pädophilen Menschen weiterkommen wollen, dann müssen wir das Thema auch in der Öffentlichkeit thematisieren - und wir müssen es laut tun, damit es alle hören. Damit wir insgesamt und vor allem im Interesse unserer Kinder gewinnen."