Arbeitslosengeld absurd: Hängematte statt Ausbildung
Alexandra M. ist gelernte Schauspielerin. Seit mehreren Jahren ist sie immer wieder arbeitslos und sucht darum eine neue berufliche Perspektive. Dabei stößt sie auf den Beruf des Logopäden, für den sie mit einer Sprecherausbildung ideale Vorkenntnisse mitbringt. Noch dazu sind die Arbeitsmarktchancen für Logopäden recht gut. Doch es gibt ein Problem: Die notwendige dreijährige schulische Ausbildung zahlt die Bundesagentur nicht, weil sie in der Regel nur zweijährige Ausbildungen finanziert und es bei einigen schulischen Berufen "keine institutionellen Finanzierungssicherungen" für das dritte Jahr gibt.
Dementsprechend lehnt das Jobcenter Berlin Friedrichshain Kreuzberg eine Übernahme der Schulkosten ab. Alexandra M. gibt nicht auf: Sie finanziert sich die Kosten für die Schule über einen Kredit bei ihren Eltern selbst und fängt die Logopäden-Ausbildung trotzdem an.
Bekanntschaft mit einer Regelungslücke
Aber die Probleme gehen weiter: Anfang April kündigt das Jobcenter an, dass Alexandra M. das Arbeitslosengeld II (ALG 2)gestrichen wird. Die Ausbildung zur Logopädin ist eine dem Grunde nach BAföG-fähige Ausbildung, in solchen Fällen zahlt das Jobcenter kein ALG 2 mehr. Diese an sich sinnvolle Regelung im Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) hat leider einen kleinen Haken. Alexandra M. ist 45 Jahre alt, BAföG kann man nur bis zum Alter von 35 Jahren beziehen. Das Arbeitslosengeld II wird ihr dennoch gestrichen, immerhin ist ihre Ausbildung eben "dem Grunde nach" BAföG-fähig. So steht Alexandra M. ab August wahrscheinlich ganz ohne Unterhalt, Mietkostenübernahme und Krankenversicherung da, weil sie in eine Regelungslücke gefallen ist. Anders formuliert: Wenn sie die Ausbildung abbricht, bekommt sie wieder Unterhalt.
Eine Regelung mit absurden Folgen
Die absurde Logik und Problematik hat die Bundesagentur für Arbeit gegenüber "Panorama" bestätigt. Man müsse sich an das Gesetz halten und diese Fälle seien nicht geregelt, so Sprecherin Frauke Wille. "Wir würden es befürworten, wenn wir diese Ausbildung in irgendeiner Form unterstützen könnten. Ob mit Arbeitslosengeld II oder in anderer Form, muss der Gesetzgeber entscheiden. Aber es wäre sicherlich schön, wenn wir diese besonderen Fälle besser unterstützen könnten." Doch das Bundesministerium für Arbeit will erst einmal nicht tätig werden. "Eine Öffnung der Grundsicherung für Arbeitssuchende, für Auszubildende in schulischen Ausbildungen, die keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung mehr haben, ist in diesem Zusammenhang aber nicht geplant, weil die Regelungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung für diese Fälle ausreichende Förderungsmöglichkeiten bieten."
Keine Unterstützung bei Fortsetzung der Ausbildung
Alexandra M. bleibt daher unter Umständen keine Wahl: "Wenn man mir das ALG 2 wirklich streicht, muss ich die Ausbildung aufgeben. Ich kann mir das Geld nicht aus den Rippen schneiden, ab August bekomme ich dann keinen Unterhalt mehr, keine Krankenversicherung mehr. Meine ganze Existenz hängt daran. Meine Wohnung - einfach alles."